Streikbewegung in deutschen Kliniken

In mehreren deutschen Kliniken ist es in den letzten Monaten zu Streiks und Protesten gekommen. Den Gewerkschaften gelingt es nur noch mit Mühe, die berechtigte Wut über schwierige Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung zu unterdrücken.

Die 1.600 Beschäftigten der AMEOS-Kliniken in Osnabrück und Hildesheim waren zuletzt zwölf Wochen im Streik. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte auf Druck der Belegschaft den bestehenden Tarifvertrag gekündigt und das Unternehmen zu Verhandlungen über eine Erhöhung der Entgelte und über Regelungen zum Kündigungsschutz aufgefordert. Dabei kam es jedoch zu keiner Einigung.

„Einer der längsten Arbeitskämpfe im Klinikbereich in Niedersachsen“ (Osnabrücker Zeitung) sorgte für Aufsehen. An einer Kundgebung in Osnabrück beteiligten sich neben führenden Vertreten der IG Metall und der NGG (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten) unter anderem auch der VW-Betriebsrat, Vertreter anderer Betriebsräte von Unternehmen in der Umgebung sowie die Ratspolitiker Frank Henning (SPD) und Gisela Brandes-Steggewentz (Die Linke). Offensichtlich bestand die Befürchtung, der Streik könnte angesichts des niedrigen Organisationsgrades unter dem Klinikpersonal außer Kontrolle von ver.di geraten.

Den AMEOS-Kliniken, deren Hauptsitz in der Schweiz ist, wird immer wieder vorgeworfen, im großen Stil Leiharbeiter einzusetzen und einen großen Teil der Beschäftigten in ausgegliederte Tochtergesellschaften zu versetzen. Das Unternehmen beschäftigt rund 12.000 Mitarbeiter in fast 50 Einrichtungen im deutschsprachigen Raum. AMEOS ist mehrheitlich im Besitz der Investoren Carlyle und Quadriga.

Ver.di gelang es, den Streik der Beschäftigten auf die Kliniken in Osnabrück und Hildesheim zu beschränken. Trotz der rabiaten Haltung des Managements arbeitete die Gewerkschaft eng mit diesem zusammen. Die Streikaktionen dauerten jeweils nur kurze Zeit. In der vergangenen Woche verkündete ver.di dann, die Beschäftigten hätten einer Einigung für die nächsten drei Jahre zugestimmt.

Sie legt fest, dass die Gehälter in den kommenden drei Jahren um 6,75 Prozent steigen und der Kündigungsschutz bis April 2019 verlängert wird. 50 Leiharbeiter sollen darüber hinaus vom Unternehmen übernommen werden. AMEOS-Regionalsprecher Gerald Baehnisch erklärte deshalb auch: „Wir können mit dem Verhandlungsergebnis gut leben.“

Vor allem in den Kliniken in der Bundeshauptstadt rumort es. Seit einigen Monaten kommt es am Median-Klinikum Kladow zu Ausständen und Protesten, zuletzt Anfang August. Die rund 340 Beschäftigten fordern einen einheitlichen Tarifvertrag mit mehr Gehalt und einem Ende der teilweise gravierenden Lohnunterschiede.

Das Unternehmen, das seit 2014 mehrheitlich im Besitz des Finanzinvestors Waterland ist, betreibt derzeit 78 Akutkrankenhäuser und Reha-Einrichtungen an 48 Standorten im Bundesgebiet. Es befindet sich nach eigener Aussage weiterhin auf Expansionskurs. Künftig soll die Allgemeine Hospitalgesellschaft AG (AHG) aufgenommen werden. Damit würden weitere 45 Häuser sowie etwa 2.500 Beschäftigte zu den bereits 13.000 hinzukommen.

Nach Innen ist das Unternehmen bestrebt, die Löhne so niedrig wie möglich zu halten. In individuellen Vereinbarungen mit den Beschäftigten sollen Berufsgruppen wie Pflegefachkräfte oder gut ausgebildete Funktionsdienste besser bezahlt werden, Hilfs- oder Reinigungskräfte dagegen äußerst schlecht.

