Bundestag beschließt Ausweitung von Bundeswehreinsatz im Irak und Syrien

Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am 10. November die Fortsetzung und Ausweitung des Bundeswehreinsatzes im Irak und Syrien beschlossen. Dabei geht es um die seit Ende 2015 laufende Beteiligung deutscher Truppen am Kriegseinsatz der sogenannten Anti-IS-Koalition mit anderen westlichen Ländern und regionalen Regimen im Nahen und Mittleren Osten.

Der auf Antrag der Regierung eingebrachte Beschluss erlaubt den Einsatz von bis zu 1.200 Soldaten, Aufklärungstornados, Tankflugzeugen und einem Kriegsschiff bis zum 31. Dezember 2017. Allein die „einsatzbedingten Zusatzausgaben“ für die bewaffneten deutschen Streitkräfte werden bis dahin insgesamt rund 133,6 Millionen Euro betragen.

Die Liste der Aufgaben ist lang: u.a. geht es um „Einsatzunterstützung durch Luftbetankung“, „Begleitschutz und Sicherung des Marineverbandes“, „See- und Luftraumüberwachung“, „Austausch und Abgleich gewonnener Lageinformationen mit weiteren Akteuren der internationalen Anti-IS-Koalition“, „Wahrnehmung von Verbindungs-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben gegenüber Hauptquartieren der multinationalen Partner“ und die „Gewährleistung von Führungs-, Verbindungs-, Schutz- und Unterstützungsaufgaben für die Durchführung des Einsatzes deutscher Kräfte“.

Künftig sollen deutsche Soldaten auch in Awacs-Aufklärungsflugzeugen der Nato eingesetzt werden, die über der Türkei und im internationalen Luftraum über dem Mittelmeer Erkenntnisse zur Lage in der Region sammeln. Die Flugzeuge werden vom südtürkischen Stützpunkt Konya starten. Die Bundeswehr stellt etwa ein Drittel des Awacs-Personals bei der Nato.

Insgesamt sind derzeit knapp 500 deutsche Soldaten im Anti-IS-Einsatz. Der Großteil von ihnen ist im türkischen Incirlik stationiert. Von dort aus starten sie mit Tornado-Kampfflugzeugen zu Aufklärungsflügen über Syrien und dem Irak und liefern Zieldaten für die Bombenangriffe der Koalition. Zudem versorgt ein deutsches Tankflugzeug die Flugzeuge der Bundeswehr und von Verbündeten in der Luft. Weitere deutsche Soldaten tun an Bord der Fregatte „Augsburg“ Dienst, die derzeit im Mittelmeer den französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ begleitet und schützt.

Bemerkenswert ist die Größe des Einsatzgebietes. „Der Einsatz deutscher Streitkräfte erfolgt vorrangig im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation IS in Syrien, auf dem Territorialgebiet von Anrainer-Staaten, von denen eine Genehmigung der jeweiligen Regierung vorliegt, sowie im Seegebiet östliches Mittelmeer, Persischer Golf, Rotes Meer und angrenzende Seegebiete“, heißt es in der Beschlussvorlage.

Mit anderen Worten: die deutschen Truppen befinden sich in einem umfassenden Kampf- und Kriegseinsatz im Nahen Osten, der mit den Offensiven auf die Millionenstadt Mossul im Irak und die sogenannte „IS-Hauptstadt“ Raqqa in Syrien weiter eskaliert. Ausdrücklich wird den „eingesetzten Kräften“ das Recht zur „Anwendung militärischer Gewalt“ eingeräumt.

Seit Beginn des deutschen Einsatzes kamen immer wieder Zivilisten ums Leben. Diese Woche hat die US-Armee zugegeben, dass bei 24 Luftangriffen der Koalition im Irak und Syrien zwischen November 2015 und September 2016 mindestens 64 Zivilisten getötet worden seien. Die wirkliche Zahl liegt weit höher. Ende Oktober veröffentlichte Amnesty International einen Bericht über elf verschiedene Angriffe der US-geführten Koalition, bei denen insgesamt etwa 300 Zivilisten getötet wurden. Andere Beobachtergruppen gehen von weit über tausend Todesopfern durch die westlichen Bombardements in Syrien aus.

Am Donnerstag warf Amnesty International den irakischen Sicherheitskräften vor, bei ihrer Offensive auf Mossul Zivilisten misshandelt und getötet zu haben. Nach Informationen der Menschenrechtsgruppe ereigneten sich die Vorfälle südlich von Mossul. Mehrere Bewohner befreiter Orte seien gefesselt oder mit Kabeln und Gewehrkolben geschlagen worden, bevor einige erschossen worden seien. Teilweise seien ihre Leichen verstümmelt oder mit verbundenen Augen aufgefunden worden.

