Trump führt Obamas undemokratisches Erbe fort

Im Wahlkampf hatte der republikanische Senator John McCain seine Unterstützung für Trump mit den Worten gerechtfertigt: „Ich glaube noch immer, dass wir die nötigen staatlichen Institutionen haben, um jemanden daran zu hindern, seine verfassungsgemäßen Verpflichtungen zu übertreten.“

Auch Obama versuchte auf seiner letzten Europareise, die Angst vor einem Präsidenten Trump zu beschwichtigen. Er behauptete, die „weihevolle Schwere des Amts“ werde den künftigen Präsidenten im Zaum halten. Als Hillary Clinton ihre Niederlage eingestand, versuchte sie ebenfalls, ihr Publikum mit Verweisen auf die „konstitutionelle Demokratie“ und den „Rechtsstaat“ zu beruhigen.

In Wirklichkeit übergibt Obama Trump die Zügel eines Staatsapparats, in dem die juristischen und verfassungsmäßigen Beschränkungen der Exekutivgewalt nichts mehr gelten, und der „Rechtsstaat“ nur noch eine leere Phrase ist. Dass McCain, Obama und Clinton sich zu diesen Beteuerungen gezwungen sehen, macht die große Gefahr nur umso deutlicher.

Vor fünfzehn Jahren begann die Bush-Regierung ihren Angriff auf demokratische Rechte und Institutionen unter dem Deckmantel des sogenannten „Kriegs gegen den Terror“, der von Obama weiter verschärft wurde. Die künftige Trump-Regierung verfügt damit über Vollmachten, die Bevölkerung zu überwachen, ermorden und foltern zu lassen, Abweichler zu verfolgen und Kriege zu führen.

Hier eine unvollständige Auflistung der Vollmachten, die nun der extremen Rechten zur Verfügung stehen werden:

Unbegrenzte Überwachung

Der Whistleblower und ehemalige Mitarbeiter der National Security Agency (NSA), Edward Snowden, veröffentlichte ab 2013 zusammen mit WikiLeaks und den Journalisten Glenn Greenwald und Laura Poitras eine Reihe von Enthüllungen. Zum Vorschein kam ein enormer illegaler Apparat zur Überwachung der amerikanischen Bevölkerung, dessen Ausmaß jede totalitäre Diktatur des zwanzigsten Jahrhunderts vor Neid erblassen ließe.

Der riesige Überwachungsapparat der US-Regierung zeichnet Telefonate, E-Mails, Internetbrowseraktivitäten, Online-Suchanfragen, Textnachrichten, Handydaten, Fotos, GPS-Daten, Flugzeugtickets, Kreditkartentransaktionen, Bankkonten, Aktivitäten in sozialen Netzwerken, Krankendaten, Strafzettel, Gesichtserkennungsdaten, politische Aktivitäten und Onlinegeschäfte auf und sammelt sie. Eine interne PowerPoint-Folie der NSA bringt die Verachtung der Behörde für verfassungsmäßige und juristische Grundrechte in folgender Formel auf den Punkt: „Alles ausschnüffeln, alles sammeln, alles wissen, alles verarbeiten, alles nutzen.“

Die Obama-Regierung reagierte auf diese Enthüllungen, indem sie Snowden verfolgte und gegen ihn hetzte, die Bevölkerung über das Ausmaß der Überwachung belog und schließlich oberflächliche Reformen und Richtlinien veröffentlichte, die das Programm aber im Wesentlichen intakt ließen. Sie ließ für zwei Milliarden Dollar ein riesiges Datenzentrum in Bluffdale (Utah) errichten. Darin sind alle Informationen gespeichert, die die NSA weiterhin über amerikanische Staatsbürger sammelt.

Ab dem 20. Januar 2017 wird die Trump-Regierung die Kontrolle über diesen Überwachungsapparat und alle bisher gesammelten Informationen haben.

