Bundesregierung fordert schärferes Vorgehen gegen Russland und Syrien

Während die syrische Armee mit Unterstützung Russlands im Osten Aleppos vorrückt und sich der Konflikt zwischen den USA und Russland dramatisch zuspitzt, verschärft auch die Bundesregierung ihren Ton gegenüber Moskau. Führende deutsche Politiker forderten am Freitag neue Sanktionen gegen Russland, die massive Bewaffnung der islamistischen Opposition und sogar den Einsatz von deutschen Bodentruppen.

Am Freitag berichtete das Handelsblatt, Angela Merkel habe in einer Rede in Magdeburg „den Abzug russischer Truppen” aus Syrien angemahnt. Die Bundeskanzlerin habe sich direkt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin gewandt und erklärt. „Ich kann auch hier nur an Russland appellieren, Russland hat viel Einfluss auf Assad: Wir müssen dieses grauenhafte Verbrechen so schnell wie möglich beenden“.

Angesichts der „wirklich entsetzlichen Situation“ in Aleppo halte die Bundesregierung neue Sanktionen gegen Russland für eine mögliche Reaktion. Die deutsche Regierung habe „Verständnis dafür, dass über alle Optionen nachgedacht wird“, sagte der Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Zuvor hatte bereits der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), schärfere Sanktionen gegen Moskau gefordert. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte er: „Eine Folgen- und Sanktionslosigkeit schwerster Kriegsverbrechen wäre ein Skandal.“ Gleichzeitig beklagte er, dass die europäischen Regierungen nur „pflichtschuldig“ getan hätten, was unbedingt getan werden müsse.

Der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, Elmar Brok (CDU), forderte im ARD-Morgenmagazin ebenfalls Sanktionen, um Russland „unter Druck [zu] setzen“ und zu „bestrafen“. Er sprach sich insbesondere für technologische Sanktionen aus, die die Waffenentwicklung hemmen – „wie wir das schon zu Zeiten des Kalten Krieges gemacht haben“.

Brok gab einen Einblick in die weitgehenden Aggressionspläne, die in Regierungs- und Militärkreisen hinter dem Rücken der Bevölkerung diskutiert werden. „Die einzige Möglichkeit etwas zu tun wäre hineinzugehen“, so Brok. „Aber wer wäre in Deutschland bereit [die] Bundeswehr dorthin zu schicken?” Man müsse sich fragen: „Sind wir bereit selbst etwas zu machen und mit der Bundeswehr hineinzugehen?“

Weiter sagte er: „Vielleicht ist die einzige Möglichkeit – wenn das noch technisch geht, von der Logistik her geht – einigen der Rebellen […] Boden-Luft-Raketen zur Verfügung zu stellen”. Es habe sich gezeigt, dass Russland selbst zu „selektiver Zusammenarbeit“ nicht bereit sei. Ihm gehe es „ausschließlich um Macht, dieses Land zu beherrschen“.

Von der SPD wird der aggressive Kriegskurs der Unionspolitiker unterstützt. So forderte der SPD-Außenexperte Niels Annen in der Rheinischen Post: „Statt Kriegsschiffe in die Region zu verlegen und Abkommen, etwa über die Vernichtung von Plutonium, aufzukündigen, sollte Russland endlich seine Verantwortung als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat wahrnehmen und humanitäres Völkerrecht respektieren“.

Der sozialdemokratische Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte bereits im September eine Flugverbotszone über Syrien gefordert, um das Projekt des vom Westen angestrebten Regimewechsels in Syrien voranzutreiben. Eine solche wäre genau das Gegenteil von „humanitärem Völkerrecht“. Im März 2011 war die Errichtung einer Flugverbotszone in Libyen der Auftakt für einen massiven Bombenkrieg der Nato gegen das ölreiche Land und zum Sturz des Gaddafi-Regimes durch vom Westen unterstützte islamistische Rebellen gewesen.