Die Bundeswehr spielt bei der Schlacht um Mossul eine wichtige Rolle. In unmittelbarer Nähe zur Front trainieren und bewaffnen bis zu 150 deutsche Soldaten kurdische Peschmerga-Einheiten, die von Norden auf die Stadt vorrücken. Nach eigenen Angaben hat Deutschland seit 2014 über 2200 Tonnen an Waffen, Munition und anderer militärischer Ausrüstung an die irakischen Kurden geliefert. Bereits im vergangenen April warf Amnesty International den kurdischen Milizen vor, „tausende Häuser […] geplündert, angezündet, in die Luft gesprengt oder mit Planierraupen zerstört“ zu haben.

Niels Annen, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der im Namen der Regierung im Bundestag für das Mandat warb, besaß dennoch die Chuzpe, den deutschen Kriegseinsatz als „humanitären Beitrag“ zu bezeichnen.

Er kenne „kein anderes europäisches Land, das sich in den letzten Wochen und Monaten so dafür eingesetzt hat, dass die Abfederung der schon heute sichtbaren Konsequenzen dieser Offensive […] gelingt,“ fügte er zynisch hinzu. „Schon bei der Vorbereitung dieser Operation“ habe Deutschland „mitgeholfen, dass Flüchtlingseinrichtungen aufgebaut wurden und dass Mittel dafür bereitstehen, dass die befreiten Gebiete Wasser haben, dass es eine Gesundheitsversorgung gibt und dass die Infrastruktur wiederaufgebaut wird.“

In Wirklichkeit baut die Bundeswehr nicht die „Infrastruktur“ oder gar „eine Gesundheitsversorgung“ auf, sondern verbreitet Chaos und Terror! Am deutlichsten sichtbar wird das in Afghanistan, wo die Bundeswehr seit mittlerweile 15 Jahren im Einsatz ist. Am Freitag detonierte eine Bombe vor dem deutschen Generalkonsulat in Masar-i-Sharif, die mindestens sechs Menschen tötete und mehr als hundert verletzte. Die Taliban bezeichneten den Angriff als eine Vergeltungsaktion für einen Luftangriff der westlichen Besatzungstruppen am 3. November in Kundus, der mindestens 30 Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, in den Tod gerissen hatte.

Die deutschen Streitkräfte reagieren mit brutaler Gegengewalt. Nach dem Anschlag traf die Quick Reaction Force, die Eingreiftruppe der NATO-Mission Resolute Support aus dem von Deutschland geführten Feldlager Camp Marmal vor dem Konsulat ein. Kurz darauf erschossen deutsche Soldaten zwei afghanische Motorradfahrer, die sich dem Anschlagsort genähert und angeblich auch auf Warnungen hin nicht angehalten hatten.

Statt innezuhalten und den Wahnsinn der deutschen Auslandseinsätze zu beenden, nutzt die deutsche Regierung nun die Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump als Vorwand, um den deutschen Militarismus voranzutreiben.

Annen appellierte in seiner Rede an die Abgeordneten: „Ich hoffe, dass der Bundestag deutlich machen wird, dass sich unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, mit den Soldatinnen und Soldaten, die wir entsendet haben, und mit den Fähigkeiten, die wir bereitstellen wollen […] als Teil dieser Koalition empfindet, dass wir Verantwortung übernehmen und dass wir uns – gerade angesichts der Wahl in den Vereinigten Staaten und der Verunsicherung, die dieses Wahlergebnis ausgelöst hat – als verlässlicher Partner präsentieren wollen. Das ist wichtiger denn je.“

Grüne und Linkspartei votierten aus taktischen Gründen zwar gegen den Antrag, stimmen mit der Forderung nach einer eigenständigeren deutschen Außen- und Militärpolitik aber überein. So jubelte der Obmann der Linkspartei im Auswärtigen Ausschuss des Bundestag, Stefan Liebich, bereits am Wahlabend über die Aussicht auf eine aggressivere deutsche Großmachtpolitik.

Deutschland und Europa müssten „künftig außenpolitisch stärker, eigenständiger, selbstbewusster auftreten“, erklärte Liebich. Die Zeiten, in denen man sich an den USA orientiere, seien nun vorbei. „Jetzt geht es darum, die europäische Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken. … Wir werden künftig lauter und deutlicher Nein sagen zu dem, was Washington will. Es ist jetzt Schluss mit der Leisetreterei.“

Das hält die Linkspartei natürlich nicht davon ab, falls notwendig auch eng mit den USA zusammenzuarbeiten, um die wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen Deutschlands im Nahen und Mittleren Osten durchzusetzen. Am Freitag veröffentlichte das Neue Deutschland ein Propaganda-Interview mit dem Peschmerga-Brigadegeneral Hazhar Omar Ismail, „der erste in den USA ausgebildete kurdische Militär“. Dieser habe 2013 „seinen Abschluss am Pennsylvania Military College“ gemacht, bemerkt das Linkspartei-Blatt. Nun koordiniert er in enger Zusammenarbeit mit den Westmächten die Offensive gegen Mossul.

Loading