Perspektive

Die Provokation auf der Krim und die Gefahr eines Weltkriegs

Der gescheiterte Terroranschlag auf der Krim, der von ukrainischen Geheimdienstmitarbeitern in enger Absprache mit Washington organisiert wurde, hat in Europa eine der schwersten Krisen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ausgelöst.

Die US-gestützte Regierung in Kiew hat die ukrainischen Streitkräfte in höchste Gefechtsbereitschaft versetzt. Im Gegenzug begann das russische Militär Manöver in der Region. Am Freitag berichtete Russland, es habe sein hochmodernes S-400 Luftabwehrsystem auf der Krim stationiert. Der russische Premierminister Dmitri Medwedew deutete an, Moskau werde möglicherweise die diplomatischen Beziehungen zu Kiew abbrechen. Die USA haben ihrerseits in Aussicht gestellt, weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen.

Die Londoner Financial Times beschrieb in ihrem Leitartikel die Lage so: „Die Ukraine und Russland stehen wieder einmal am Rand eines offenen Krieges.“ Die Zeitung fügte hinzu, von der Situation in der Ukraine gehe die größte Gefahr für den Frieden in Europa seit 1945 aus. In Übereinstimmung mit der aggressiven Haltung der Obama-Regierung und der britischen Tory-Regierung von Premierministerin Theresa May forderte die Zeitung ein noch schärferes Vorgehen gegen Russland.

Die Beweise, die Moskau vorgelegt hat, deuten auf eine durch und durch verbrecherische Operation des Kiewer Regimes hin. Sondereinsatzkommandos hatten am 6. und 8. August zweimal versucht, mit Feuerschutz durch ukrainische Streitkräfte auf die Krim vorzudringen. Ein Mitglied des russischen Sicherheitsdienstes und ein russischer Soldat wurden bei den Angriffen getötet.

Die ukrainischen Kommandos waren mit Sprengsätzen, Landminen, Granaten und Sturmgewehren ausgerüstet. Das russische Staatsfernsehen veröffentlichte einen Teil des Geständnisses eines der Täter, laut dem u.a. eine Fähre, eine Ölraffinerie und ein Chemiewerk gesprengt werden sollte.

In den letzten zweieinhalb Jahren nutzten die USA und ihre Nato-Verbündeten die Auseinandersetzung um die Krim als Vorwand für eine systematische Aufrüstung der Truppen an der russischen Grenze. Als Vorwand diente die angebliche „Aggression“ und der sogenannte „Expansionsdrang“ Moskaus. Nato-Kampfgruppen aus je 1.000 Soldaten werden in Polen und den drei baltischen Republiken stationiert. Unterstützt werden sie von einer neu geschaffenen schnellen Eingreiftruppe, die in wenigen Tagen 40.000 Soldaten in die Region entsenden kann. Zudem finden an der westlichen Flanke Russlands ständig Militärübungen statt.

Die Krise in der Ukraine und die Entwicklungen auf der Krim sind nicht das Ergebnis russischer Aggressionen, sondern des von Deutschland und den USA organisierten Putsches im Februar 2014, der zum Sturz der gewählten Regierung von Präsident Wiktor Janukowitsch führte. Diese von faschistischen Milizen angeführte und von Washington und Berlin finanzierte Operation brachte ein extrem rechtes antirussisches Regime unter dem Oligarchen Petro Poroschenko an die Macht. Die Korruption und die ständige Gefahr durch die Neonazi-Schlägertrupps, die während des Putschs als Stoßtruppen gedient hatten, führten zu einer Wirtschaftskrise und einem anhaltenden Krieg gegen die Zivilbevölkerung in der vorwiegend russischsprachigen Region Donbass.

Unmittelbar nach dem Putsch stimmte die überwiegend russischsprachige Bevölkerung der Krim in einem Referendum mit eindeutiger Mehrheit für die Loslösung von der Ukraine und den Anschluss an Russland. Zu Sowjetzeiten war die Halbinsel Teil der Sowjetrepublik Russland. Erst 1954 wurde sie der Sozialistischen Sowjetrepublik Ukraine angegliedert. Diese administrative Maßnahme sollte die Entwicklung der Sowjetunion insgesamt fördern.

Mit der Auflösung der Sowjetunion änderte sich die Bedeutung dieser Gebietsübertragung. Die Stadt Sewastopol auf der Krim ist seit dem achtzehnten Jahrhundert der Heimathafen der russischen, bzw. der sowjetischen Schwarzmeerflotte. Für Russland ist das Schicksal der Krim eine existenzielle Frage, von der sein Zugang zum Schwarzen Meer und zum Mittelmeer abhängt.

