Spekulation auf Internationalen Anleihemärkten nimmt zu

Letzte Woche stieg der Gesamtwert der Staatsanleihen mit negativen Renditen auf über 13,4 Billionen Dollar. Gleichzeitig mehren sich die Bedenken, dass das Vorgehen der großen Zentralbanken, die durch verschiedene Formen von „quantitativer Lockerung“ Milliarden Dollar in das globale Finanzsystem pumpen, die Bedingungen für eine finanzielle Katastrophe schaffen.

Laut einem Gutachten von Tradeweb für die Financial Times ist der Gesamtwert der Unternehmens- und Staatsanleihen mit weniger als null Prozent Rendite im Lauf einer Woche um 300 Milliarden Dollar gestiegen. Der Grund, oder zumindest einer der Gründe für diese Verschärfung scheint die Entscheidung der Bank of England zu sein, in den nächsten sechs Monaten wieder Anleihen im Wert von 60 Milliarden Pfund aufzukaufen. Durch diese Maßnahme will sie nach dem Brexit-Referendum die Märkte ankurbeln.

Die Folge waren sinkende Renditen und steigende Preise für Anleihen - diese beiden Werte entwickeln sich im umgekehrten Verhältnis zueinander. Die Zinsen auf britische Staatsanleihen mit 30-jähriger Laufzeit liegen mittlerweile auf einem Tiefststand von 1,3 Prozent, vor drei Monaten lagen sie noch bei 2,3 Prozent.

Die britische Zentralbank konnte nicht genug Verkäufer für die Menge von Anleihen finden, die sie am letzten Dienstag kaufen wollte. Das könnte bedeuten, dass Investoren auf dem Anleihenmarkt und Spekulanten mit weiteren Aktivitäten der Zentralbank und noch weiter steigenden Preisen rechnen.

Der internationale Anleihenmarkt entwickelt sich zunehmend zu einer Spekulationsblase. Negative Renditen bedeuten, dass die Nachfrage für eine Anleihe so gut und der Kaufpreis so hoch ist, dass jeder Käufer Verlust machen würde, wenn er die Anleihe bis zum Einlösedatum behalten würde. Der Investor kauft die Anleihe in der Erwartung, dass ihr Preis noch weiter steigen und er noch mehr Gewinn machen wird, wenn er sie später verkauft.

Die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen ist so hoch, dass Deutschland mittlerweile Inhaberschuldverschreibungen im Gesamtwert von 160 Milliarden Euro hat. Diese Wertpapiere bringen keine Zinsen ein, sondern wurden mit der Erwartung gekauft, dass ihr Preis weiter ansteigen wird.

Der globale Anleihenmarkt galt früher als Garant für Stabilität für das globale Finanzsystem, mittlerweile ähnelt er eher einem Casino, in dem um Billionen Dollar gespielt wird. Einige Investoren haben bereits beträchtliche Profite angehäuft.

Durch den steigenden Preis der langfristigen britischen Staatsanleihen lag die Ertragsrate für Anleihen mit 30-jähriger Laufzeit in den letzten zwölf Monaten bei 31 Prozent. Der Preis für sogenannte „Gilts“ ist so stark angestiegen, dass sich die Renditen für die Anleihen mit der längsten Laufzeit (bis 2068) seit dem Tag des Brexit-Referendums fast halbiert haben, von zwei Prozent auf 1,06 Prozent. Der Preis für die Anleihe ist bisher in diesem Jahr um 53 Prozent gestiegen. Ein solcher Anstieg wird normalerweise bei hochspekulativen Aktien erwartet, nicht bei langfristigen Anleihen der britischen Regierung.

Mike Amey, der bei Pimco, einem der größten Anleihenhändler der Welt für britische Anleihenportfolios zuständig ist, bezeichnete das Tempo der Entwicklung als „atemberaubend.“

Gregory Peters, ein hoher Investmentvorstand bei Prudential Fixed Income, bezeichnete die Lage in der Financial Times als „surreal“. Er erklärte: „Es ist klar, dass die Zentralbanken die Märkte dominieren. Es findet ein Unterbietungswettkampf statt.“

Scheinbar hat sich der Handel auf den Anleihemärkten zu einer Manie entwickelt, bei der jeder möglichst hohe unmittelbare Profite erzielen will, ohne über die möglichen Folgen nachzudenken. Peters warnte: „Das wird zu sehr akzeptiert. Wir reden davon, als wäre es eine Kleinigkeit, aber das ist nicht angemessen. Es ist äußerst verzerrend. Und wenn wir erleben, dass sich die fiskalische Seite verstärkt, oder die Inflation steigt, wird es in diesem Universum negativer Renditen nicht mehr so gemütlich aussehen.“

Die Sorge ist, dass alle Schritte der Regierungen zur Ankurbelung ihrer Volkswirtschaften durch erhöhte Ausgaben, oder eine unerwartet hohe Inflation zu steigenden Renditen von Anleihen und sinkenden Preisen führen könnte. Spekulanten, die zu Spitzenzeiten des Marktes eingekauft und mit steigenden Preisen gerechnet haben, würden dadurch schwere Verluste erleiden.