Staatliche Morde

Das illegale Drohnenmord-Programm der Obama-Regierung hat zehntausende Todesopfer in Afghanistan, Pakistan, dem Jemen, Somalia und vielen weiteren Ländern gefordert. Im September 2011 stimmte Obama der Ermordung eines amerikanischen Staatsbürgers zu, des fundamentalistischen Geistlichen Anwar al-Awlaki, der sich damals im Jemen aufhielt. Dieser Mord war ein offener Verstoß gegen amerikanisches und internationales Recht, wurde aber zum Präzedenzfall: Der Präsident der USA kann nach eigenem Ermessen, ohne Anklage oder Prozess Todesurteile gegen amerikanische Staatsbürger fällen. Obamas Justizminister Eric Holder erklärte in einer späteren Rede, der Präsident könne auch die Ermordung amerikanischer Staatsbürger auf amerikanischem Boden anordnen (Siehe: US-Justizminister verteidigt Militärtribunale und staatliche Morde“).

Bald werden Amerikas Predator-Drohnenstaffeln auf Trumps Befehl hin starten und ihre Hellfire-Raketen verschießen.

Folter

Im Dezember 2014 wurde die Zusammenfassung eines Berichts des Geheimdienstausschusses im Senat über ein Folterprogramm der CIA veröffentlicht, das bereits seit 2001 besteht. Der Bericht enthält nicht nur extrem grauenhafte und sadistische Details über das Programm, in dem u.a. eine als „rektale Fütterung“ bezeichnete Folter angewandt wurde, sondern enthüllt auch die systematische Vertuschung des Programms von den höchsten Ebenen der Bush- und Obama-Regierung abwärts.

Die Obama-Regierung hat von Anfang an sämtliche Versuche unterbunden, die Kriegsverbrecher der Bush-Ära vor Gericht zu bringen. Einige von ihnen hatten sogar Posten in der Obama-Regierung inne. Als Rechtfertigung diente ihr hierbei das Mantra „nicht zurück, sondern nach vorne blicken.“ Gleichzeitig verhinderten Obamas Anwälte unter Berufung auf die „Staatsgeheimnis“-Doktrin Gerichtsverfahren, die Folter entlarvt hätten. Als der Bericht des Geheimdienstausschusses fertig vorlag, tat die Obama-Regierung alles in ihrer Macht Stehende, um ihn abzublocken und zu unterdrücken. Sie verteidigte u.a. CIA-Direktor John Brennan, der gegen Recht und Verfassung die Computer der Ausschuss-Ermittler hacken ließ.

Stattdessen ließ Obama weiter foltern, so zum Beispiel die politische Gefangene Chelsea Manning, vormals Bradley Manning. Das berüchtigte Folterlager Guantanamo Bay, dessen Schließung Obama im Wahlkampf 2008 versprochen hatte, ist weiterhin in Betrieb. Beide Parteien haben die Folterpraktiken gemeinsam vertuscht und legitimiert. Das ist die Situation, in der Präsident Trump die Macht übernehmen wird.

Immunität für die Polizei

Wann immer der Oberste Gerichtshof über Polizeibrutalität verhandeln musste, trat die Obama-Regierung dafür ein, dass Beamte, wie zum Beispiel Polizisten, Immunität genießen sollten. Beispielhaft hierfür war ein Fall im Jahr 2014, in dem der Oberste Gerichtshof mit ausdrücklicher Unterstützung der Obama-Regierung Polizeibeamte aus Arkansas für immun erklärt hatte, die einen unbewaffneten Fahrer und seinen unschuldigen Beifahrer in einem Kugelhagel getötet hatten.

Immunität bedeutet, dass das Gerichtsverfahren ohne Geschworenengericht oder Verhandlung beendet wird. Diese Entscheidungen und die Haltung der Obama-Regierung werden den Staat unter Trump nur noch repressiver machen.

