Lebhafte Diskussion auf IYSSE-Veranstaltung zur US-Wahl an der Humboldt-Universität

Fast 100 Studierende besuchten am Mittwoch eine Veranstaltung der Hochschulgruppe der International Youth and Students for Social Equality zum Thema „Die Wahl Trumps – Politische Ursachen und Lehren“ an der Berliner Humboldt-Universität. Die große Resonanz und die intensive Diskussion auf der Veranstaltung zeigen, dass sich eine neue Generation von jungen Arbeitern und Studierenden radikalisiert und nach einer politischen Perspektive sucht, um den Kampf gegen Reaktion und Krieg zu führen. 

Die Versammlung an der Humboldt-Universität

Nach dem einleitenden Bericht von WSWS-Redakteur Johannes Stern, über den wir bereits berichtet haben, beteiligten sich viele überwiegend sehr junge Studierende an der Diskussion und hinterließen im Anschluss an die Veranstaltung ihre Kontaktdaten. Dabei kam eine Vielzahl von Fragen auf.

So wurde intensiv darüber diskutiert, inwieweit man den Aufstieg Trumps mit der Entwicklung zu Faschismus und Krieg in den 1930er Jahren vergleichen könne.

Johannes Stern bemerkte dazu, dass Trump nicht aus einer Münchner Bierhalle kam, sondern direkt von der Wall Street. Sein Aufstieg sei zwar ähnlich wie der Hitlers in Deutschland das Ergebnis einer tiefen Krise des Kapitalismus, auf die die herrschende Elite mit einer Rechtswende reagiere. Man müsse aber auch sehen, „dass Trump anders als Hitler nicht an der Spitze einer faschistischen Massenbewegung an die Macht kam, sondern unter Bedingungen, wo sich Arbeiter und Jugendliche eigentlich nach links orientieren, es aber noch keine internationale, revolutionäre, anti-kapitalistische und sozialistische Massenbewegung gibt“.

Verantwortlich dafür seien vor allem die Gewerkschaften und die offizielle Linke. „Sie haben in Wirklichkeit nichts mit ‘linker’ Politik zu tun, sondern vertreten die Interessen wohlhabender Mittelschichten, die sich auf verschiedene Formen der Identitätspolitik stützen.“ Für die Interessen der Arbeiter hätten sie nur Verachtung übrig. Damit ermöglichten sie es extrem rechten und nationalistischen Kräften, die wachsende soziale Wut auszuschlachten.

Peter Schwarz, der Chefredakteur der deutschen Ausgabe der World Socialist Web Site, ergänzte aus dem Publikum, dass man die Gefahr einer Trump-Regierung auf keinen Fall unterschätzen dürfe. Auch wenn Trump noch keine faschistische Massenbewegung anführe, könnten sich die Kräfte, die er mobilisiert habe, schnell in diese Richtung entwickeln. Es gehe „weniger um die Frage seiner Person als darum, dass unter den enormen sozialen Spannungen die Demokratie zusammenbricht“. Trotzki habe die Demokratie einmal mit einer Sicherung verglichen, die durchbrenne, wenn die sozialen Spannungen zu stark würden. Genau das habe mit der Wahl von Trump stattgefunden.

Auf die Frage eines Teilnehmers, ob denn wirklich eine sozialistische Revolution nötig sei und es nicht doch eine weniger radikale Alternative gäbe, um die Situation zu entschärfen, erwiderte Schwarz: „Ist es möglich, die Probleme der sozialen Ungleichheit und des Kriegs zu lösen, ohne die Grundlage des kapitalistischen Systems, das Privateigentum an den Produktionsmitteln und die ungeheure Macht des Finanzkapitals, anzugreifen? Die ganzen letzten 25 Jahre haben bewiesen, dass dies nicht geht. Man braucht ein sozialistisches Programm, und das kann man nur durchsetzen, wann man dafür Unterstützung gewinnt und die Arbeiterklasse mobilisiert. Das ist die zentrale Aufgabe.“

Sven Wurm

In seinem Schlusswort appellierte der Veranstaltungsleiter und Sprecher der IYSSE-Hochschulgruppe an der HU, Sven Wurm, an die Studierenden: „Wir können uns nicht aussuchen, in welcher Zeit wir leben. Ob wir es wollen oder nicht: wir gehen wieder in Zeiten von Krieg und Revolution und müssen uns darauf vorbereiten.“

Im Mittelpunkt der Arbeit der IYSSE stehe dabei vor allem auch der Kampf gegen Kriegspropaganda an den Universitäten. Wurm verwies auf den offenen Brief der IYSSE an Prof. Thomas Sandkühler, der Studierende in seinen Kursen dazu aufgerufen habe, keine Veranstaltungen der IYSSE zu besuchen. „Wir erklären in dem Brief, wie er damit im Kern die rechten militaristischen und ausländerfeindlichen Positionen Jörg Baberowskis verteidigt und jede Diskussion über die ideologische Vorbereitung von Krieg und Diktatur an der HU selbst unterdrücken will.“

Die Hochschulgruppe der IYSSE lasse sich dadurch jedoch nicht einschüchtern, sondern setze ihre Arbeit verstärkt fort. Bereits auf der nächsten Sitzung des Studierendenparlaments am Montag werde sie einen Antrag dagegen einreichen, dass die Bundeswehr an der HU um Nachwuchs wirbt.

