Italien: Scheitern des Referendums könnte Bankenkrise auslösen

Am nächsten Sonntag findet in Italien ein Referendum über Ministerpräsident Matteo Renzis Pläne statt, die Größe und die Befugnisse des Senats zu verringern. Das Ergebnis dieses Referendums könnte das italienische Bankensystem in eine Krise stürzen, die sich möglicherweise auf die ganze Eurozone ausdehnen könnte.

Renzi hat sich für das Referendum eingesetzt und einmal sogar mit Rücktritt gedroht, wenn sein Vorschlag keine Mehrheit finden sollte. Er will die Regierung autoritärer gestalten und ihr zusätzliche Befugnisse geben, wirtschaftsfreundliche und neoliberale Reformen durchzusetzen. Ein Scheitern seines Vorhabens könnte unmittelbare Folgen haben. Der Rettungsplan für die angeschlagene Bank Monte dei Paschi di Siena, der am Montag in Kraft getreten ist, könnte gefährdet werden.

Der Rettungsplan sieht die Umwandlung von Schulden im Wert von fünf Milliarden Euro in Anteilen sowie eine Geldspritze durch die Ausgabe von Aktien vor.

Monte dei Paschi ist nicht nur die älteste Bank der Welt, sondern auch das bekannteste Beispiel für die Verschlechterung der Lage des ganzen italienischen Bankensystems. Im letzten Juli hatte es von allen europäischen Bankensystemen das schlechteste Ergebnis bei den Stresstests der Europäischen Zentralbank erzielt.

Der Rettungsplan gilt als Teil von Renzis weitergehenden Plänen, im italienischen Bankensystem „Marktlösungen“ zu propagieren. Das System ist bei einem Gesamtwert von vier Billionen Euro mit ausfallgefährdeten Krediten im Wert von 360 Milliarden Euro belastet, von denen 200 Milliarden Euro als notleidende Kredite gelten. Dem steht ein Eigenkapital des gesamten Bankensystems in Höhe von 225 Milliarden Euro gegenüber.

Allerdings fordert das Finanzkapital im Gegenzug für eine Geldspritze, dass die Renzi-Regierung das geforderte Umstrukturierungsprogramm durchsetzt. Dieses Programm sieht u.a. die Konsolidierung oder Schließung vieler kleinerer Banken vor, die eine wichtige Rolle als Financier kleiner Unternehmen spielen, sowie eine Verschärfung des Angriffs auf die soziale Stellung der Arbeiterklasse.

Peter Donisanu, ein globaler Finanzexperte der US-Bank Wells Fargo, veröffentlichte Anfang November einen Kommentar, in dem er die Ansichten wichtiger Teile der Finanzbranche zusammenfasste. Darin erklärte er, Renzis Reformen würden es „leichter machen, wichtige Gesetze umzusetzen (beispielsweise Maßnahmen zur Unterstützung des angeschlagenen Bankensektors des Landes) ohne dass die Regierung in Zeiten politischer Unstimmigkeit gleich zusammenbricht.“

Wenn das Referendum scheitert, wäre es ein Signal, dass die Renzi-Regierung diese Pläne nicht durchsetzen kann. Laut Goldman Sachs wäre dann nicht nur der Rettungsplan für Monte dei Paschi in Gefahr, sondern es könnte auch zu einem Domino-Effekt bei anderen Banken kommen. Sie müssten dann Milliarden Euro für ihre Rekapitalisierung auftreiben.

Die Bank selbst hat am Montag eine 146-seitige Broschüre veröffentlicht, in der sie schwerpunktmäßig auf den wichtigsten Teil des Plans eingeht, den Schuldenaustausch. Sie äußert außerdem weitgehende Zweifel an dem Rettungsplan: „Angesichts der beträchtlichen Unsicherheit hinsichtlich der Durchführbarkeit verschiedener Teile des Gesamtabkommens besteht das Risiko, dass das Abkommen selbst nicht ausreicht und nicht abgeschlossen werden kann.“

Der Aktienkurs der Bank ging am Montag um weitere 13,8 Prozent zurück. Im Lauf des letzten Jahres hat sie 86 Prozent ihres Kurswerts verloren.

Das Ergebnis des Referendums ist noch unklar, da in den letzten drei Wochen keine Meinungsumfragen mehr durchgeführt werden durften. Allerdings zeigt die aktuellste Umfrage, dass die Gegner von Renzis Plan einen Vorsprung von sieben Prozentpunkten haben. Das „Nein“-Lager besteht aus mehreren rechten nationalistischen und populistischen Parteien, unter denen die Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo eine tragende Rolle spielt. Der Sieg von Donald Trump in der amerikanischen Präsidentschaftswahl, den sie als Sieg der Bevölkerung gegen die Finanzeliten feierten, hat dieses Lager deutlich gestärkt.

