US-Wahlkampf: Demokraten nutzen Trumps Entgleisungen, um rechte Republikaner zu umwerben

Eine flapsige Bemerkung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, als er seiner demokratischen Gegenspielerin Clinton die Absicht strengerer Waffenkontrollen vorwarf, wird von Clintons Wahlkampfteam benutzt, um den Milliardär, Immobilienspekulanten und nun auch Politiker von einem rechten, reaktionären Standpunkt aus anzugreifen.

Trump hatte in einer Wahlkampfrede Clinton vorgeworfen, sie wolle den zweiten Zusatzartikel zur Verfassung abschaffen, der den Bürgern das Recht garantiert, „Waffen zu besitzen und zu tragen“, da „eine wohlgeordnete Miliz“ unabdingbar sei.

Clinton, sagte Trump in Wilmington, North Carolina, würde als Präsidentin Richter für den Obersten Gerichtshof auswählen, die den Waffenbesitz einschränken, und weiter: „Wenn sie ihre Richter auswählen kann, dann könnt ihr nichts mehr machen, Leute.“ In einer Art Randbemerkung fügte er hinzu: „Obwohl – die Anhänger des zweiten Verfassungszusatzes vielleicht doch. Ich weiß es nicht.“

Diese mehrdeutige Bemerkung Trumps, die typisch ist für seine rüpelhafte und aufwiegelnde Phrasendrescherei, wurde von Clintons Wahlkampfteam und den Funktionären der Demokraten sofort aufgegriffen: Sie komme einer Aufforderung an die Waffenfanatiker und Trump-Anhänger gleich, Richter und/oder Clinton selbst zu ermorden. In einer Erklärung von Clintons Wahlkampfmanager Robby Mook heißt es: „Wer Präsident der Vereinigten Staaten werden möchte, sollte sich in keinerlei Form für Gewaltanwendung aussprechen.“

Andere Funktionäre der Demokraten warfen Trump direkt vor, für die Ermordung von Clinton zu plädieren. Clintons Kandidat für die Vizepräsidentschaft, der Senator von Virginia, Tim Kaine, erklärte am Dienstag in einer Rede in Texas: „Wer eine Führungsposition anstrebt, speziell die Präsidentschaft, sollte nie etwas tun, was Gewalt toleriert, aber genau so hat er sich geäußert.“

Am Mittwoch sprach Clinton in Iowa und beschuldigte Trump, er habe mit seiner Bemerkung „die Grenze überschritten“.

Diese Vorwürfe wurden erhoben, obwohl das Wahlkampfteam von Trump nur Minuten nach seinen Bemerkungen in Wilmington eine Erklärung herausgab, in der es betont, der Präsidentschaftskandidat habe auf den politischen Einfluss der Waffenlobby angespielt und keineswegs für irgendeine Form von Gewaltanwendung plädiert. Trump gab später gegenüber den Medien ähnliche Erklärungen ab.

Große Medienkonzerne, die sich seit den Parteitagen der beiden großen Wirtschaftsparteien auf die Seite der Clinton-Wahlkampagne gestellt haben, machten aus Trumps Äußerungen Schlagzeilen. Sie verschärften damit ihre jüngsten Angriffe auf den milliardenschweren Kandidaten, er sei eine Bedrohung für die außenpolitischen Interessen der USA und eine potentielle Gefahr für die innere politische Stabilität. Sowohl in der New York Times als auch in der Washington Post vom Mittwoch (10. August) waren Trumps Bemerkungen und deren Verurteilung durch republikanische wie demokratische Funktionäre und Kommentatoren die Titelthemen.

Die Post und die Times veröffentlichten Leitartikel, in denen gefordert wurde, die Spitzen der Republikaner sollten sich von Trump distanzieren. Auf der Webseite der Post erschienen zusätzlich drei Kommentare, darunter eine Kolumne des ehemaligen republikanischen Abgeordneten und gegenwärtigen MSNBC-Moderators Joe Scarborough mit dem Titel „Die GOP muss Trump loswerden.“ (GOP = Grand Old Party)

Die Times veröffentlichte einen Leitartikel ihres Chef-Kolumnisten für Außenpolitik, Thomas Friedman. Darin vergleicht er die Bemerkungen Trumps mit den Erklärungen der Ultrarechten in Israel nach dem Oslo-Abkommen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), durch die, laut Friedman, der rechtsextreme Mörder aufgehetzt wurde, der vor 21 Jahren den israelischen Premierminister Jitzchak Rabin ermordete.

Die Times brachte obendrein einen Sonderbeitrag des ehemaligen Direktors der Geheimdienste Central Intelligence Agency (CIA) und National Security Agency (NSA), Michael Hayden, über Beratungen der CIA im Hinblick auf die Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien. Bei diesen Beratungen habe er darauf hingewiesen, dass Trump kein vertrauenswürdiger Träger von Geheimnissen sei, die die nationale Sicherheit der USA betreffen. Hayden ist einer von 50 republikanischen ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern, die am Montag einen offenen Brief herausgegeben haben. Darin wird Trump verurteilt und für untauglich erklärt, das Amt des Präsidenten und Oberbefehlshaber auszuüben.

In seiner Kolumne schildert Hayden seine erste Besprechung mit Barack Obama nach dessen Wahlsieg im November 2008. Er habe, berichtet er mit stolz geschwellter Brust, Obama über das CIA-Programm informiert, unter dem Terrorverdächtige zur Befragung und Folter in Drittländer „überstellt“ (sprich: entführt) werden.

