Kämpfe um Mossul im Nordirak verschärfen sich

Die Offensive zur Rückeroberung der nordirakischen Stadt Mossul und der umliegenden Städte und Dörfer vom Islamischen Staat (IS) dauert nun schon fünf Wochen an.

Die Streitmacht unter der Führung der USA besteht aus zunehmend zerstrittenen bewaffneten Kräften, darunter 30.000 Soldaten der irakischen Armee, 15.000 Peschmerga-Soldaten der Autonomen Region Kurdistan (KRG), tausenden sunnitischen und christlichen arabischen Kämpfern, vom türkischen Militär unterstützten turkmenischen Milizen und bis zu 20.000 schiitischen Milizionären.

Die schiitischen Milizen sind als „Volksmobilmachungskräfte“ (PMF) bekannt und mit den fundamentalistischen Parteien verbündet, welche die amerikanische Marionettenregierung in Bagdad unterstützen. Ihr Ziel ist es, die Stadt Tal Afar 60 Kilometer westlich von Mossul nahe der syrischen Grenze zu besetzen, deren Bevölkerung überwiegend turkmenischstämmig ist, und so die Fluchtrouten der IS-Kräfte zu ihrer syrischen Hauptstadt Rakka abzuschneiden. Am 16. November haben die PMF den Flughafen von Tal Afar eingenommen, und in den letzten vierundzwanzig Stunden standen ihre Kämpfer laut eigenen Angaben kurz davor, die Stadt vollständig einzukreisen.

Die türkische Regierung, die sich als Verteidigerin der turkmenischen Iraker sieht, hat erneut mit einem Einmarsch im Irak und einem Angriff auf die größtenteils arabischen Schiitenmilizen gedroht, wenn sie in Tal Afar „Terror verbreiten.“ Den PMF wird vorgeworfen, sie hätten bei Operationen gegen den IS in den westirakischen Städten Falludscha und Ramadi religiös motivierte Morde verübt und sunnitische Zivilisten misshandelt. Um die Türkei zu beruhigen, wurden Einheiten der irakischen Armee geschickt, die einen Angriff auf Tal Afar anführen sollen.

Spezialeinheiten der irakischen Regierung behaupten, sie würden langsam und gegen erbitterten Widerstand die IS-Kämpfer aus den östlichen Vororten von Mossul vertreiben und seien noch acht Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Der Norden der Stadt wird von kurdischen Peschmerga-Kämpfern abgeriegelt. Im Süden ist die irakische Armee auf etwa zwanzig Kilometer auf Mossul vorgerückt. Allerdings kontrolliert der IS weiterhin einen Großteil der Stadt.

Das US-Militär hat zugegeben, dass hunderte von amerikanischen Soldaten an den Kämpfen teilnehmen. Angeblich kämpfen auch britische und australische Truppen an der Seite der irakischen Streitkräfte.

Der Sprecher der US Army, Colonel John Dorrian, erklärte letzte Woche vor der Presse, amerikanische Green Berets und andere Spezialkräfte befänden sich „mitten in einer erbitterten Schlacht“. Dorrian erklärte: „Es steht außer Frage, dass sich amerikanische Berater in Gefahr begeben... Es ist nicht unsere Aufgabe, Gebiete zu besetzen oder auf den Feind vorzurücken, aber wir gehen überall hin, wo uns die Iraker bei ihrem Vormarsch brauchen.“

Der IS hatte Mossul im Juni 2014 erobert und versucht jetzt, durch eine Reihe von Verteidigungsmaßnahmen den Angriff zu verlangsamen und möglichst viele Angreifer zu töten. Er hat ein Netzwerk von Tunneln unter der Stadt gebaut, Gebäude und Fahrzeuge mit Sprengstoff präpariert und Minenfelder ausgelegt. In einer Propagandameldung erklärte der IS, er sei für 124 Selbstmordanschläge auf feindliche Panzer, Panzerfahrzeuge und Stellungen verantwortlich. In der gleichen Meldung hieß es auch, IS-Kämpfer hätten etwa 2.700 irakische Soldaten und Peschmerga-Kämpfer getötet.

Amerikanische, britische, französische, australische, kanadische und irakische Flugzeuge greifen ständig angebliche IS-Stellungen, Kommandozentren und Nachschubdepots an. Da in Mossul eine Million bis eineinhalb Millionen Zivilisten festsitzen, darunter bis zu 600.000 Kinder, wird es unweigerlich zu zahlreichen Todesopfern kommen.

Das US-Militär und die irakische Regierung werfen dem IS weiterhin vor, er benutze Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ und ermorde hunderte seiner eigenen Kämpfer sowie Zivilisten, die sich seinen Befehlen widersetzen.