Die derzeitige Krise ist letzten Endes Teil des hohen Preises, den die Arbeiterklasse für den Verrat der stalinistischen Bürokratie an der Oktoberrevolution von 1917 bezahlt. 1991 löste die Bürokratie die UdSSR, den ersten Arbeiterstaat der Welt, auf und begann den Prozess der Wiedereinführung des Kapitalismus.

Mit seinen Versuchen, Russland in einen bewaffneten Konflikt um die Krim hineinzuziehen, verfolgt der US-Imperialismus eine Politik, die man nur als atemberaubend leichtsinnig bezeichnen kann. Doch genau das war im letzten Vierteljahrhundert endloser und immer zahlreicherer Kriege im ganzen Nahen Osten das Wesen der amerikanischen Außenpolitik.

Die Auseinandersetzung um die Krim kann nicht von dieser US-Kriegpolitik getrennt werden. Sie hängt mit der Frustration der USA über das Scheitern ihres Regimewechsel-Projekts in Syrien zusammen. Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad konnte mit Unterstützung durch Russland die mit Al Qaida verbündeten Milizen zurückschlagen, die Washington als Stellvertretertruppen benutzt hat. Diese Krise der amerikanischen Politik wurde durch das Scheitern des von den USA unterstützten Putschs gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Ankaras zunehmende Annäherung an Moskau seither verstärkt.

Die russische Regierung stützt sich auf eine Schicht von kriminellen Oligarchen, die sich nach der Auflösung der Sowjetunion am Staatseigentum bereichert hat. Sie hat kein einheitliches Konzept, um auf die zunehmend schärfere Krise zu reagieren. Anhänger von von Wladimir Putin wollen eine Konfrontation vermeiden und sich um jeden Preis mit dem Westen arrangieren, doch ihre Appelle an die Vernunft fallen auf taube Ohren.

Andere propagieren großrussischen Chauvinismus und setzen auf militärische Stärke. Sie verweisen auf das große Atomwaffenarsenal aus Sowjetzeiten als Verteidigung gegen die Versuche des Westens, Russland militärisch einzukreisen und auf den Status einer Halbkolonie zu reduzieren. Das Putin-Regime hat weder eine klare, strategische Orientierung, noch kann es die Antikriegsstimmung der Weltbevölkerung mobilisieren. Daher stolpert es von einer Krise in die nächste und verschärft damit die Gefahr eines Krieges.

Die zutiefst gefährlichen Entwicklungen auf der Krim verdeutlichen die Bedeutung der Hetzkampagne gegen Putin. Im US-Wahlkampf behauptet die Demokratische Kandidatin im Stil der McCarthy-Ära, der faschistoide Republikanische Kandidat Donald Trump sei praktisch ein russischer Agent. Gleichzeitig findet im Rahmen der Olympischen Spiele in Rio eine heuchlerische Kampagne statt, um die russischen Sportler von der Teilnahme auszuschließen. Diese beiden Kampagnen sollen die öffentliche Meinung auf eine militärische Konfrontation mit Russland vorbereiten.

Dass sich die USA auf den Krieg gegen eine Atommacht vorbereiten, wird weder im Wahlkampf, noch im Kongress, noch in den Mainstreammedien diskutiert. Die Bevölkerung erhält keine Informationen darüber, wie viele Opfer ein Krieg zwischen der Ukraine und Russland fordern würde, und noch weniger über die katastrophalen Folgen, wenn dieser Krieg die USA und die Nato in einen atomaren Schlagabtausch mit Moskau ziehen würde.

Bisher hat das herrschende Establishment Amerikas immer versucht, neue Kriege erst nach Wahlen zu beginnen, damit die Frage des Militarismus nicht zum Thema einer nationalen Debatte wird. Doch angesichts der jüngsten Entwicklungen ist unklar, ob sich der Krieg, der jetzt vorbereitet wird, noch bis nach der Wahl im November aufschieben lassen wird.

Wenn der neuerliche Ausbruch von amerikanischem Militarismus aufgeschoben wird, dann nur kurzfristig. Die Krise des Weltkapitalismus und die unlösbaren Widersprüche des Nationalstaatensystems drohen, die Menschheit in einen weiteren Weltkrieg zu ziehen. Nur die Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse im Kampf gegen Krieg und für Sozialismus kann dies verhindern.

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