Kriminalisierung von Widerstand und Verfolgung von Whistleblowern

Die Obama-Regierung hat mehr Whistleblower verfolgt und angeklagt als alle früheren amerikanischen Regierungen zusammen. Die Enthüllungen internationaler Intrigen und Kriegsverbrechen durch die Whistleblowerin Chelsea Manning („Cablegate“) wurden von Obama als Straftaten behandelt und rücksichtslos verfolgt (Siehe: „Das Urteil gegen Bradley Manning“). Durch die Präzedenzfälle unter Obama müssen künftige Whistleblower unter Trump mit Folter und jahrzehntelanger Haft rechnen, wenn sie an die Öffentlichkeit treten.

Unkontrollierte Vollmachten des Präsidenten

Unter der Bush- und der Obama-Regierung fand eine Revolution der amerikanischen Rechtssprechung statt, vor allem hinsichtlich der Befugnisse des Präsidenten. Die Anwälte der Bush-Regierung haben tendenziöse und undemokratische Rechtsdoktrinen in das Rechtssystem eingearbeitet, die dem Präsidenten in Kriegszeiten als „Oberbefehlshaber“ erweiterte Notstandsvollmachten gewähren. Laut diesen Theorien und Doktrinen stellt der „Krieg gegen den Terror“ einen nationalen Ausnahmezustand dar. Er rechtfertigt zusätzliche Geheimhaltung, die Aussetzung demokratischer Rechte und die „Unterwerfung“ Aller unter die Entscheidungen der Exekutive.

Diese Positionen gehen auf eine faschistische Rechtssprechung zurück. Doch anstatt mit ihnen zu brechen, hat die Obama-Regierung sich zu ihnen bekannt und sie mehrfach für ihre eigenen Ziele eingesetzt. Die Gesamtwirkung dieser Präzedenzfälle und Positionen führt zu einer dramatischen Schwächung des verfassungsmäßig-demokratischen Systems der gegenseitigen Kontrolle, in dem die Macht des Präsidenten durch die Macht der Legislative und der Justiz ausgeglichen wird.

Gegenwärtig ist unklar, ob die Befugnisse des Präsidenten überhaupt auf irgendeine nennenswerte Weise legal eingeschränkt sind. Schließlich können der Präsident und seine Ausführungsorgane nach eigenem Ermessen amerikanische Staatsbürger ermorden, ungestraft gegen die Bill of Rights verstoßen, Folter vertuschen, Whistleblower einsperren, gegen das Völkerrecht verstoßen und einseitig Kriege gegen andere Staaten beginnen. Es ist daher unklar, ob es irgendetwas gibt, was der Präsident nicht darf.

Und selbst gesetzt den Fall, der Präsident würde etwas Verfassungswidriges unternehmen – wer würde ihn aufhalten? Es ist höchst zweifelhaft, ob die „staatlichen Institutionen“, von denen McCain spricht, noch mächtig genug sein werden, um einen Präsidenten aufzuhalten, der die juristischen Argumente der Bush- und Obama-Regierung zu ihrem logischen Extrem treibt: einer Präsidialdiktatur.

Notstandsvollmachten und Ausnahmezustand

Unter Obama ist es fast schon alltäglich geworden, dass ganze Stadtgebiete unter Kriegsrecht gestellt werden. Während eine Ausgangssperre für die Bevölkerung verhängt wird, führt die Polizei mit Sondervollmachten Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss durch, Bereitschaftspolizei und Soldaten der Nationalgarde besetzen die Straßen und fahren mit Panzern und Militärhubschraubern auf. Beispielhaft hierfür waren die Reaktion auf den Anschlag auf den Boston-Marathon 2013 und die Proteste in Städten wie Ferguson, Missouri und Baltimore nach der Ermordung unbewaffneter Jugendlicher durch die Polizei.

Im Januar 2017 wird ein Mann diese Vollmachten erhalten, der in seinem Wahlkampf versprochen hat, das „weihevolle Amt“ des US-Präsidenten zu nutzen, um neue Foltermethoden einzuführen, Angehörige von angeblichen Terroristen zu ermorden, Millionen Menschen abzuschieben, Kritik an seiner Person durch Reform der Verleumdungsgesetze zu unterbinden, Muslimen die Einreise zu verbieten und sie landesweit „registrieren“ zu lassen, Polizisten gegen Mordanklagen zu schützen und vieles mehr.

