Trotz Kriegsdrohungen hofft der Kreml auf bessere Beziehungen zu den USA

Der Kreml begrüßte die Wahl von Donald Trump, da er hofft, dass dieser die Spannungen zwischen Moskau und Washington abbauen und eine Annäherung auf der Basis gemeinsamen Handelns im „Krieg gegen den Terror“ ermöglichen wird. Gleichzeitig breitet sich in Russland allerdings die Einsicht aus, dass die zukünftige Trump-Regierung einen „unberechenbaren“ Charakter haben wird. Trump hat bereits sehr rechte Persönlichkeiten in seine Auswahl berufen, die den in amerikanischen herrschenden Kreisen allgegenwärtigen russlandfeindlichen Kurs vertreten.

Der Kreml berichtete von einem Telefongespräch zwischen Wladimir Putin und Trump, in dem beide Seiten darüber übereingestimmt hätten, dass sich „die bilateralen Beziehungen in einem absolut unbefriedigenden Zustand“ befänden und „ihre Normalisierung“ notwendig sei. Außerdem betonte man die Wichtigkeit „konstruktiver Zusammenarbeit“.

„Es gibt ein gemeinsames Politikverständnis“ zwischen den beiden, sagte Außenminister Sergei Lawrow am Freitag in Perus Hauptstadt Lima während des Spitzentreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC). „Sobald Donald Trump die Macht offiziell in seine Hände genommen hat, wird das Ziel sein, diesen Geist in die Sprache praktischen Handelns zu übersetzen“, ergänzte er.

Lawrow zeigte sich enttäuscht über Präsident Barak Obamas Aufforderung an Trump, Washingtons aktuelle Politik gegenüber Russland fortzusetzen. Er sagte, die Beziehungen zwischen den beiden Staaten seien „niemals schlechter gewesen.“

Unmittelbar nach Trumps Wahlerfolg erklärte der russische Premierminister Dmitri Medwedew, seine Regierung respektiere die „souveräne Wahl des amerikanischen Volkes.“ Am selben Tag bezeichnete die Online-Nachrichtenagentur Gazeta.ru die Wahl als einen Schlag gegen „die Welle des Anti-Kreml-Materials“, die von der amerikanischen Mainstream-Presse ausgelöst worden sei und Russland der „Destabilisierung der Situation in den Vereinigten Staaten“ bezichtige. Wie das Nachrichtenmagazin berichtete, hieß es in sozialen Medien in Russland: „Am Donnerstag (dem 9. November) wachten die Russen in einem anderen Land auf.“

Gemäß dem Umfrageinstitut VTsIOM erwarten 46 Prozent der russischen Bevölkerung infolge von Trumps Wahlsieg eine Verbesserung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Der halbfaschistische Kandidat der Republikaner wurde in den russischen Medien als eine russlandfreundliche Persönlichkeit präsentiert, die der interventionistischen Politik der gegenwärtigen Obama-Regierung feindlich und der rechten Ideologie des Kreml freundlich gesinnt sei.

Die russische Regierung erhofft sich von Trumps Machtübernahme eine andere amerikanische Syrien-Politik und einen möglichen Stopp des Stellvertreterkrieges zum Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, Moskaus einzigem arabischen Verbündeten. Die islamistischen Kräfte, die als Instrument imperialistischer Politik kultiviert werden, sind auch im russischen Kaukasus und in mit Russland verbündeten zentralasiatischen Staaten aktiv.

Konstantin Kosatschew, Vorsitzender des Komitees für Internationale Beziehungen in der russischen Staatsduma, sagte kürzlich der Zeitung Iswestija: „Die strategischen Interessen der Vereinigten Staaten bezüglich Syriens wandeln sich gerade, denn bisher hatte nicht die Unterdrückung von Terrorismus Priorität, sondern die Verdrängung der Regierung des Landes. Veränderungen dieser Art stimmen mit Trumps Wahlaussagen überein. Er sagte, die Vereinigten Staaten würden die Interventionen in innere Angelegenheiten anderer Staaten beenden. Wenn dies tatsächlich geschieht, dann sehe ich überhaupt nicht, was Russland und die Vereinigten Staaten daran hindern könnte, gemeinsam in einer Koalition mitzuarbeiten, die ihre Handlungen strikt auf die Normen des Völkerrechts gründen würde.“

Gleichzeitig glaubt der Kreml, er könne von der möglichen Schwächung der Nato profitieren, die Trump während seines Wahlkampfes sigalisiert hatte. Moskau fasst die Expansion des Militärbündnisses bis an die russische Grenze als eine existenzielle Bedrohung auf. Die Erklärung des Kreml vom Montag, in Kaliningrad S-400-Boden-Luft-Raketen und das atomwaffenfähige Iskander-Raketensystem zu stationieren, soll Moskaus Bereitschaft signalisieren, der Nato militärisch entgegenzutreten.

