Perspektive

Die Bombenanschläge von New York: Futter für den „Krieg gegen den Terror“

Ahmad Khan Rahami, der mutmaßlich vergangenen Wochenende in New York City und New Jersey Bombenanschläge geplant und verübt hat, wurde am Dienstag des neunfachen Mordversuchs und der Verwendung von Massenvernichtungswaffen angeklagt.

Je mehr Details bekannt werden, umso stärker wird in diesen Bombenanschläge ein beunruhigendes, wiederkehrendes Musters sichtbar, das spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York City und Washington bekannt ist. Bei praktisch jedem Terrorakt auf amerikanischem Boden war der Täter dem FBI oder einer anderen Polizeibehörde oder dem Geheimdienst vorher bekannt.

Andererseits ist es bei „vereitelten Terrorverschwörungen“ in aller Regel so, dass die Beschuldigten Sündenböcke sind, die von verdeckten Ermittlern hereinlegt wurden. Häufig haben Ermittler und V-Männer auch die Waffen, das Geld und die Anschlagsziele geliefert, und die ertappten Täter wären ohne polizeiliche oder geheimdienstliche Unterstützung nicht auf die Idee gekommen, eine solche Tat zu planen oder zu begehen.

Rahami, ein eingebürgerter Amerikaner, der im Alter von sieben Jahren mit seiner Familie aus Afghanistan eingewandert war, soll Rohrbomben und aus Druckkochtöpfen hergestellte Bomben gelegt haben. Eine von diesen verletzte in Manhattan 31 Menschen. Er wurde nach einer Schießerei mit Polizisten festgenommen, bei der er selbst und zwei Polizisten verletzt wurden.

Unmittelbar nach den Bombenanschlägen erklärten die Behörden, es gebe keine Verbindung zwischen den Anschlägen und dem „internationalen Terrorismus“. Inzwischen entsteht allerdings der Eindruck, als ob dies bewusst von Beamten in die Welt gesetzt wurde, die sich sehr wohl über solche Verbindungen im Klaren waren, aber Angst vor der Enthüllung hatten, dass sie diese Verbindungen in der Vergangenheit ignorierten.

Die New York Times berichtete am Donnerstag, Rahamis Vater Mohammed habe dem FBI schon 2014 eine detaillierte Warnung zukommen lassen, dass sein Sohn eine Bedrohung sei und sich al-Qaida und anderen Terrorgruppen zuwende. Die Bundespolizei sprach mit Mohammed Rahami, als sie einen Familienstreit untersuchte, bei dem sein Sohn auf ein Kleinkind eingestochen hatte.

„Ich sagte dem FBI, dass sie ihn im Auge behalten sollen“, sagte er der Times. „Sie sagten: 'Ist er ein Terrorist?' Und ich sagte: 'Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht hundertprozentig sagen, ob er ein Terrorist ist. Ich kann Ihnen nicht sagen, in welcher Gruppe er ist. Ich weiß es nicht.'“

Mohammed Rahami berichtete noch, dass das FBI seine Warnung nicht zum Anlass nahm, seinen Sohn zu befragen.

Dies war nicht der einzige Kontakt zwischen Rahami und den Bundesbehörden. Nur fünf Monate, bevor sein Vater mit dem FBI sprach, war Rahami von einem einjährigen Besuch aus Pakistan zurückgekehrt. Er hatte in der Zeit Quetta besucht, die Hauptstadt der pakistanischen Provinz Belutschistan. In der Stadt haben mehrere islamistische Gruppen ihr Hauptquartier. Aufgrund dieser Reise ordnete die Zollbehörde eine gründliche Überprüfung an. Die Beamten war zumindest so besorgt war, dass sie das National Targeting Center informierten, eine Abteilung des Heimatschutzministeriums, deren Aufgabe es ist, potentielle Terrorbedrohungen einzuschätzen. Daraus wiederum ergaben sich Hinweise an das FBI und andere Behörden.

Weiter wurde seit den Bombenanschlägen bekannt, dass die Sicherheitskräfte von einer weiteren Reise Rahamis in die Türkei wussten. Rahami soll in Ankara in der Türkei versucht haben, dem Islamischen Staat (IS) oder einer der mit al-Qaida verbundenen Milizen beizutreten, die in Syrien mit Unterstützung der USA Krieg führen, um einen Regimewechsel herbeizuführen.

Schlussendlich waren die Sicherheitsbehörden auch darüber informiert, dass Rahami im Juli eine Glock 9mm Pistole gekauft hatte. Mit dieser Pistole hat er in Linden, New Jersey zwei Polizisten angeschossen, die ihn festzunehmen versuchten.

Es ist der gleiche Spruch zu hören, der seit dem 11. September allzu bekannt ist: Es sei nicht gelungen, „die Informationen zusammenzuführen“.

In einigen Fällen stechen die Ähnlichkeiten zu vorherigen Zwischenfällen geradezu hervor. Wie im Fall Rahamis wurde auch der Vater des nigerianischen Studenten Umar Farouk Abdulmutallab ignoriert, der an Heiligabend 2009 versuchte, ein Flugzeug von Northwest Airlines mit einer in seiner Unterwäsche verborgenen Bombe zum Absturz zu bringen. Auch dieser Vater wies die US-Behörden auf die terroristischen Verbindungen seines Sohnes hin.

