Über „Falschmeldungen“ und drohende Internet-Zensur

In den Wochen seit der Wahl vom 8. November haben Berichte in amerikanischen Medien über so genannte „Falschmeldungen“ im Präsidentschaftswahlkampf zugenommen. Schon im Wahlkampf wurde behauptet, die russische Regierung habe E-Mail Server der Demokratischen Partei gehackt, um dem Wahlkampf von Hillary Clinton zu schaden.

Diese Kampagne gegen „Falschmeldungen“ in sozialen Medien und dem Internet trägt deutliche Züge der McCarthy-Ära. Sie verleumdet Online-Publikationen, die amerikanische Aggressionskriege und andere Verbrechen kritisieren, als russische Propaganda-Organe.

Ein Beispiel dafür ist ein Artikel vom 24. November in der Washington Post. Er trägt den Titel: „Laut Experten hat russische Propaganda im Wahlkampf die Verbreitung von ‚Falschmeldungen’ unterstützt“. Im Artikel wird behauptet, von russischer Seite sei im Internet verbreitet worden, Clinton sei „kriminell, weil sie potentiell tödliche Erkrankungen verheimliche und daran arbeite, das Land an eine finstere Kabale globaler Finanzhaie auszuliefern“. An diesen Verleumdungen hätten sich „Botnets, Teams von bezahlten menschlichen ‚Trollen’, Netzwerke verschiedener Webseiten und Accounts sozialer Medien“ beteiligt.

Der Post zufolge soll ein Team von „unabhängigen Forschern“ und eine weitere anonyme Gruppe, die sich PropOrNot nennt, die russische Beteiligung an der Verbreitung von gefälschten Wahlinformationen aufgedeckt haben. Diese Teams verfügten angeblich über Erfahrung in „Computerwissenschaft, nationaler Sicherheit und auf dem Feld der Politik“. Obwohl die Post kein Mitglied dieser PropOrNot-Gruppe mit Namen nennt, zitiert sie den verantwortlichen Gruppendirektor anonym. Diese Organisation hat u.a. eine Liste von zweihundert Websites veröffentlicht, die „offenbar regelmäßig russische Propaganda verbreiten“. Dazu gehörten WikiLeaks, der ultrarechte Drudge Report und die linksliberale Organisation Truthout.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass dieser Post-Artikel selbst ein krasses Beispiel einer Pseudonachricht ist, die der Staat lanciert hat. Immer häufiger kommt es vor, dass etablierte Medien, die die geopolitischen und militärischen Ziele des amerikanischen Imperialismus unterstützen, solche Meldungen in Umlauf bringen. Die New York Times hat ähnliche Artikel veröffentlicht. Etwa den von David E. Sanger am 25. November unter der Überschrift: „Trotz Hacking-Gerüchten halten US-Beamte an Korrektheit des Wahlergebnisses fest“.

Sanger ist Chefkorrespondent der Times in Washington und regelmäßiger Verbreiter von Informationen aus Militär- und Geheimdienstkreisen, zu denen er beste Kontakte pflegt. Er schreibt: „Geheimdienstler untersuchen noch immer die Auswirkungen des russischen ‚Informationskrieges’. Mit Hilfe von gefälschten Nachrichten über Hillary Clinton und über den Stand der amerikanisch-russischen Beziehungen sollten wohl die Wähler beeinflusst werden.“ Er fügt hinzu: „Viele dieser Falschmeldungen hatten ihren Ausgangspunkt bei RT News und Sputnik, zwei vom russischen Staat finanzierten Websites.“

Die Leser dieser Artikel und praktisch aller anderen Artikel zur Rolle Russlands beim Thema „Falschnachrichten“ werden vergeblich nach den geringsten Beweisen für solche Behauptungen suchen. Die Ansichten und Meinungen von „Experten“, die meistens namentlich nicht genannt werden, stehen als unbestreitbare Tatsachen im Raum. Diese Methoden erinnern stark an Joseph McCarthy und ähnliche Hexenjäger.

Die Herausgeber und Autoren dieser Artikel realisieren oftmals kaum, in welchem gigantischen Lügengeflecht ihre Presseorgane gefangen sind. Das fängt mit der Lüge des Jahrhunderts über die angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen an, die 2003 als Vorwand für die illegale Invasion und Besetzung des Irak herhalten mussten. Auch in jüngerer Zeit wurden die neokolonialen Eroberungskriege gegen Libyen und Syrien und die Drohnenmordkampagne der US-Regierung mit Menschenrechtsphrasen oder der Propagandalüge vom „Kriegs gegen den Terror“ gerechtfertigt .

