Perspektive

UN-Generalversammlung inmitten weltweiter Militäreskalation

Die 71. Generalversammlung der Vereinten Nationen tritt diese Woche im Schatten globaler Krisen zusammen, die die Menschheit in einen neuen Weltkrieg zu werfen drohen.

Vor diesem Hintergrund hielt US-Präsident Barack Obama am Dienstag seine letzte Ansprache an die Versammlung. Obamas weitschweifige Rede, bei der er sich offenbar zuweilen vom Manuskript löste, war in sich widersprüchlich und strotzte vor absurden Lügen. Seine Beschreibung der aktuellen geopolitischen Weltlage stellte die Dinge auf den Kopf.

Er erklärte, ohne mit der Wimper zu zucken: „Angesichts unserer erfolgreichen internationalen Ordnung betrachten wir es als selbstverständlich, dass Großmächte keine Weltkriege mehr führen, dass das Ende des Kalten Kriegs den Schatten der atomaren Vernichtung beseitigt hat und dass die Schlachtfelder Europas durch eine friedfertige Union ersetzt worden sind.“

In Abwandlung eines Shakespeare-Zitats: Einige Leute werden als Lügner geboren, andere arbeiten sich zu Lügnern empor, anderen wird die Lüge aufgezwungen. Alle drei Spielarten treffen auf den gegenwärtigen Präsidenten der Vereinigten Staaten zu.

Obamas Verkündung, dass der „Schatten atomarer Vernichtung“ gewichen sei, wird von seinem eigenen Atomwaffenmodernisierungsprogramm in Höhe von einer Billion Dollar widerlegt. So stellt auch der Verband Union of Concerned Scientists in einer Erklärung fest, dass „nur ein paar falsche Entscheidungen“ die USA und China „vom Ausbruch eines Kriegs trennen, der sich schnell ausweiten und in einem atomaren Schlagabtausch enden kann.“

Der Präsident vergaß auch zu erwähnen, dass die „friedfertige Union“, die „die Schlachtfelder Europas“ ersetzt, sich in Auflösung befindet und von nationalen Gegensätzen zerrissen ist. Obama sprach auf der ersten UN-Generalversammlung nach der Entscheidung Großbritanniens im Juni 2016, die Europäische Union zu verlassen. Nach dem Brexit werden auch in anderen Ländern die Rufe nach einem Referendum und Austritt lauter. Es besteht die Gefahr, dass die gesamte Eurozone auseinander bricht.

Was die „Schlachtfelder Europas“ betrifft: Die Nato treibt gerade die Stationierung von 4.000 Soldaten an der russischen Grenze voran. Hochrangige Nato-Offiziere gaben am Wochenende bekannt, dass die volle Truppenstärke im Mai nächsten Jahres erreicht ist. Hinter den Kulissen, in den Dokumenten militärischer Thinktanks werden solche Grenztruppen als „Stolperfallen“ bezeichnet, die die Begründung für eine militärische Eskalation durch die Nato liefern können, falls sich ein Konflikt zwischen den baltischen Staaten und Russland entwickeln sollte. Hierdurch erhöht sich deutlich die Gefahr einer direkten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den beiden größten Atommächten.

Ein beträchtlicher Teil von Obamas Bemerkungen bestand aus Spitzen gegen Russland. Er sagte, die russische Gesellschaft „verlangt vom einfachen Bürger mehr als vom Oligarchen“ und versuche, „alte Größe durch Gewalt zurückzugewinnen.“ Aber solche Vorwürfe kann man mit größerer Berechtigung gegen die USA richten, dem ungleichsten Land unter den Industrienationen. Die herrschende Klasse Amerikas führt ununterbrochen Krieg, um ihren langfristigen wirtschaftlichen Niedergang zu kompensieren.

Obama gestaltete die Rede als Rückblick auf seine achtjährige Amtszeit und die 25 Jahre, die seit der Auflösung der Sowjetunion vergangen sind. „Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Krieges ist die Welt in vielerlei Hinsicht weniger gewalttätig und wohlhabender als vorher“, erklärte Obama und fügte hinzu, dass die USA in dieser Zeit „eine Kraft für das Gute“ waren.

