US-Aufklärungsflugzeug über Schwarzem Meer abgefangen

Spannungen zwischen Washington und Moskau nehmen zu

Moskau und Washington ergingen sich am Donnerstag in gegenseitigen Vorwürfen über einen Zwischenfall mit einem US-Aufklärungsflugzeug und einem russischen SU27 Kampfflugzeug über dem Schwarzen Meer. Dieser Zwischenfall belegt einmal mehr, wie gefährlich nahe ein militärischer Zusammenstoß zwischen den beiden Atommächten ist.

Zwei Sprecher des US-Verteidigungsministeriums verurteilten Russland, weil es ein „unsicheres und unprofessionelles Manöver“ durchgeführt habe, als es bis auf dreißig Meter an zwei amerikanische Aufklärungsflugzeuge herangeflogen sei, die sich auf Kontrollflügen über dem Schwarzen Meer befanden. Ein Pentagon-Sprecher sagte gegenüber dem russischen Fernsehsender RT, dass sich eine P-8A Poseidon auf einer Routineoperation in internationalem Luftraum“ befunden habe, als sich ihr um ca. 11.20 Uhr zwei Kampfjets genähert hätten.

Das russische Verteidigungsministerium hielt dagegen, zwei US-Flugzeuge hätten sich der russischen Grenze genähert, nachdem sie ihr Transpondersignal abgeschaltet hätten, das zur Lokalisierung eines Flugzeugs dient. Die russischen Flugzeuge hätten sich „strikt entsprechend internationaler Flugregeln verhalten“, hieß es in der Stellungnahme von Generalmajor Igor Konaschenkow weiter.

Unabhängig von der genauen Ursache des Zwischenfalls liegt die Hauptverantwortung für die Verschärfung der Spannungen in der Schwarzmeerregion und in ganz Osteuropa beim US-Imperialismus und seinen Nato-Verbündeten. Seit der Unterstützung des rechten Putschs in Kiew im Februar 2014, durch den der pro-russische Präsident der Ukraine, Wiktor Janukowitsch, gestürzt wurde, hat Washington systematisch daran gearbeitet, Russland wirtschaftlich und militärisch zu isolieren und einzukreisen.

Angesichts der Tatsache, dass Russland gerade ein größeres Manöver mit der Bezeichnung „Caucasus 2016“ begonnen hatte, war es höchst provokativ, dass amerikanische Aufklärungsflugzeuge in der Region auftauchten. Der russische Präsident Wladimir Putin reagiert auf die Aggression von Seiten des US-Imperialismus mit verschärftem Nationalismus und Militarismus. Das russische Manöver dauert vom 5. bis zum 10. September. Es nehmen 12.500 Soldaten aus allen Waffengattungen daran teil. Auch die auf der Krim stationierte Schwarzmeerflotte ist involviert.

Dieser Umfang verblasst im Vergleich zu den größten Manövern in der Geschichte der Nato, die in diesem Sommer stattfanden. Diese Manöver, an denen 30.000 Soldaten teilnahmen, richteten sich ausdrücklich gegen Russland.

US-Politiker verschärfen fast täglich die Spannungen mit Russland. Verteidigungsminister Ashton Carter attackierte Russland am Mittwoch in einer scharfen Rede an der Universität Oxford und prangerte Moskau als den am meisten destabilisierenden Faktor der Weltpolitik an. „Trotz des Fortschritts, den wir in der Zeit nach dem Kalten Krieg gemacht haben, hat Russlands Verhalten in den letzten Jahren gezeigt, dass es offensichtlich vorhat, die internationale Ordnung grundsätzlich in Frage zu stellen. Das wird durch seine Verletzung der ukrainischen und georgischen Souveränität belegt, wie durch sein unprofessionelles Verhalten in der Luft, im Weltraum und im Cyberspace und durch sein atomares Säbelrasseln“, erklärte er.

Solche plumpen Lügen, die von willfährigen Medien ständig wiederholt werden, stellen die Wirklichkeit auf den Kopf. Seit der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie 1991 ist Washington die Hauptursache für die globale Instabilität, weil es mit militärischen Mitteln seinen wirtschaftlichen Niedergang wett zu machen versucht und seine unangefochtene Stellung als Hegemon der Welt verteidigt.

Mehrere amerikanische Regierungen haben systematisch daran gearbeitet, ihre Einflusssphäre auf Kosten Russlands auszudehnen. Sie haben die Grenzen der Nato um mehr als 1.300 Kilometer nach Osten verschoben und ehemalige Staaten des Warschauer Pakts sowie sogar ehemalige Sowjetrepubliken in die von den USA beherrschte Allianz eingebunden.

Nach dem Putsch in Kiew erhöhte Washington den Einsatz weiter, als Präsident Obama verkündete, dass die USA die baltischen Republiken für immer gegen „russische Aggressionen“ verteidigen würden. Diese Verpflichtung bekräftigte er Anfang dieses Jahres noch einmal. Die USA haben sich also verpflichtet, für höchst anti-russische Regimes in den Krieg zu ziehen und haben dazu Truppen kaum mehr als fünf Flugminuten von St. Petersburg entfernt stationiert.