Die Demokraten rollen Trump jetzt den roten Teppich aus. Sie versprechen, alles zu tun, damit er „erfolgreich“ sei, wie Obama es formulierte. Trump durchkämmt derweil die Gossen nach den reaktionärsten Gestalten für sein Kabinett, darunter mehrere paranoide Generäle und Extremisten, die für Rassismus und faschistische Ansichten berüchtigt sind.

Sheriff David Clarke, der Polizeichef von Milwaukee County und offenbar Spitzenkandidat für den Posten des Heimatschutzministers, erklärt in seiner bald erscheinenden Autobiografie, „radikalisierte Amerikaner“ sollten wie „Terroristen“ im Krieg gegen den Terror behandelt werden. Das bedeutet, sie könnten entführt und vor geheimen Militärtribunalen ohne Rechtsbeistand angeklagt, auf unbegrenzte Zeit festgehalten und vermutlich auch gefoltert und ermordet werden.

Die Auflösung der amerikanischen Demokratie unter Bush und Obama lässt sich nur im historischen Kontext verstehen. Nicht zufällig sind unter Obama die demokratischen Institutionen eingebrochen. Er ließ gleichzeitig Löhne, Sozialleistungen und Sozialprogramme brutal angreifen, organisierte eine massive Umverteilung zugunsten der Superreichen und führte im Ausland acht Jahre lang ständig Krieg.

Die liberalen Elemente (darunter einige angebliche „Verfassungsrechtler“), die Obamas Ansprüche auf beispiellose Exekutivbefugnisse gegen seine Kritiker verteidigt haben, reagieren mit Erschütterung und Unruhe auf die Aussicht, dass Trump und seinesgleichen jetzt in den Genuss der Befugnisse kommen, die sie verteidigt haben.

Ein Artikel des Magazins Politico beschreibt, wie Demokratische Juristen in Washington nach der Wahl eine „Schwindel erregende Kehrtwende“ vollziehen. „Liberale, die in den letzten acht Jahren Präsident Obamas Berufung auf Exekutivbefugnisse verteidigt hatten, bereiten sich jetzt darauf vor, Trumps Pläne zu Themen wie Zuwanderung, Umwelt oder den Rechten von Transsexuellen scharf zu kritisieren...“

Einer dieser Liberalen ist Professor Geoffrey R. Stone von der University of Chicago. Im Jahr 2013 verteidigte er in einer Auseinandersetzung mit der World Socialist Web Site seine Teilnahme an der Verfolgung von Edward Snowden, indem er auf „den Rechtsstaat“ verwies (Siehe: „Ein Brief von Professor Geoffrey R. Stone, einem liberalen Befürworter eines Polizeistaats“).

Am 20. November schlug er in einem Beitrag für die Huffington Post andere Töne an: „Wir sind zweifellos mit einer Gefahr konfrontiert. Einer Gefahr für unsere Nation, unsere Werte, unsere Freiheiten und für alles, wofür unsere Nation steht.“ Dieses Klagelied erstreckt sich über mehrere Absätze. Stone sieht überall die Schuld, außer bei sich selbst. Später zitiert er den Abolitionisten Wendell Phillips: „Ewige Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit.“ Nachdem er Snowden als „Kriminellen“ und Gefahr für die „nationale Sicherheit“ bezeichnet hat, will Professor Stone seine Leser heute über „Wachsamkeit“ im Namen der Freiheit belehren!

Josh Blackman, Juraprofessor am South Texas College of Law, äußerte sich Politico gegenüber offener: „Obama hat alle diese gefährlichen Präzedenzfälle geschaffen, und jetzt fallen all die Schnellschüsse von Obama auf uns zurück.“

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