Die diversen Fraktionen der Anti-IS-Koalition haben noch keine Schätzung der eigenen oder der zivilen Opferzahlen veröffentlicht. Die einzige Schätzung stammt vom IS selbst: angeblich wurden mindestens 340 Unbeteiligte durch Luftangriffe getötet und weitere 1190 verwundet.

Laut der jüngsten Schätzung der Vereinten Nationen konnten bisher kaum 60.000 Zivilisten aus den Kampfgebieten fliehen, die meisten davon aus Gemeinden im Umfeld der Stadt. Adrian Edwards, ein Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks, erklärte am 18. November: „In den letzten Wochen hat sich die Zahl der Geflüchteten erhöht, da sich die Kämpfe in den dichter bevölkerten Stadtgebieten von Mossul verschärft haben.

Über die Zustände in der Stadt erklärte Edwards: „In einigen Gebieten ist die zivile Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung, Schulen und Krankenhäuser, beschädigt, medizinische Versorgung ist oft nicht vorhanden. Viele müssen hungern, weil sie ihre Lebensgrundlagen verloren haben, die Lebensmittelproduktion eingeschränkt ist und die Preise gestiegen sind. Die Versorgung mit Trinkwasser und zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen ist gestört.

Angesichts des Wintereinbruchs und der sinkenden Temperaturen bitten Hilfsorganisationen um mehr Mittel, um mit der Welle von Vertriebenen fertigzuwerden, die sie bei einem weiteren Vorrücken der Offensive auf das Gebiet von Mossul erwarten. Laut einer Erklärug des UN-Flüchtlingshilfswerks sind bei maximalem Einsatz aller Kapazitäten nur Notunterkünfte und Hilfsmittel für 700.000 Menschen vorhanden. Wenn mehr Menschen die Stadt verlassen müssen, droht eine humanitäre Katastrophe.

Der irakische Außenminister Ibrahim al-Jafaari, der sich zu Gesprächen mit der deutschen Regierung in Berlin aufhielt, erklärte am Montag vor der Presse, der Irak „erwarte“ von einer US-Regierung unter Donald Trump, dass sie nach ihrer Amtsübernahme die Offensive in gleichem Ausmaß fortführen wird. Er erklärte: „Diese Strategien ändern sich nicht mit den Präsidenten. Abkommen werden unterzeichnet und sind dann für alle Beteiligten bindend.“ Weiter erklärte er, nach der Rückeroberung von Mossul erwarte er von Präsident Trump beträchtliche finanzielle Hilfsmittel für den „Wiederaufbau.“ Ein Großteil der Stadt wird dann vermutlich in Schutt und Asche liegen.

Eine der ersten außenpolitischen Aufgaben der Trump-Regierung wird es sein, sich mit der wachsenden Spannung zwischen der schiitisch dominierten irakischen Regierung in Bagdad und der autonomen Kurdenregierung über das Schicksal des Nordirak auseinanderzusetzen.

Letzte Woche erklärte der Präsident der KRG, Massud Barzani, seine kurdische Regierung werde einen Teil des Territoriums, das ihre Streitkräfte im Kampf gegen den IS besetzt haben, nicht zurückgeben. Angeblich würden sie dabei von den USA unterstützt. Zu den wichtigsten Gebieten, die die KRG kontrolliert und dauerhaft unter ihre Herrschaft bringen will, gehören einige Dutzend Dörfer im Westen und Norden von Mossul und die ganze ölreiche Provinz Kirkuk und deren gleichnamige Hauptstadt. Human Rights Watch veröffentlichte in diesem Monat einen Bericht, laut dem kurdische Peschmerga-Kämpfer in den letzten zwei Jahren hunderte von Häusern und ganze Dörfer zerstört haben, um die arabischstämmige Bevölkerung zur Flucht zu zwingen.

Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi wies Barzanis Anspruch auf die Kontrolle über Gebiete außerhalb der offiziellen Grenzen der KRG zurück und erklärte, das Abkommen über militärische Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS sehe „den Abzug aller Peschmerga-Einheiten aus den befreiten Gebieten nach der Befreiung von Mossul“ vor.

Baqir Jabir Solaq, ein Anführer der vom Iran unterstützten Partei Oberster Islamischer Rat im Irak, einer der größten schiitischen Parteien, äußerte sich am Montag zu Barzanis Äußerungen und verdeutlichte das Potenzial für offene Konflikte und bewaffnete Zusammenstöße. Er drohte in den Medien, die schiitischen Milizen würden die kurdischen Kräfte aus dem von ihnen besetzten Gebiet vertreiben.

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