Dann gibt es auch eine Parallele zum Boston Marathon Attentat 2013. Der Haupttäter Tamerlan Tsarnaev war den US-Behörden schon seit 2011 bekannt. Der russische Geheimdienst hatte ihn gegenüber den amerikanischen Sicherheitskräfte als radikalen Islamisten bezeichnet, der mit bewaffneten Gruppen im Nordkaukasus Kontakt aufzunehmen versuche. Er wurde daraufhin vom FBI verhört und durfte anschließend in den Kaukasus weiterreisen und zurückzukehren, ohne dass weitere Fragen gestellt wurden.

Der amerikanische Staat unterhält einen gigantischen Geheimdienstapparats und ist führend in der Massenüberwachung. Angesichts dieser Situation verbieten sich harmlose Erklärungsversuche für dieses Versagen, „Informationen zusammenzuführen“.

Einerseits wird entschieden, die Reisetätigkeit von Terrorverdächtigen nicht zu unterbinden, weil die US-Regierung solche Elemente als Instrumente ihrer Außenpolitik nutzt. Das tut sie spätestens seit den späten 1980ern, als Rahamis Vater mit den afghanischen Mudschaheddin gegen die sowjetfreundliche Regierung in Afghanistan kämpfte. Ausländische Islamisten bilden das Rückgrat der Stellvertreterkräfte, die in Syrien für einen Regimewechsel kämpfen, ganz wie vorher schon in Libyen. US-Geheimdienste pflegen schon seit langer Zeit Beziehungen zu ähnlichen Kräften in Russland und China.

Identifizierten potentiellen Terroristen freie Hand zu geben und die Dinge laufen zu lassen, dient andererseits einer bestimmten politischen Agenda, weil sie den „globalen Krieg gegen den Terror“ unterfüttert. Dieser „Krieg“ bietet den Vorwand für unentwegte Bombardements und Invasionen und unterstützt damit die strategischen Interessen des US-Imperialismus wie auch die zunehmende Unterdrückung in den USA selbst.

Terroranschläge werden von den Medien endlos aufgebauscht, um die weit verbreitete Ablehnung des Kriegs in der Bevölkerung zu unterlaufen.

Schließlich können solche Taten auch von Fraktionen innerhalb des Staatsapparats benutzt werden, um bestimmte Ziele in den eigenen Reihen durchzusetzen. Die Bombenanschläge von New York und New Jersey fielen zusammen mit deutlichen Spannungen in der Obama-Regierung. Teile der Militärführung äußerten sich zum inzwischen gescheiterten Waffenstillstand in Syrien in einer Weise, die schon an Befehlsverweigerung grenzte.

Es ist zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich zu sagen, in welchem Zusammenhang die Bombenanschläge mit der schmutzigen Welt der US-Geheimdienste und islamistischen Terrorgruppen stehen.

Auch die genauen Motive Rahamis sind noch unbekannt. Aus Notizen, die bei seiner Verhaftung entdeckt wurden, ergibt sich seine Bewunderung für Osama bin Laden, verschiedene IS-Führer und Anwar al-Awlaki, den in den USA geborenen Kleriker mit Verbindungen zu al-Qaida, der von einer amerikanischen Drohne getötet wurde.

Rahamis Taten mögen das Ergebnis psychischer Probleme sein, vielleicht verbanden sich psychische Faktoren mit dem, was der Staat und die Medien üblicherweise als „im Land gewachsener Terrorismus“ oder als „Selbstradikalisierung“ bezeichnen. Wie dem auch sei, der Zustand der amerikanischen Gesellschaft am Vorabend der Wahlen von 2016 bietet einen fruchtbaren Boden für solche Gewalt.

Mehr als fünfzehn Jahre ununterbrochener Kriege mit mehr als einer Million Toten und noch viel mehr Flüchtlingen und ganzen zerstörten Gesellschaften müssen zwangsläufig zu tödlichen Konsequenzen in den USA selbst führen. Blutvergießen im Ausland verbindet sich mit der Brutalisierung der eigenen Gesellschaft. Rahami wuchs in Union County, New Jersey auf, wo die Armutsrate mehr als 27 Prozent beträgt und wo die soziale Ungleichheit zwischen der Arbeiterbevölkerung und der Konzentration von Milliardären und Multimillionären im benachbarten New York nicht schärfer hervortreten könnte. Die verbreitete soziale Entfremdung breiter gesellschaftlicher Schichten wird noch verschärft, wenn Muslime zudem ständig dämonisiert werden.

Das bestehende politische System bietet darüber hinaus keinen fortschrittlichen Ausweg für die zunehmend explosive soziale Unzufriedenheit. Die pseudolinken Elemente, die in einer früheren Periode noch gegen amerikanische Kriege protestierten, gehören nun zu ihren enthusiastischen Befürwortern.

Weniger als sieben Wochen vor der Wahl werden diese Bombenanschläge dafür genutzt, die politische Debatte in den beiden großen Parteien noch weiter nach rechts zu drücken. Der faschistoide Republikanische Kandidat Donald Trump und die Demokratische Favoritin des Militär- und Geheimdienstapparats Hillary Clinton wetteifern miteinander, wer von ihnen der bessere „Oberkommandierende“ wäre, um Krieg im Ausland zu führen und Unterdrückung im Inland durchzusetzen.

Die Atmosphäre, die von der amerikanischen Politik ausgeht, ist derartig reaktionär und ungesund, dass es mit größter Sicherheit weitere Anschläge wie am vergangenen Wochenende geben wird.

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