Im Anschluss an die Veranstaltung sprach Katja, ein Mitglied der IYSSE-Hochschulgruppe und Abgeordnete im Studierendenparlament, mit zwei Studentinnen der Deutschen Literatur und Philosophie an der HU, Céleste und Alessia.

„Ich finde es gut, dass die Leute mobilisiert und wachgerüttelt werden,“ sagte Céleste. Sie sei „relativ sprachlos über die Wahl von Trump, er ist eine Witzfigur.“

Alessia ergänzte: „Was sagt es über die Menschheit aus, wenn nach all dem, was in der Geschichte vorgefallen ist, wenn nach 80 Jahren so ein Mensch an die Macht kommt... Man kann es gar nicht fassen, dass auch hier die AfD solche Stimmengewinne bekommen konnte.“ Der Rechtsdrang in Europa und auf der ganzen Welt sei „extrem beunruhigend“.

Zur Veranstaltung selbst sagte sie: „Ich finde es auch sehr gut, dass man wachgerüttelt wird und dass es diese Diskussion gibt. Man sollte die Wahl Trumps, wie ja heute gesagt wurde, nicht verharmlosen. Obama hat jetzt gesagt, er wird dafür sorgen, dass ein reibungsloser Übergang stattfindet. Aber das ist doch nur Politik. Trump hat in seinem Wahlkampf ganz anders dahergeredet. Abgesehen von seinen rassistischen Kommentaren hat er auch sehr frauenfeindliche Positionen vertreten. Das ist nicht nur frauenfeindlich, sondern menschenverachtend.“

Insgesamt sei „das ganze System völlig zerrüttet“, fuhr Alessia fort. „Der Trugschluss an diesem demokratischen System in Amerika ist, dass es nur zwei Parteien zur Auswahl gibt und nichts dazwischen.“ Die Demokraten könne sie auch „nicht richtig ernst nehmen“, auch wenn sie „viel lieber Clinton an der Spitze gesehen hätte als Trump“.

Auf Clintons rechte Politik als Vertreterin der Wall Street und des amerikanischen Militarismus angesprochen, wurde sie nachdenklicher: „Ja, vielleicht würde die Politik dann einfach unter einem Deckmantel von einer demokratischen Ideologie durchgeführt werden. Die Repräsentationsfigur wäre mit Clinton dann vielleicht eine andere, aber die Fakten bleiben wahrscheinlich dann doch sehr ähnlich.“

Die Sprache kam auf den Nato-Bombenkrieg gegen Libyen, bei dem Clinton eine zentrale Rolle gespielt hat. „Das ist eine Katastrophe. Sie sind einfach nach Libyen, haben Gaddafi abgeschossen und sind dann wieder weg“, erklärte Alessia wütend. „Der Staat ist völlig zerrüttet, es gibt überhaupt keine Führung. Und dann wundern sich alle, dass Tausende von Menschen versuchen nach Europa zu gelangen. Nach der jahrelangen Sabotage dieser Länder ist das jetzt die Quittung. Und dann regt man sich auf.“

Céleste zeigte sich besorgt über die wachsende Gefahr eines Dritten Weltkriegs unter Trump. „Amerika finanziert sich über Krieg. Wenn jetzt so ein cholerischer Mensch quasi der oberste Mann der Welt ist, muss man das [einen nuklearen Krieg] vielleicht durchaus in Erwägung ziehen.“ Alessia ergänzte: „Trump hat auch immer gesagt, dass man den IS ausschalten müsse usw. Das Risiko von Krieg ist jetzt noch viel höher als unter Obama. Das ist eine furchtbare Entwicklung.“

Beide äußerten ihre Unterstützung für die revolutionäre Perspektive, die auf der Veranstaltung diskutiert worden war. „Prinzipiell finde ich das auch eine gute Idee“, so Alessia. „Aber ich stelle mir die Umsetzung etwas schwierig vor. Es wirkt alles extrem kontrolliert, die ganzen Überwachungssysteme...“. Sie glaube auch, dass „die Massen sich oftmals ein Stück weit selbst unterschätzen, obwohl sie eigentlich viel mehr sind als die Politiker an der Spitze, und dass sie denken, sie hätten eh nichts zu sagen und seien eh in der Minderheit.“

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