In der Bestürzung, die das Ergebnis der amerikanischen Wahlen in den europäischen Hauptstädten ausgelöst hat, sowie in dem Graben, der sich daraufhin zwischen Washington und Europa auftat, erblickt der Kreml neue politische Möglichkeiten. Ungeachtet ihres Säbelrasselns ist die russische herrschende Elite eine schwache und käufliche soziale Klasse, die für die Bewahrung ihres Reichtums vollkommen von der globalen Wirtschaft abhängig ist. Sie versucht, ihre Position durch Entgegenkommen an die imperialistischen Mächte sicherzustellen und zwischen ihren Interessenskonflikten zu manövrieren.

Außerdem hoffen die russischen Eliten, die kommende Trump-Regierung werde, da sie selbst eine offen chauvinistische und antidemokratische Haltung demonstriere, damit aufhören, Druck auf Moskau wegen Menschenrechtsverletzungen hinsichtlich der Behandlung von Homosexuellen, Einwanderern, nationalen Minderheiten und weiteren Bevölkerungsteilen auszuüben. Die Obama-Regierung nutzte diese Thematik in ihrer Kampagne gegen Russland, um ihre imperialistische Politik auf zynische und heuchlerische Weise so darzustellen, als ob sie von der leidenschaftlichen Sorge um das Wohl unterdrückter Menschen geleitet sei.

Der Konflikt zwischen Russland und den Vereinigten Staaten ist aber nicht einfach das Produkt von Eigenheiten bestimmter Fraktionen der amerikanischen herrschenden Klasse. Er ist Ausdruck der verzweifelten Anstrengungen des US-Kapitalismus, seine globale Hegemonie mittels Eroberungen wiederherzustellen. Dieses geisteskranke Projekt bringt ihn objektiv auf Kollisionskurs mit Russland. Russlands Herrschaft über große Teile der eurasischen Landmasse ist in den Augen der Vereinigten Staaten eine nicht zu tolerierende Einschränkung ihres Verlangens, Märkte, Ressourcen und Handelswege zu kontrollieren.

Die Vorstellung, die künftige Trump-Regierung werde dem russischen Regime eine Rettungsleine zuwerfen, ist illusionär. Der designierte Präsident erwägt, Personen auf Spitzenregierungsposten zu berufen, deren ausgesprochen russlandfeindliche Einstellungen kein Geheimnis sind.

Mitt Romney, der sich übers Wochenende mit Trump traf, um über den Posten des Außenministers zu diskutieren, hatte die Obama-Regierung angegriffen, weil sie seiner Meinung nach nicht hart genug gegen Russland vorging. Während seiner Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2012 bezeichnete er Russland als „fraglos unseren geopolitischen Gegner Nummer eins.“

Der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, ein weiterer Anwärter auf diese Stelle, bemerkte vor kurzem: „Russland denkt, es sei ein militärischer Wettbewerber. In Wirklichkeit ist es das nicht. Es ist unser eigener Unwille, mit dem Einsatz von Militär zu drohen, der Russland so mächtig macht.“

Mike Pompeo, Trumps Wahl für den Posten des CIA-Direktors, wird gleichermaßen als anti-russischer Falke betrachtet. Er bezeichnete die Idee, Russland wolle den IS in Syrien besiegen, als ein „fundamental falsches Narrativ“ und insistierte darauf, dass Moskau bestrebt sei, sich neue Geltung im Nahen Osten zu verschaffen. Ebenso wie Romney denkt er, Präsident Obama habe zu weich gegenüber Russland gehandelt. Mit dieser Position steht er in Einklang mit dem Großteil des amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparates.

Ebenso wie die Demokraten sind auch machtvolle Fraktionen der Republikanischen Partei Moskau gegenüber feindselig eingestellt. Vergangene Woche warnte Senator John McCain, der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses im Senat, Trump vor dem Versuch, die Beziehungen zu Russland zu verbessern. „Wir sollten genau so viel Vertrauen in solche Stellungnahmen haben, wie in alle anderen, die von einem KGB-Agenten stammen, der sein Land in die Tyrannei warf, seine politischen Gegner ermordete, seine Nachbarn überfiel, Amerikas Verbündete bedrohte und versuchte, die amerikanischen Wahlen zu unterhöhlen,“ sagte er.

Trotz der positiven Reaktion des Kremls auf Trumps Wahl beschreiben politische Persönlichkeiten und Medienkommentatoren in Russland wie den Vereinigten Staaten die zukünftigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern als nicht vorhersagbar und konfliktbeladen.

In seinen Anmerkungen zu Trumps Sieg stimmte Premierminister Medwedew einen vorsichtigeren Ton an, als er bemerkte, ein Großteil hänge davon ab, inwieweit der designierte Präsident „in der Lage sein wird, diejenigen Prioritäten zu bewahren, über die er während seiner Wahlkampagne gesprochen hat.“

Generalmajor Alexander Wladimirow, Präsident des russischen Kriegsexpertenrates, betonte, das Beste worauf man hoffen könne, sei die Rückkehr zur Atomwaffenkontrolle und „die Abwendung einer Situation, wo man am Rande eines Kriegsausbruches steht.“

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