US–russische Spannungen in Syrien:

Kerry wirft Russland „Kriegsverbrechen” vor

Weil die syrischen Regierungstruppen kurz davor stehen, mit russischer Unterstützung die vom Westen unterstützten al-Qaida-nahen „Rebellen“ in Ost-Aleppo niederzuwerfen, heizen die USA und ihre Verbündeten vorsätzlich die Spannungen mit Russland weiter an.

Am Freitag hat US-Außenminister John Kerry eine Untersuchung wegen möglicher „Kriegsverbrechen“ gegen Russland und die Regierung von Präsident Baschar al-Assad gefordert. Er behauptete, die syrische und die russische Luftwaffe hätten einen nächtlichen Angriff auf ein Krankenhaus in Aleppo ausgeführt.

Kerry sagte: „Das sind Taten, die nach einer angemessenen Untersuchung wegen Kriegsverbrechen rufen. Man kann hier schon längst nicht mehr von Unfällen sprechen. Dies ist eine Strategie mit dem Ziel, vorsätzlich die Zivilbevölkerung zu terrorisieren und jeden zu töten, der den eigenen militärischen Zielen im Weg steht.“

Später am gleichen Tag gab ein Sprecher des Außenministeriums zu, dass Kerrys Vorwurf nicht bestätigt werden könne, und fügte hinzu: „Ob es letzte Nacht einen Angriff auf ein Krankenhaus in Aleppo gab oder nicht, ist eigentlich nebensächlich.“

Die USA heucheln Erschütterung und Empörung über das Blutvergießen in Ost-Aleppo, aber gleichzeitig machen sie sich der Beihilfe und der direkten Komplizenschaft bei vergleichbaren und noch schlimmeren Kriegsverbrechen im Jemen schuldig.

Im Jemen sind laut den Vereinten Nationen schon mehr als zehntausend Menschen getötet worden, hauptsächlich aufgrund des Luftkriegs einer Koalition unter Führung Saudi-Arabiens. Das Pentagon liefert ihnen die Waffen dafür und leistet unverzichtbare geheimdienstliche und logistische Unterstützung. Vertreter der UN warnen schon vor einer Hungersnot, die der jemenitischen Bevölkerung droht, weil die USA diesen mörderischen Krieg unterstützen.

Weder Kerry noch andere Vertreter der US-Regierung haben jemals eine Untersuchung der Kriegsverbrechen im Irak gefordert, wo die USA einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg geführt haben. Dieser Krieg hat über eine Million Menschenleben gefordert und die Bedingungen für die blutigen Konflikte geschaffen, die seither in der Region ausgebrochen sind.

Bezeichnenderweise äußert Kerry auch keinerlei Bedenken, wenn es darum geht, Zivilisten im Westteil von Aleppo, den Regierungstruppen kontrollieren, zu ermorden und zu terrorisieren. In der Westhälfte der Stadt, in der die große Mehrheit der Bevölkerung lebt, führen die US-gestützten „Rebellen“ ständig Terroranschläge aus. Sie haben dieses Gebiet mit Raketen, Granatwerfern, Chemiewaffen und sogenannten „Höllenkanonen“ angegriffen und dabei schon hunderte Einwohner getötet.

Kerrys rhetorischer Angriff war reine Propaganda. Da Russland im UN-Sicherheitsrat das Vetorecht besitzt, war es von vornherein unwahrscheinlich, dass es einer Untersuchung seines Luftkriegs in Syrien wegen Kriegsverbrechen zustimmen würde. Genauso wenig würde Washington jemals eine Untersuchung der Verbrechen erlauben, die der US-Imperialismus in aller Welt verübt.

Kerry hatte seine Beschuldigung Russlands ausgesprochen, als er mit dem französischen Außenministers Jean-Marc Ayrault zusammentraf. Dieser machte auf dem Weg nach New York City einen Zwischenstopp in Washington, bevor er sich im UN-Sicherheitsrat für die Verabschiedung einer Resolution einsetzte, um einen neuen Waffenstillstand in Syrien zu fordern.

Genau wie Kerry mit seiner Forderung verfolgt auch die französische Regierung propagandistische Zwecke. Ihre Resolution war in einer Weise abgefasst, die sicherstellen sollte, dass Russland sein Veto dagegen einlegen würde. Frankreich forderte eine Flugverbotszone über Aleppo, um alle russischen und syrischen Kampfflugzeuge zu stoppen.

Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin erklärte am Freitag vor der Presse, die französische Resolution stelle die beispiellose Forderung auf, dass ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates für eine Maßnahme stimme, die seine eigenen Aktivitäten einschränken würde. Die Resolution wurde am Samstag im Sicherheitsrat abgelehnt.

Die französische Resolution ignorierte die Ereignisse, die zum Scheitern des letzten Waffenstillstandsabkommens geführt hatten. Das Abkommen, das die USA und Russland am 9. September ausgehandelt hatten, scheiterte nach kaum einer Woche, da die sogenannten Rebellen in dieser Zeit hunderte von Anschläge auf Stellungen der Regierungen verübten. Sie nutzten die Einstellung der Offensive der Regierungstruppen aus, um Nachschub an Waffen zu empfangen und ihre Kräfte erneut in Stellung zu bringen.

