Perspektive

USA greifen Jemen mit Raketen an

Am Donnerstagmorgen hat die US-Marine die jemenitische Küste am Roten Meer mit Tomahawk-Marschflugkörpern beschossen. Damit heizt die amerikanische Regierung die Militäraggressionen im Nahen Osten weiter an. Mit Gewalt will sie der gesamten Region und dem Rest der Welt ihre imperialistische Vorherrschaft aufzwingen.

Unter den zahlreichen amerikanischen Militäroperationen ist der Angriff auf den Jemen nur eine weitere Front. Sie erstrecken sich von Afghanistan über den Irak nach Syrien und darüber hinaus. Dem Angriff ging keine öffentliche Diskussion voraus. Die Regierung kümmert sich überhaupt nicht um die Zustimmung der amerikanischen Bevölkerung.

In gut drei Wochen finden Präsidentschaftswahlen statt, aber weder die Kandidatin der Demokraten, noch der Kandidat der Republikaner, geschweige denn die Medien sind geneigt, eine Diskussion über die Kriegsabenteuer zu riskieren. Obwohl diese Angriffe die Welt rasch in einen größeren Krieg stürzen könnten, besteht der Wahlkampf aus entwürdigenden Skandalgeschichten.

Präsident Barack Obama hat die Raketenangriffe genehmigt. Er erwähnte sie jedoch in keiner Rede und gab keine noch so förmliche Erklärung dazu heraus.

Nur das Pentagon hat eine Erklärung zu den Raketenangriffen auf den Jemen abgegeben. Darin behauptet es, dies seien „begrenzte Selbstverteidigungsangriffe, um unser Personal, unsere Schiffe und unsere Schifffahrtsfreiheit auf diesem wichtigen Seefahrtweg zu sichern“.

Laut der Darstellung des US-Militärs war der Angriff auf jemenitisches Gebiet die Reaktion der USA auf zwei separate Zwischenfälle, bei denen Raketen vom Jemen aus auf den Lenkraketenzerstörer USS Mason abgeschossen worden seien. Die USS Mason ist Teil einer US-Flottille aus drei Schiffen, die in der Straße Bab-el-Mandeb patrouillieren. Diese Meeresstraße scheidet die arabische Halbinsel vom Horn von Afrika und verbindet das Rote Meer mit dem Golf von Aden und dem Indischen Ozean.

Im letzten Jahr wurden 4,7 Millionen Barrel Öl durch diesen Wasserweg verschifft, wovon das meiste nach China ging. Außerdem passieren vierzig Prozent des globalen Seehandels diese Stelle. Der US-Imperialismus ist entschlossen, die enge Wasserstraße als strategisches Nadelöhr gegen seine Rivalen zu nutzen. Damit wird es der eigenen Marine ermöglicht, sie zu passieren, während alle anderen an der Durchfahrt gehindert werden können.

Sowohl die Huthi-Rebellen, die die jemenitische Hauptstadt Sanaa kontrollieren, als auch die mit den Huthis verbündete jemenitische Armee streiten jeden Angriff auf ein US-Kriegsschiff ab. Sie haben die Raketenangriffe als Akt der Aggression verurteilt.

Es gibt keinen Grund dafür, die Darstellung des Pentagon für bare Münze zu nehmen. Das Pentagon hat keinerlei Beweise vorgelegt, um die Behauptung zu untermauern, die Huthis stünden hinter den Raketenangriffen auf die USS Mason. Bisher fehlt sogar jeder Beweis dafür, dass überhaupt Raketen abgefeuert wurden.

Im Jemen gibt es andere Akteure, die Motive hätten, ein US-Kriegsschiff anzugreifen. Dazu gehört auch al-Qaida auf der arabischen Halbinsel. Diese Organisation wurde früher von der Washingtoner Regierung als die weltweit gefährlichste terroristische Gruppe hingestellt, aber heute kämpft sie de facto in einem Bündnis mit den USA gegen die Huthi-Rebellen.

Dann ist da noch Saudi-Arabien, das den Jemen seit März 2015 mit brutalen Bombardements überzieht und für den größten Teil der zehntausend getöteten Jemeniten in dieser Zeit verantwortlich ist.