Anders als im Libyen-Krieg war Deutschland bei der Offensive der imperialistischen Mächte gegen Syrien von Anfang an mit von der Partie. Bereits 2012 hatte das Auswärtige Amt gemeinsam mit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und Teilen der syrischen Opposition das sogenannte „The Day After“-Projekt ins Leben gerufen und eine „Vision für eine Nach-Assad-Ordnung“ erarbeitet. Seit Ende 2015 ist die Bundeswehr direkte Kriegspartei in Syrien und mit Tornados, Aufklärungstechnik und einem Kriegsschiff im Einsatz.

In dem Maße, wie das russische Eingreifen in Syrien, die Pläne der Bundesregierung durchkreuzt und die vom Westen unterstützten islamistischen Milizen an den Rand einer Niederlage gebracht hat, trommeln auch die deutschen Medien immer hysterischer für Krieg und Militarismus.

Ein Kommentar in der aktuellen Ausgabe der Zeit unter der Überschrift „Kann Europa in Syrien wirklich nur zuschauen“ warnt, dass sich derzeit „offenbar rund 10.000 pro-Assad-Kämpfer […] auf die Erstürmung Ost-Aleppos [vorbereiten]“. Sollte die Stadt „in den nächsten Wochen wieder ganz in die Hände des syrischen Regimes fallen, wäre dies ein strategische wichtiger Erfolg für Baschar al-Assad“.

Die Gegenstrategie der Zeit: „Die Lieferung von Waffen, mit denen sich Rebellen gegen die permanenten Luftangriffe zur Wehr setzen können“, als einen „ersten militärischen Schritt“. Die Autorin des Artikels, Andrea Böhm, die bereits in einem früheren Kommentar al-Qaida verteidigt hatte, spricht offen aus, wer damit unterstützt werden soll. „Die Al-Kaida-nahe Dschabhat Fatah al-Scham“ sei „so stark wie nie zuvor“ und habe „sich als effektivste Fraktion etabliert, die Zivilisten gegen den IS und gegen Assad verteidigt“.

Tomas Avenarius sinnierte bereits am Mittwoch in einem Leitartikel der Süddeutschen Zeitung darüber, „den Rebellen nach Jahren der Zurückhaltung nun die Waffen zu liefern, nach denen sie seit langem rufen: Luftabwehrraketen, welche die russischen Jets vom Himmel holen können. Im Afghanistankrieg vor 30 Jahren haben solche US-Geschosse den Gotteskriegern geholfen, der Roten Armee eine Niederlage zuzufügen“.

Wenn deutsche Politiker und Medienvertreter für Sanktionen gegen Russland, die massive Aufrüstung al-Qaidas und die Entsendung von Bodentruppen nach Syrien trommeln, tun sie dies nicht als Gefolgsleute der US-Regierung, die den Konflikt ebenfalls ständig anheizt, sondern als Interessenvertreter des europäischen und vor allem des deutschen Imperialismus.

„Der zweite Schritt müsste in Brüssel und vor allem in Berlin erfolgen“, betont Böhm in der Zeit. Der Krieg in Syrien müsse „als oberstes nationales Sicherheitsinteresse verstanden werden“. Avenarius ist erzürnt darüber, dass die USA nicht in der Lage seien, „in Syrien eine russische Niederlage“ zu garantieren. „Dank früherer Zögerlichkeit“ hätten die USA „keine Möglichkeit mehr“, die Zementierung des russischen Machtanspruchs „zu verhindern“.

Um ihre geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen gegen Russland, aber zunehmend auch gegen die USA durchzusetzen, sind die deutschen Eliten bereit, einen Konflikt zu befeuern, von dem sie selbst wissen, dass er einen dritten Weltkrieg auslösen kann. Der heutige Spiegel erscheint unter dem bezeichnenden Titel „Der Weltmachtkampf: Brandherd Syrien – Putins Werk, Obamas Beitrag“ und spricht von einem „Weltkrieg um Aleppo“.

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