Die russische Regierung legte Protest ein, weil die USA weder bereit noch in der Lage waren, ein wichtiges Element des Abkommens durchzusetzen: Sie sollten die von ihnen unterstützten „gemäßigten“ Rebellen von den al-Qaida-nahen Milizen trennen, die die Vereinten Nationen als Terroristen einstufen und vom Waffenstillstand ausgenommen hatten. Das Abkommen hat eindeutig bestätigt, dass eine solche Trennung unmöglich ist. Die al-Qaida-Elemente bilden das Rückgrat der Stellvertreterkräfte, die die USA in ihrem Regimewechsel-Krieg in Syrien einsetzen.

Moskaus fehlende Bereitschaft zu einem neuen Waffenstillstandsabkommen erklärt sich auch aus dem unbestreitbaren Vorrücken der syrischen Regierungstruppen in Aleppo. Die Stadt ist die letzte Bastion der islamistischen Milizen in einem wichtigen Ballungsgebiet. Ihre Niederlage würde eine strategische Wende in dem seit fünf Jahren andauernden Krieg bedeuten.

Das treibt die USA zu einer Rhetorik, die immer hysterischere Züge annimmt. Dazu kommt der wachsende Druck aus dem amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat, die Intervention in Syrien zu verschärfen. Diese Kreise betrachten eine solche Wende nicht nur als Debakel für die amerikanische Intervention in Syrien, sondern als Teil einer breiteren Entwicklung. Für sie sind es vor allem Russland und China, die dem globalen Hegemoniestreben der USA im Wege stehen.

Am Wochenende traf sich Präsident Barack Obama mit seinem gesamten Nationalen Sicherheitsrat, um über Vorschläge für eine militärische Eskalation in Syrien zu beraten. Wie Regierungsvertreter in den Medien erklärten, sollte es um Angriffe mit Marschflugkörpern auf syrische Regierungsstellungen gehen, wie auch um die Lieferung von hochmodernen Waffen wie Manpad-Boden-Luft-Raketen an die Rebellen. Sowohl der Vereinigte Generalstab als auch die CIA unterstützen diese Vorschläge.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, erklärte am Freitag in einem Fernsehinterview, Moskaus Entscheidung zur Stationierung eines Raketensystems vom Typ S-300 auf dem russischen Marinestützpunkt bei Tartus sei eine Reaktion auf die Meldungen aus Washington, dass die USA Luftschläge vorbereiteten.

Einen Tag zuvor hatte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums Generalmajor Igor Konaschenkow die USA dringend davor gewarnt, Ziele der syrischen Regierung anzugreifen. Er erklärte: „Ich würde unseren Kollegen in Washington empfehlen, sich einmal die möglichen Folgen der Umsetzung solcher Pläne klarzumachen.“

Pentagon-Sprecher Peter Cook wies diese Warnung zurück und erklärte vor der Presse: „Wir werden unsere Operationen in Syrien so fortsetzen, wie wir sie seit Monaten führen. Und wir werden dabei weiterhin alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Sicherheit unserer Flugzeugbesatzungen zu garantieren.“

Es wird immer offensichtlicher, dass die USA und Russland, die beiden größten Atommächte der Welt, auf eine militärische Konfrontation in Syrien zutreiben.

Vor diesem Hintergrund hat die US-Regierung noch am Freitag die Spannungen weiter verschärft und eine offizielle Erklärung der nationalen Geheimdienste und des Ministeriums für Heimatschutz herausgegeben. Darin wird die russische Regierung für den Hackerangriff auf die Computer des Nationalkomitees der Demokratischen Partei und anderer politischer Gruppierungen verantwortlich gemacht. Diese Hackerangriffe „könnten den Verlauf der amerikanischen Wahlen beeinträchtigen“.

Vertreter der Demokratischen Partei und der Regierung haben erneut den unbewiesenen Vorwurf erhoben, Präsident Wladimir Putins Regierung habe diese Hackerangriffe angeordnet. Damit wollen sie die Aufmerksamkeit vom Inhalt der geleakten E-Mails ablenken. Aus den E-Mails geht hervor, dass die Parteiführung versucht hat, den Vorwahlprozess zu manipulieren, um sicherzustellen, dass sich Hillary Clinton gegen ihren Rivalen Bernie Sanders durchsetzt.

Sollte Russland offiziell als dafür verantwortlich erklärt werden – wofür es keine Beweise gibt – dann könnte dies zu weiteren Sanktionen der USA gegen Moskau führen.

Die US Air Force berichtete am Donnerstag über eine Übung, die sie Anfang des Monats auf dem Testgelände Tonopah in Nevada veranstaltet hatte. Dabei hatten zwei Tarnkappenbomber vom Typ B-2A Spirit zwei Atomwaffen vom Typ B61 abgeworfen, allerdings ohne die Sprengköpfe. Diese Übung war eine unmissverständliche Drohung gegen Russland.

Die US National Nuclear Security Administration (NNSA) kommentierte diese Trockenübung für einen Atomkrieg mit den Worten: „Das primäre Ziel der Flugtests ist es, unter möglichst repräsentativen Betriebsbedingungen Daten über Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Leistung zu erhalten.“

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