Ver.di ist mit den Praktiken von Median bestens vertraut. „Innerhalb von nur einem Jahr hat Median den Grad der Tarifbindung im Unternehmen von etwa 70 Prozent auf sieben Prozent reduziert“, erklärte ver. di-Sekretär Michael Dehmlow der JungenWelt. Trotzdem arbeitet ver.di eng mit der Unternehmensleitung zusammen und ist bestrebt, den Protest auf einzelne Standorte zu beschränken, anstatt sie zu bündeln.

Im Konflikt bei den Helios-Kliniken, einem weiteren großen Krankenhausbetreiber, unterdrückte ver.di jüngst einen bereits angekündigten dreitägigen Streik an den Standorten Bad Kissingen und Hammelburg. Eigentlich war ein dreitägiger Streik der 550 Beschäftigten geplant. Doch am Montagabend kam die Mitteilung, Helios habe ein besseres Angebot vorgelegt, das die Tarifkommission akzeptiert habe.

Wesentliches Ergebnis: Die Beschäftigten des nichtärztlichen Dienstes erhalten verteilt auf drei Jahre habe 7 Prozent mehr: 2,5 Prozent rückwirkend zum 1. März sowie jeweils 2,25 Prozent zum 1. Februar und 1. August 2017.

Beim Berliner Klinikbetreiber Vivantes treibt ver.di seit längerem ein ähnlich übles Spiel. In diesem Jahr rief die Gewerkschaft bereits mehrmals zu kurzen Protesten und Warnstreiks auf, um Dampf abzulassen. Dabei achtete die Gewerkschaftsführung sorgsam darauf, dass die einzelnen Standorte nicht gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne kämpfen.

Selbst die Spaltung der Belegschaft nach Berufsgruppen hat ver.di zementiert. So rief die Gewerkschaft Angestellte der Vivantes-Tochtergesellschaft VSG im Juni zu einem Warnstreik auf. Für mehr als 250 Mitarbeiter der VSG gilt laut ver.di kein Tarifvertrag; sie verdienen deutlich weniger als Angestellte mit Verträgen mit Tarifbindung. Betroffen sind Mitarbeiter in der Sterilgut-Aufbereitung, des Patientenbegleitservices, des Facility Managements, der Bauabteilung, der Wäscheversorgung und des Bereichs Einkauf und Logistik.

Nach zwei Wochen und ein paar kurzen, harmlosen Kundgebungen erklärte ver.di, es gebe „kein Zeichen des Entgegenkommens“ von Seiten des Managements, und beendete den Streik.

Dabei hatte der landeseigene Klinikkonzern das Geschäftsjahr 2015 gut abgeschlossen und erneut schwarze Zahlen geschrieben. Laut Berliner Morgenpost konnte der Gewinn „im Vergleich zu den beiden Vorjahren sogar noch gesteigert werden: von 7,9 auf 8,5 Millionen Euro. Hinzu kamen weitere 16,9 Millionen Euro, die aber ein einmaliger Sondereffekt sind.“ Auch der Umsatz wurde gesteigert, von 1,03 auf 1,09 Milliarden Euro.

Bei der Unterdrückung der Streiks arbeitete ver.di eng mit der Linkspartei zusammen. Vom 11. bis zum 15. Juli waren Vertreter der Linkspartei vor Krankenhäusern des Berliner Vivantes-Konzerns. Sie besuchten nach eigenen Angaben die Häuser in Reinickendorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln. Angeblich wollte die Partei damit „über ihre Vorschläge für eine solidarische Gesundheitsversicherung und für höhere Qualität in der Pflege informieren“.

Tatsächlich bereitet die Linke einen ähnlichen Betrug der Beschäftigen vor, wie an der Charité. An Europas größter Universitätsklinik mit rund 14.000 Beschäftigten hatte ver.di mit Hilfe pseudolinker Gruppen, wie der Sozialistischen Alternative Voran (SAV), die innerhalb der Linkspartei agiert, einen Tarifvertrag festgeschrieben, der die miserablen Arbeitsbedingungen zementiert. Vor allem die SAV feiert den Tarifvertrag als Erfolg und hat offen erklärt, ihn auch bei Vivantes und anderen Klinikunternehmen einführen zu wollen.

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