Im vergangenen Vierteljahrhundert wurde allerdings keines der triumphalen Versprechen erfüllt, die mit dem „Sieg des Kapitalismus“ einher gingen. Der Fall der Sowjetunion mündete nicht in eine Ära von Frieden und Demokratie. Und die USA waren in dieser Periode keineswegs „die Kraft für das Gute“ sondern die größte Ursache von Destabilisierung, Gewalt und Unordnung.

Beginnend mit dem Ersten Golfkrieg 1991 haben die USA unentwegt Krieg geführt. Die Vereinigten Staaten haben seitdem den Irak, Somalia, Bosnien, Jugoslawien, Serbien, Afghanistan, Irak, Pakistan, Libyen, Jemen und Syrien bombardiert oder überfallen und zahllose andere Länder destabilisiert.

Diese Kriege wachsen sich nun zu einem direkten Konflikt mit Russland und China aus. Parallel dazu rüsten die imperialistischen Großmächte auf, darunter Japan und Deutschland. Die herrschende Klasse bereitet sich überall in aller Welt auf militärische Konflikte vor.

Die Generalversammlung trat nach der Bombardierung eines syrischen Armeestützpunkts durch das amerikanische Militär am Samstagnachmittag zusammen. Es handelte sich um eine grobe Verletzung des Waffenstillstands, der zwischen den USA und ihren Stellvertretertruppen auf der einen Seite und der von Russland unterstützten syrischen Regierung auf der anderen ausgehandelt worden war. Der Angriff forderte mehr als neunzig Tote. Er wurde mit der Unterstützung von britischen, australischen und deutschen Kräften ausgeführt und zieht diese Länder womöglich in einen militärischen Konflikt mit Russland hinein.

Der türkische Präsident Erdogan, der mit Washington im Syrienkonflikt verbündet ist, sagte am Montag, die Türkei wolle größere syrische Gebiete unter direkte türkische Kontrolle stellen, insgesamt mehr als 5.000 Quadratkilometer. Amerikanische Bodentruppen kämpfen an der Seite von Aufständischen, die mit der Türkei verbündet sind. Dadurch existiert die Gefahr eines Zusammenstoßes von russischen Kräften, die im Norden Syriens operieren, mit US-Bodentruppen, die an der Seite der Türkei kämpfen.

Aber der Krieg in Syrien ist nur einer von zahllosen globalen Konfliktherden in ganz Europa und Asien. Letzte Woche gab Japan bekannt, man werde gemeinsam mit den USA Patrouillen in den umstrittenen Gewässern des Südchinesischen Meeres durchführen. Dies trifft auf heftigen chinesischen Protest – auch vor dem Hintergrund, dass China vor dem Zweiten Weltkrieg von Japan erobert und besetzt worden war.

In Kaschmir wurden derweil in den letzten Tagen elf Menschen getötet, nachdem bei einem Anschlag am Sonntag achtzehn indischen Soldaten ihr Leben verloren hatten. Das waren die heftigsten Auseinandersetzungen seit Jahren in der Region. Sollte sich der Konflikt, der durch den amerikanischen „Pivot to Asia“ angeheizt wird, in einen Krieg zwischen Indien und Pakistan ausarten, dann wäre das der erste Krieg zwischen zwei Atommächten.

Es handelt sich in jedem einzelnen Fall um komplexe Konflikte, bei denen eine Vielzahl von Ländern Stellvertreterkämpfe führen, um ihren Interessen in der Region Nachdruck zu verleihen. Jeder von ihnen kann jedoch letztlich eine unkontrollierbare Eskalation auslösen, ganz wie der Konflikt auf dem Balkan im Vorfeld des Ersten Weltkriegs 1914.

Obama wollte in seiner Rede zeigen, welchen „Fortschritt wir in den letzten acht Jahren gemacht haben“. Aber am Ende zeigte er lediglich, dass die Welt während seiner Amtszeit einem globalen Krieg deutlich näher gekommen ist.

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