Indirekt äußerte sich Carter auch zu den unbestätigten Vorwürfen, dass Russland hinter dem Hacken von E-Mails des Demokratischen Nationalkomitees (DNC) stecke. Er warnte mit drohendem Unterton, die USA würden Angriffe auf „unsere demokratischen Strukturen“ nicht unbeantwortet lassen. Diese Vorwürfe nutzten die Demokraten und die Medien, um den Republikaner Donald Trump von rechts anzugreifen. Ihr Vorwurf lautet, er stehe Russland zu nahe. Außerdem bereiten sie eine massive Eskalation der militärischen Gewalt nach der Wahl vor.

Washington und seine Nato-Verbündeten setzen bereits Pläne um, ihre Truppen an den russischen Grenzen noch weiter aufzustocken. Zukünftige Konfrontationen zwischen Flugzeugen oder Bodentruppen sind so nicht nur sehr wahrscheinlich, sondern geradezu unvermeidlich.

Nur einen Tag vor dem Zwischenfall über dem Schwarzen Meer gab Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekannt, die Nato werde ihre Präsenz im Schwarzen Meer weiter hochfahren. Nach einem Treffen der Nato-Georgien-Kommission in der georgischen Hauptstadt Tiflis führte Stoltenberg eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem georgischen Ministerpräsidenten Giorgi Kwirikaschwili durch, in der er Russland in drei Gebieten der Aggression beschuldigte: im Baltikum, im östlichen Mittelmeer und dem Schwarzen Meer. „Wir sehen eine gesteigerte russische Präsenz im Schwarzen Meer. Außerdem sehen wir eine beträchtliche militärische Stärkung Russlands auf der Krim“, erklärte Stoltenberg.

Stoltenberg sagte, dass militärische Planer dabei seien, Vorschläge für eine größere militärische Präsenz in der Region auszuarbeiten. Auch wenn Georgien und die Ukraine keine Nato-Mitglieder sind, machte Stoltenberg doch klar, dass ihr Status als Nato-„Partner“ bedeute, dass sie voll integriert seien. „Für die Nato und die Nato-Verbündeten ist es wichtig, in engem Kontakt mit Partnerländern wie der Ukraine und Georgien zu stehen, die keine Nato-Mitglieder, aber Nato-Partner sind. Wir müssen mit ihnen einen Dialog über die größere Präsenz im Schwarzen Meer führen“, erklärte er. Das provoziert Russland erneut, das entschieden gegen eine Integration Kiews und Tiflis’ in das US-Bündnis ist.

Auf dem Warschauer Gipfel wurde über die Stärkung der Nato-Präsenz im Schwarzen Meer gesprochen, wo Russlands Flotte seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion stationiert ist. Die Nato-Mitglieder Rumänien, Bulgarien und die Türkei drängten auf eine permanente Nato-Präsenz dort, was allerdings laut dem Vertrag von Montreux eine Verletzung internationalen Rechts wäre. Diese Übereinkunft verpflichtet nämlich alle Länder, die keine Anrainer des Schwarzmeers sind, Kriegsschiffe nicht länger als 21 Tage dort zu belassen.

Die Eskalation der Spannungen im Schwarzen Meer von Seiten der Nato erfolgt nur zwei Monate, nachdem das Militärbündnis die Stationierung von 4.000 Soldaten in den baltischen Republiken und Polen bekannt gegeben hatte. Diese werden von einer Schnellen Eingreiftruppe von ca. 40.000 Mann unterstützt, die innerhalb von Tagen die Region erreichen kann. In Rumänien und Polen sollen zudem Raketenabwehrsysteme installiert werden.

Wenn der nächste Konflikt zwischen Washington und Moskau nicht in Europa stattfindet, dann wird es höchst wahrscheinlich in Syrien sein. Die Gespräche zwischen Obama und Putin am Rande des G20-Gipfels Anfang der Woche brachen zusammen, ohne dass eine Übereinkunft zu militärischer Kooperation gegen den IS oder andere islamistisch extremistische Gruppen erreicht worden wäre. Viele dieser Gruppen sind von den USA für den Kampf zum Sturz der Regierung von Baschar al Assad finanziert worden. US-Vertreter nennen als Grund für das Scheitern, dass es keinen Fortschritt bei der Erreichung von Washingtons „langfristigen Zielen“ gegeben habe. Mit anderen Worten hat Moskau sich nicht der Bildung eines pro-westlichen Marionettenregimes gebeugt.

Nach seiner Rede an der Universität Oxford verurteilte Carter gegenüber der BBC erneut die Aggression Russlands und kündigte an, dass er militärische Kooperationen mit dem Kreml in Syrien nicht unterstützen werde, wenn dieser nicht aufhöre, US-Interessen anzugreifen.

Die Unterstützung der USA für das Eindringen der Türkei nach Nordsyrien hat dazu geführt, dass mehr Nato-Bodentruppen und mehr Flugzeuge in Syrien unterwegs sind. Russland unterstützt indessen seinen wichtigsten Nahost-Verbündeten. Insbesondere die Forderung der Türkei nach der Schaffung einer „Sicherheitszone“ bietet einen Vorwand für eine imperialistische Intervention. Auch ein von der Nato unterstützter direkter Bodenangriff gegen IS-Hochburgen birgt jeden Tag das Risiko für einen direkten Zusammenstoß zwischen der Nato und den russischen Streitkräften.

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