Der Raketenangriff von Donnerstag ist der erste direkte US-Angriff auf Ziele, die mit der Huthi-freundlichen Regierung in Sanaa in Zusammenhang stehen. Das Pentagon liefert jedoch seit langem die logistische und geheimdienstliche Unterstützung, ohne die die blutige Offensive gegen den Jemen unmöglich wäre, und sorgt für das Auftanken von Kampfflugzeugen. Seitdem Obama im Amt ist, haben die USA dem saudischen Königreich Waffen im sagenhaften Wert von 115 Milliarden Dollar zukommen lassen. Auch füllen sie die Vorräte an Bomben und Raketen, die auf jemenitische Häuser, Schulen und Kliniken abgeworfen werden, immer wieder auf.

Allerdings hat die Regierung Obama kürzlich zaghafte Vorbehalte gegen die Schlächterei geäußert und angedeutet, sie könnte ihr Engagement reduzieren. So könnte ein Raketenangriff – fälschlicherweise den Huthis zugeschrieben – leicht dazu dienen, die USA direkter in den Krieg hineinzuziehen.

Die Frage, ob der Angriff auf die US-Marine überhaupt stattgefunden hat, ist mit großer Skepsis zu behandeln. Es gibt einen Präzedenzfall, bei dem erfundene militärische Einsätze auf See als Vorwand für eine umfangreiche Eskalation des amerikanischen Militarismus benutzt wurden. 1964 wurde ein angeblicher Angriff nordvietnamesischer Kanonenboote auf ein US-Kriegsschiff im Golf von Tonkin als Rechtfertigung für die Verabschiedung der Tonkin-Resolution angeführt. Diese Resolution ermächtigte Präsident Lyndon Johnson zu einer raschen Eskalation des US-Kriegs in Vietnam. Ein Jahr nach diesen undurchsichtigen Vorkommnissen gab Johnson zynisch zu: „Soweit ich weiß, hat unsere Marine da draußen auf Wale geschossen.“

Der wichtigste Beweis, den Washington für eine Beteiligung der Huthis an den angeblichen Raketenangriffen anführt, ist in Wirklichkeit eine Anklage gegen den US-Imperialismus selbst. Die vorgeblichen Angriffe erfolgten, nachdem saudische Kampfflugzeuge am 8. Oktober eine Trauerfeier brutal bombardiert hatten. Dabei wurden 155 Menschen getötet und fünfhundert verwundet, unter ihnen hohe Beamte der Huthi-Regierung und auch Kinder. Fragmente der 500-Pfund-Bomben, die benutzt wurden, um die Trauernden umzubringen, trugen Markierungen, die sie als US-Waffen identifizierten. Washington behauptet, die Angriffe auf die US-Kriegsschiffe seien eine Vergeltungsmaßnahme dafür gewesen.

Dass den Huthis dieses Motiv zugeschrieben wird, unterstreicht nur, wie tief der US-Imperialismus in die Kriegsverbrechen verstrickt ist. An der Seite der despotischen Ölmonarchien vom Golf unterdrückt er eine der ärmsten Nationen auf diesem Planeten. Die Bombenangriffe auf den Jemen dauern schon anderthalb Jahre und haben den größten Teil der Infrastruktur des Landes zerstört. Sie haben dazu geführt, dass vierzehn Millionen Menschen, das ist mehr als die Hälfte der jemenitischen Bevölkerung, Hunger leiden.

Dieser kriminelle Krieg entlarvt jeden Vorwand, vom „Krieg gegen den Terror“ bis zum „humanitären Krieg“, den die Washingtoner Regierung nutzt, um ihre Interventionen im Nahen Osten zu rechtfertigen. Im Jemen wie im Irak, in Libyen und Syrien intervenieren die USA, um ihre geostrategische Vorherrschaft sicherzustellen und sich auf eine noch gefährlichere Konfrontation mit Russland und China vorzubereiten.

Die Gefahr wächst stündlich, dass diese einzelnen Konflikte, wie auch jene in Osteuropa und im südchinesischen Meer, in einen dritten Weltkrieg münden.

Ohne entschlossenen politischen Kampf, die Arbeiterklasse gegen den Krieg und seinen kapitalistischen Ursprung zu vereinen, ist eine solche globale Katastrophe unvermeidlich. Die Konferenz „Sozialismus versus Kapitalismus und Krieg“, die die Socialist Equality Party am 5. November in Detroit organisiert, ist ein entscheidender Schritt im Aufbau einer solchen Bewegung. Die World Socialist Web Site appelliert an all ihre Leser und an all jene, die ernsthaft einen Weg suchen, gegen den Krieg zu kämpfen, an dieser Konferenz teilzunehmen.

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