Niemand auf der Welt hat mehr Übung darin, Falschnachrichten in die Welt zu setzen, als die von der Wirtschaft kontrollierten amerikanischen Massenmedien.

Diese haben sich im Wahlkampf zusätzlich in Misskredit gebracht, weil sie sich offen auf die Seite ihrer bevorzugten Kandidatin Hillary Clinton gestellt und ihr einen deutlichen Sieg vorausgesagt haben. Blind für die wachsende Unterstützung für Trump von Seiten aufgebrachter und unterbezahlter Menschen, bemerkten sie nicht, dass die Wahlunterstützung für die Demokraten einbrach. Nun reagieren die bürgerlichen Medien auf das wachsende Misstrauen in der Bevölkerung, indem sie versuchen, alternative Nachrichtenquellen zu diskreditieren.

Natürlich kann niemand behaupten, im Internet zirkulierten keine als Nachrichten getarnte Falsch- und Propaganda-Meldungen. Erfundene Geschichten und Scherze gibt es im Internet seit eh und je. Aber in den US-Wahlen gab es dieses Jahr eine deutliche Zunahme von betrügerischen politischen Seiten und Inhalten. Meist gehen Geschichten, die die Wahrheit stark strapazierten oder völlig frei erfunden sind, von simulierten News-Seiten aus. Sie werden dann von sozialen Medien aufgegriffen. Andere gefälschte Geschichten gehen von Plattformen wie Facebook und Twitter aus und verbreiten sich rasch über die Kommentarfunktion oder die „Gefällt mir“ oder „Teilen“ Buttons.

Eine am 16. November von Buzzfeed veröffentlichte Analyse zeigte, dass gefälschte politische Nachrichten wie der Bericht, der Papst habe zur Wahl Donald Trumps aufgerufen, in den letzten drei Monaten des Wahlkampfs auf Facebook mehr Widerhall fanden als alle Top-Nachrichten von neunzehn großen amerikanischen Nachrichtenportalen zusammen. Die Buzzfeed-Studie stellte fest, dass die wichtigsten gefälschten Nachrichten einen besonders stark parteilichen und reaktionären Charakter trugen. In den letzten Monaten vor der Wahl sollen diese rechten Seiten einen starken Besucherzuwachs verzeichnet haben.

Ein anderer Schlüsselaspekt gefälschter „online-Nachrichten“ ist ihre zunehmende internationale Reichweite. Der Guardian berichtete zum Beispiel im August über eine Gruppe von Teenagern und Collegestudenten aus Veles in Mazedonien, die dutzende politische Internetseiten erstellten, um an Trumps Kandidatur zu verdienen und auf sie Einfluss zu nehmen. Der Bericht des Guardian wies darauf hin, dass die betrügerischen, Trump-freundlichen Websites im In- und im Ausland zwar beliebter waren, aber dass sowohl „konservative“, als auch „liberale“ Schein-Nachrichtenseiten ebenfalls sehr populär wurden und für ihre Betreiber Einkommen generierten.

Dessen ungeachtet ist die Kampagne der etablierten Medien gegen „gefälschte Nachrichten“ im Internet ein reaktionärer Angriff auf die Pressefreiheit. Diese Kampagne beinhaltet auch Forderungen an soziale Medien wie Google und Facebook, Material, das auf ihren Seiten erscheint, inhaltlich zu kontrollieren. Google und Facebook haben beide schon bestätigt, an bestimmten Techniken zu arbeiten, die einen inhaltlichen „Fakten-Check“ durch „neutrale“ Dritte auf ihren Seiten ermöglichen. Bei Facebook soll diese Initiative noch dadurch verstärkt werden, dass Accounts, die als Quellen von „gefälschten Nachrichten“ identifiziert werden, von der Nutzung von online-Werbetools ausgeschlossen werden sollen. Orwells Gedankenpolizei lässt grüßen!

Kapitalistische Medienkonzerne, die um ihren Einfluss fürchten, üben immer mehr Druck aus, soziale Medien-Accounts und Seiten mit angeblich „gefälschten Nachrichten“ zu schließen oder zu zensieren. Jeder Versuch, Internet-Inhalte zu zensieren, muss als Angriff auf demokratische Rechte verstanden und abgewehrt werden. Heute richten sich die Maßnahmen gegen „betrügerische Nachrichtenseiten“ und soziale Medien. Schon morgen werden sie die Arbeiterklasse und ihre sozialistischen Publikationen wie die World Socialist Web Site treffen, die ihre unabhängigen Interessen artikuliert und für sie kämpft.

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