Die möglichen Folgen eines „Nein“ würden nicht nur im italienischen Bankensystem spürbar sein, sondern im Finanzsystem von ganz Europa.

Neil Wilson von ETC Capital erklärte in einem Interview mit Reuters: „Das Referendum über die Verfassungsreform am Sonntag ist das italienische Äquivalent zum Brexit. Sein Scheitern würde zu starken Schockwellen auf den Märkten und im Bankensystem führen. Es könnte auch den Druck auf den Euro erhöhen.“

Ein Scheitern des Referendums würde die Sanierung des italienischen Bankensystems „viel schwerer“ machen. Investoren würden zögern, das benötigte frische Kapital in das System zu pumpen. Wilson erklärte weiter: „Das Risiko, dass sich der Rest der italienischen Banken und andere europäische Gläubiger anstecken, ist immens.“

Die Alternative zu Renzis marktbasiertem Plan ist die Lösungsagenda der Europäischen Union. Diese würde vorsehen, Banken zu liquidieren sowie Einleger und Investoren zur Deckung der Schulden mit heranzuziehen. Die Umsetzung dieses Plans würde massiven politischen Widerstand nach sich ziehen, da viele Endkunden der italienischen Banken zum Kauf von Aktien und Anleihen verleitet wurden, indem diese als attraktive Alternative zu Sparplänen dargestellt wurden.

Die Financial Times veröffentlichte am Sonntag einen umfangreichen Artikel, laut dem in Italien bis zu acht notleidende Banken Insolvenz anmelden müssten, wenn Renzis Referendum scheitert. Abgesehen von Monte dei Paschi finden sich auf dieser Liste drei mittelgroße und vier kleine Banken, die letztes Jahr gerettet wurden.

In dem Artikel hieß es unter Berufung auf hochrangige Banker und Regierungsvertreter: Im schlimmsten Fall würde das Scheitern der Rekapitalisierung von Monte dei Paschi „einen allgemeinen Vertrauensverlust in Italien“ bedeuten. Dies könne eine „Marktlösung“ für notleidende Banken gefährden. Sie warnten, die „Ansteckung“ durch die Pleiten kleinerer Banken könnten eine für Anfang 2017 geplante Kapitalerhöhung der Bank Unicredit in Höhe von dreizehn Milliarden Euro gefährden. Unicredit ist die italienische Bank mit der größten Bilanzsumme und das einzige weltweit bedeutende Finanzinstitut des Landes.

Von der Bankenkrise ist nicht nur Italien betroffen, sondern ganz Europa. Die EZB schrieb letzte Woche in ihrem Finanzstabilitätsbericht, der europäische Bankensektor sei weiterhin in kritischem Zustand. Die größten Strukturprobleme für die Rentabilität der Banken seien die „großen Mengen von notleidenden Krediten in mehreren Ländern“ und „Überkapazitäten in einigen Bankensektoren des Euroraums.“

Die Probleme gehen auf die Reaktion der europäischen Behörden auf die globale Finanzkrise 2008 zurück. Diese befürchteten damals, dass die Anerkennung von finanziellen Verlusten und Umstrukturierungen des Kapitals die Stellung der europäischen Banken gegenüber ihren mächtigen Rivalen, vor allem den amerikanischen Finanzinstituten, schwächen würde und hofften auf eine Erholung des Wirtschaftswachstums, mit dem die Banken ihre Probleme überwinden könnten.

Doch der erhoffte Wirtschaftsaufschwung ist bisher ausgeblieben. Daher war die Rentabilität der Banken durch „niedriges Wachstum und ein schlechtes Zinsumfeld“ beeinträchtigt, wie es im Bericht der EZB heißt.

Am deutlichsten äußert sich dies in Italien. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes liegt real neun Prozent niedriger als im Jahr 2007 und bewegt sich auf einem Niveau, auf dem es zuletzt vor zwanzig Jahren war. Die Arbeitslosigkeit liegt bei elf Prozent, unter Jugendlichen bei fast 40 Prozent. Das durchschnittliche Familieneinkommen liegt niedriger als im Jahr 2007.

Diese sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen haben zum Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen in den USA, Großbritannien, Frankreich und auf der ganzen Welt beigetragen. Diese stellen sich als Gegner des politischen Establishments und der offiziellen „Linken“ dar, deren Reaktion auf die Finanzkrise ein noch weiterer Rechtsruck war.

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