Dabei geht es um riesige Summen. Anfang des Monats kam die Ratingagentur Fitch zu der Einschätzung, dass eine Rückkehr der Renditen zum Niveau von 2011 dem Markt Verluste von bis zu 3,8 Billionen Dollar einbringen könnte. Allerdings waren die Renditen auch 2011 aufgrund der quantitativen Lockerungsprogramme nach der Finanzkrise von 2008 bereits auf einem historisch tiefen Niveau.

Die offizielle Rechtfertigung für die Politik der quantitativen Lockerung war, dass niedrige Zinsen notwendig seien, um die Kosten für Darlehen zu senken und auf diese Weise Investitionen und Konsumausgaben anzukurbeln. Damit sollte ein vollständiges Abgleiten der Weltwirtschaft in die Depression verhindert werden. Doch die Realwirtschaft ist trotz acht Jahren finanzieller Anreize nicht gewachsen, die Investitionsraten liegen noch immer deutlich unter dem Vorkrisenniveau. In den USA zeigen beispielsweise die jüngsten Daten über das Bruttoinlandsprodukt, dass die Investitionen im zweiten Quartal um 9,7 Prozent gesunken sind.

Eric Lonergan, Macrofonds-Manager bei M&G Investments, schrieb am 12. August in einem Kommentar in der Financial Times, die Politik der Zentralbanken habe auf einer falschen Theorie basiert. Er erklärte, es gebe keine empirischen Beweise dafür, dass Konsumenten aufgrund niedriger Zinsen ihre Ausgaben erhöhen oder dass die Haushalte bei niedrigen Zinsen aus Sorge um die künftige Entwicklung der Wirtschaft mehr sparen. Auch die Unternehmensinvestitionen reagierten ähnlich verhalten auf niedrigere Zinsen.

Er schrieb: „Die Entscheidungen für Investitionen haben finanzielle Folgen, die sich über Jahre hinweg auswirken und sind eher vom Glauben an künftiges Wachstum und Einstellungen zum Risiko motiviert als von den Tagesgeldsätzen, die die Zentralbanken festgelegt haben.“

„In den letzten Jahren haben Unternehmen auf die niedrigen Darlehenskosten reagiert, indem sie nur wenig riskante Finanzmaßnahmen durchgeführt haben, wie Aktienrückkäufe. Produktive Risiken sind sie hingegen kaum eingegangen.“

Lonergan sagte es zwar nicht offen, aber seine Äußerungen deuten auf die tiefere Ursache hin, warum die Investitionen sinken, obwohl die Darlehenskosten gesunken sind: die allgemeine Tendenz des Sinkens der Profitraten. Dieser Rückgang zeigte sich bereits vor der Krise von 2008 und hat sich seither verstärkt.

In den USA, wo die Aktienkurse aufgrund niedriger Zinssätze Rekordstände erreichen, verschlechtert sich die Profitabilität. Die im Aktienindex S&P 500 aufgeführten Firmen berichten über einen Rückgang der allgemeinen Profite seit vier Quartalen in Folge.

Das einzige größere Feld, auf dem die sinkenden Zinssätze nennenswerte Auswirkungen auf die Realwirtschaft hatten, ist der Immobilienmarkt. Hier haben die extrem niedrigen Zinssätze zur Entstehung von Immobilienblasen in mehreren führenden Volkswirtschaften geführt, durch die ein neuer Zusammenbruch des Hypothekenmarktes droht, wie es beim Platzen der Subprime-Blase vor acht Jahren geschehen ist.

Doch die großen Zentralbanken der Welt befinden sich in einer Falle, die von grundlegenden Trends im globalen kapitalistischen System und ihrer eigenen Politik geschaffen wurde. Die amerikanische Fed würde gerne zu normaleren Zinssätzen zurückkehren; der Gouverneur der britischen Bank of England Mark Carney erklärte, er sei „kein Fan von negativen Zinsen“, obwohl er selbst die britischen Zinsen gesenkt hat.

Die Politik der quantitativen Lockerung hat zu Spekulationen in einem solchen Ausmaß geführt, dass jede ansatzweise Rückkehr zur Normalität eine noch schwerere Finanzkrise als die von 2008 auslösen könnte.

Letzte Woche veröffentlichte das Schweizer Finanzunternehmen UBS eine Studie, in der mehrere Faktoren genannt wurden, die einen großen Verkauf von amerikanischen Staatsanleihen auslösen könnten. Einer davon war eine erhöhte Wachstums- und Inflationserwartung. Aber die Rückkehr zu diesen Bedingungen ist angeblich das Ziel der offiziellen Politik.

Die Financial Times schrieb letzten Monat in einem Kommentar, jeder Politikwechsel weg vom Sparkurs, der das Leben von Arbeitern auf der ganzen Welt zerstört, würde unter den am besten funktionierenden Sektoren der globalen Märkte eine „Panik“ auslösen. Sie würden nach Möglichkeiten für einen Ausstieg suchen, während Investoren ihre Anteile abstoßen würden.

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