Haydens Kolumne macht erneut deutlich, dass es sich bei den hochrangigen Vertretern des Sicherheitsapparats, die sich als Republikaner öffentlich zu Clinton bekannt haben, um Staatsverbrecher handelt. Dem offenen Brief, der am Montag (8. August) auf der Website der New York Times veröffentlicht wurde, war am Freitag (5. August) an derselben Stelle ein Gastkommentar des ehemaligen CIA-Direktors Michael Morrell vorausgegangen: „Früher war ich Chef der CIA. Heute unterstütze ich Hillary Clinton.“

Die Aufregung um die beiläufige Bemerkung, die Trump in Wilmington fallen ließ, ist symptomatisch für die tiefe Krise des gesamten politischen Systems in den USA. Der Präsidentschaftswahlkampf bringt es an den Tag. Was immer Trump mit seinen unvermittelten Aussagen beabsichtigt haben mag, beide Seiten verwenden die Sprache des Bürgerkriegs. Die Kandidaten bezichtigen sich gegenseitig der geistigen Unzurechnungsfähigkeit und der Unfähigkeit zur Amtsführung im Weißen Haus. Obwohl die Wahlen erst in drei Monaten stattfinden, erklärt Trump schon heute, sie würden zu seinen Ungunsten gefälscht. Damit spricht er natürlich der Regierung, die am 20. Januar 2017 die Amtsgeschäfte übernehmen wird, die Legitimität ab.

Hinter dieser instabilen und explosiven Lage stehen als Triebkräfte die ungeheure Zunahme der sozialen Ungleichheit, die anhaltende Wirtschaftskrise und die seit Jahren andauernde Kriegsführung. Die Vorwahlen waren von der Massenopposition gegen das gesamte politische Establishment und gegen beide Parteiapparate geprägt. Trump versucht nun, die Wut und Frustration der Gesellschaftsschichten, die durch die jahrelangen Betriebsstillegungen und Sozialkürzungen ins Elend gestürzt wurden, in reaktionäre Bahnen zu lenken, als da wären: Ausländerfeindlichkeit, Wirtschaftsnationalismus, amerikanischer Chauvinismus, Rufe nach hartem Durchgreifen und Militarismus.

Für die herrschende Elite und ihre beiden Parteien war es ein Schock, dass Bernie Sanders, der Senator von Vermont, als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten breite Unterstützung gewann, weil er sich als Sozialist bezeichnete und eine „politische Revolution“ gegen die „Milliardärsklasse“ versprach. Doch wie die World Socialist Web Site von Anfang an warnte, verkörperte Sanders nicht die politische Radikalisierung von Arbeitern und Jugendlichen oder die Verbreitung antikapitalistischer Stimmungen. Vielmehr bemühte er sich, im Dienst der herrschenden Klasse diese Opposition zu beschneiden, zu entschärfen und zu zerstreuen, indem er sie zurück in die Arme der Demokratischen Partei trieb – dorthin, wo in den USA seit jeher soziale Proteste zu Grabe getragen werden.

Seitdem Sanders vor ihr zu Kreuze gekrochen ist, hat Clinton in ihrer Wahlkampagne einen scharfen Rechtsruck vollzogen. Insbesondere seit dem Parteitag der Demokraten im Juli bemüht sie sich in erster Linie darum, Unterstützung bei führenden Republikanern, Militärbefehlshabern, Geheimdienstführern und Milliardären zu gewinnen. Dazu greift sie Trump von rechts an. Sie wirft ihm vor, er sei ein Agent von Wladimir Putin und schrecke womöglich vor einem Krieg gegen die Atommacht Russland zurück, er sei ein Kritiker der Nato und anderer imperialistischer Bündnisse, er lasse es an Achtung vor dem Militär fehlen und er sei mental instabil.

Zugleich hat das Clinton-Lager für den Fall ihres Wahlsiegs (Clintons Umfragewerte sind seit den Parteitagen gestiegen) eine Eskalation des Kriegs für einen Regimewechsel in Syrien und weiterer Operationen der USA im Nahen Osten angekündigt. Auch gegenüber Russland und China soll der Konfrontationskurs verschärft werden.

Es ist schon auffallend, wie zielstrebig die Demokraten daran arbeiten, die schlimmsten Kriegsverbrecher des republikanischen Lagers entweder zu direkten Unterstützungserklärungen für Clinton oder wenigstens zu öffentlichen Stellungnahmen gegen Trump zu bewegen.

Die USA Today berichtete am Mittwoch, den 10. August: „Presseberichten zufolge gewinnt das Clinton-Lager Unterstützung bei Außenpolitikern der Republikaner, beispielsweise bei dem ehemaligen Außenminister Henry Kissinger, bei Colin Powell und bei Condolezza Rice.“

Diese Politiker tragen ebenso wie Michael Morrell und die Unterzeichner des offenen Briefes vom 8. August Schuld am Tod von Zehntausenden. Zusammengenommen waren sie, wie auch die beiden Clintons, führend an faschistischen Militärputschen, an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen vom Nahen Osten über Nordafrika bis Zentralasien und an Kriegsverschwörungen gegen Rivalen wie Russland und China beteiligt – und schürten damit Konflikte, die binnen kurzer Zeit zu einem atomaren Dritten Weltkrieg führen können.

Der Präsidentschaftswahlkampf der Demokraten entpuppt sich als Bemühen um einen parteiübergreifenden Konsens, um auf der Grundlage einer reaktionären militaristischen Politik de facto eine Große Koalition zu bilden, die auch im eigenen Land die Angriffe auf demokratische Rechte vorantreibt und die soziale Lage der Arbeiterklasse weiter verschlechtert.

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