Nazipropaganda während der Einheitsfeier

Die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit am Montag in Dresden waren von zwei Ereignissen bestimmt. Mit einem Großaufgebot an Polizei und einer strikten Kontrolle über die Innenstadt hatten die Sicherheitsorgane einen de facto Ausnahmezustand in der sächsischen Landeshauptstadt verhängt.

Gleichzeitig ermutigte die Polizei rechtsradikale Pegida-Aktivisten unmittelbar vor den Veranstaltungsorten zu demonstrieren und die Teilnehmer mit rechten faschistischen Hetzparolen zu attackieren. Selbst ein Plakat mit einem Goebbels-Zitat wurde nach polizeilicher Überprüfung ausdrücklich zugelassen.

Als die staatlichen Würdenträger, allen voran Bundespräsident Gauck, Bundestagspräsident Lammert und die Kanzlerin, am Montagmittag zu einem ökumenischen Gottesdienst in der Dresdener Frauenkirche und einem anschließenden Festakt in der Semperoper eintrafen, mussten sie einen regelrechten Spießrutenlauf absolvieren. Rufe wie: „Volksverräter“, „Lumpenpack“, „Haut ab“ und „Merkel muss weg“, gehörten zu den eher harmlosen Verbal-Attacken.

Obwohl die Polizei im unmittelbaren Umkreis der Veranstaltungsorte für alle anderen ein Versammlungsverbot verhängt hatte, lies sie die Pegida-Leute gewähren. Später rechtfertigte sie diese Entscheidung mit den Worten, es sei von diesen Leuten keine Gefahr für den Ablauf und die Sicherheit der Protokollveranstaltungen ausgegangen.

Wie sehr die Polizei die rechten Demonstranten unterstützte, machte ein Polizeibeamter deutlich, der seine Lautsprecherdurchsage mit der Bemerkung beendete, er wünsche den Pegida-Anhängern einen „erfolgreichen Tag“.

Ein Demonstrant hielt ein Schild mit einem Zitat von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels in die Höhe. Darauf stand: „Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke ... Nichts ist uns verhasster als der rechtsstehende nationale Bürgerblock. Dr. Joseph Goebbels, 1931 in Der Angriff“ Goebbels hatte damals den Charakter der NSDAP als nationale aber „sozialistische Arbeiterpartei“ bezeichnet und eine gezielte Demagogie unter Arbeitern betrieben.

In den Festreden wurde deutlich, wie die offizielle Politik die Pegida-Demonstrationen nutzt, um das politische Klima immer weiter nach rechts zu verschieben. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) bezeichnete die Demonstranten als „zutiefst unpatriotisch“. Wahre Patrioten müssten sich dem widersetzen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der in diesem Jahr die Hauptrede hielt, rief dazu auf wahrzunehmen, wie gut es den meisten Menschen in Deutschland heute gehe. „Wir leben in Verhältnissen, um die uns fast die ganze Welt beneidet.“ Deutschland sei heute „in besserer Verfassung als jemals zuvor“.

Lammert zitierte eine Umfrage, die Anfang dieses Jahres beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt wurde, wonach unter 16.000 Menschen aus aller Welt, Meinungsführern in Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung, Deutschland mit Blick auf politische Stabilität, wirtschaftliche Prosperität, soziale Sicherheit, Bildung, Wissenschaft und Infrastruktur als „bestes Land auf dieser Erde gilt“. Er sprach zwar nicht von Stolz auf Deutschland, forderte aber, die Deutschen könnten und dürften durchaus „etwas mehr Selbstbewusstsein“ haben.

Die Worte der Bundeskanzlerin, der Tag der Einheit sei ein Tag der Freude klangen nicht nur angesichts der rechten Sprechchöre und Beschimpfungen wie Hohn. Millionen Menschen sind über die politische Entwicklung tief besorgt. 26 Jahre nach der Wiedervereinigung nimmt die weltweite Krise des Kapitalismus regelrecht dramatische Formen an.

Die Krise der Deutschen Bank macht deutlich, dass seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers und der folgenden weltweiten Finanzkrise kein Problem gelöst wurde. Die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen des Brexit sind noch völlig unabsehbar. Die Europäische Union befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Auflösung. In Frankreich und der Türkei herrscht Ausnahmezustand. Wie in den Dreißigerjahren bringt die Krise des Kapitalismus wieder rechte und faschistische Gestalten hervor. Die AfD ist Teil eine weltweiten Entwicklung: Donald Trump in den USA, Marine Le Pen in Frankreich und Norbert Hofer in Österreich, um nur einige zu nennen.

Vor drei Jahren nutzte Bundespräsident Gauck den Tag der deutschen Einheit für seine „Großmacht-Rede“ in der er forderte, Deutschland müsse „in Europa und der Welt“ wieder eine Rolle spielen, die seiner Größe und seinem Einfluss tatsächlich entspreche. „In einer Welt voller Krisen und Umbrüche“ brauche das Land eine aktive und militärische Außenpolitik.

Seitdem findet eine systematische militärische Aufrüstung statt. Die Bundeswehr ist beim Nato-Aufmarsch gegen Russland, bei den Kriegen im Nahen Osten und in Afrika an vorderster Front mit dabei. Die Rüstungsausgaben steigen. Der Militäretat soll fast verdoppelt werden, von 1,2 auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In den kommenden Jahren werden zusätzliche 130 Milliarden Euro für Waffen ausgegeben und eine hochmoderne „Cyberstreitmacht“ mit 13.500 Soldaten aufgebaut.

Parallel zur militärischen Aufrüstung werden die Löhne und Sozialausgaben ständig gekürzt. Ein Sparprogramm jagt das nächste. 26 Jahre nach der Wiedervereinigung leben Millionen Menschen in Deutschland in bitterer Armut, währen eine reiche Oberschicht in Saus und Braus Millionen verprasst und die Politik bestimmt. Vor 20 Jahren wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, dann folgte die Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent und weitere Vergünstigungen für Vermögende und Topverdiener.

Mit den Hartz IV-Gesetzen wurde ein riesiger Niedriglohnsektor geschaffen und die Bedingungen für Unterstützungsleistungen im Fall von Arbeitslosigkeit und anderen Notsituation verschärft und stark eingeschränkt. Immer mehr Menschen sind gezwungen, in diesem Niedriglohnbereich zu arbeiten Sie kommen trotz Arbeit nicht über die Runden und müssen zusätzlich mit Hartz IV aufstocken, eine zeitaufwändige und nervenaufreibende Angelegenheit.

Die eitlen Reden über die „Schönheit Deutschlands“, die am vergangenen Wachende gehalten wurden, sollten darüber hinweg täuschen, dass sich unter der gesellschaftlichen Oberfläche ein sozialer Sturm von gewaltigem Ausmaß zusammenbaut.

In Dresden wurde deutlich, wie dringend der Aufbau einer neuen Partei der Arbeiterklasse ist, die auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms der wachsenden Kriegsgefahr und dem permanenten Sozialabbau entgegentritt.

Sonst besteht die ernste Gefahr, dass rechte Demagogen die weit verbreitete Wut auf die herrschend Elite und ihre gleichgeschalteten Parteien in rechte faschistische Bahnen lenken. Wie stark diese rechten Demagogen von der Polizei und Teilen des Sicherheitsapparats unterstützt werden, zeigte sich in Dresden sehr deutlich.

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