Von der Leyens Kriegsoffensive im Nahen und Mittleren Osten

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) befindet sich auf einer mehrtägigen Reise durch den Nahen und Mittleren Osten. Im Zentrum der Reise steht die Ausweitung des politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einflusses der Bundesrepublik Deutschland in der rohstoffreichen und geostrategisch wichtigen Region.

Von der Leyens erster Aufenthalt ist das Königreich Saudi-Arabien, wo sie am Mittwochabend am Flughafen King Salman Air Base in Riad vom saudischen Vize-Verteidigungsminister General Mohammed bin Abdullah Al-Ayesch, dem deutschen Botschafter Dieter Walter Haller sowie Verteidigungsattaché Oberst Thomas Schneider empfangen wurde.

Am Donnerstag besuchte die Verteidigungsministerin das Hauptquartier der sogenannten „Islamic Military Counter Terrorism Coalition“ und erklärte in einem offiziellen Pressestatement, Saudi-Arabien sei ein Land, dass „entschlossen den Terror bekämpft und sich auch darüber im klaren ist, dass es beim Kampf gegen den muslimisch-arabischen Terror in der Islamischen Welt eine herausgehobene Rolle hat“.

Das ist offensichtlich absurd. Wohl kaum etwas könnte die Menschenrechtsphrasen der Bundesregierung und die Propaganda vom „Krieg gegen Terror“ besser entlarven, als die enge politische und militärische Zusammenarbeit des Westens mit Saudi-Arabien.

Der reaktionäre islamistische Charakter des saudischen Regimes ist so offensichtlich, dass selbst die deutschen Medien nicht umhin kommen, einige Dinge anzusprechen. Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gab es „allein im letzten Jahr [...] mehr als 150 Hinrichtungen. Es kommt außerdem immer wieder zu öffentlichen Auspeitschungen, Frauenrechte und Meinungsfreiheit werden massiv eingeschränkt.“

Die Süddeutsche Zeitung schreibt über die Auswirkungen des saudischen Bombenkriegs im Jemen: „Die Bombardements haben die Infrastruktur des ärmsten arabischen Landes zerstört und töten immer wieder Zivilisten. Eine von drei Attacken trifft nach Untersuchungen von Menschenrechtlern zivile Ziele.“ Laut den UN seien unter „den mehr als 10.000 Todesopfern des Krieges mindestens 4000 Zivilisten – viele starben durch Bomben aus der Luft, die immer wieder auch Krankenhäuser treffen“.

Und der ARD zufolge ist „Saudi-Arabien […] eine streng islamisch regierte Monarchie, in der – ähnlich wie beim ‚Islamischen Staat‘ (IS) – politische Gegner enthauptet und Frauen wegen Ehebruchs gesteinigt werden.“

Im Syrienkrieg zählt Saudi-Arabien zu den Hauptsponsoren und Unterstützern von islamistischen Milizen, die enge Verbindungen zu al-Qaida haben und von der Bundesregierung offiziell als Terrororganisationen eingestuft werden.

So ist die Miliz Ahrar al-Scham, die von Saudi-Arabien finanziell und politisch unterstützt wird, dem Generalbundesanwalt zufolge eine „ausländische terroristische Vereinigung“ und „eine der größten und einflussreichsten salafistisch-jihadistischen Gruppierungen der syrischen Aufstandsbewegung“. Sie verfolge das Ziel, „das Regime des syrischen Machthabers Assad zu stürzen und einen allein auf der Scharia gegründeten Gottesstaat zu errichten“.

All dies hält die Bundesregierung und die deutsche Verteidigungsministerin nicht davon ab, die militärische Kooperation mit dem saudischen Regime zu intensivieren. Berichten zufolge hat von der Leyen die Ausbildung saudi-arabischer Offiziere in Deutschland zugesichert. Das Training „mehrerer junger Offiziere und Mitarbeiter des saudi-arabischen Militärs“ solle im kommenden Jahr beginnen, erklärte die deutsche Botschaft in Riad am Donnerstag.

Zusätzlich sind weitere Waffenexporte in die Golfmonarchie geplant. Erst vor kurzem genehmigte der geheim tagende Bundessicherheitsrat die Ausfuhr von 41.644 Artilleriezündern nach Saudi-Arabien, obwohl die offiziellen Exportgrundsätze der Bundesrepublik vorschreiben, keine Rüstungsgüter an Staaten zu liefern, die „in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt“ sind. Angaben der Bundesregierung zufolge wurden bereits im ersten Halbjahr 2016 Rüstungsexporte im Wert von knapp 484 Millionen Euro nach Saudi-Arabien genehmigt, darunter Hubschrauber und Teile für Kampfflugzeuge.

Mit der massiven Aufrüstung der saudischen Monarchie verfolgt Berlin vor allem zwei Ziele. Zum einen soll Riad in der Lage sein, soziale Aufstände auf der arabischen Halbinsel gewaltsam zu unterdrücken. Im Frühjahr 2011, wenige Wochen nach den revolutionären Aufständen in Tunesien und Ägypten, intervenierten saudische Truppen und Panzer in Bahrain, um die dortigen Massenproteste mit brutaler Gewalt niederzuschlagen. Außerdem betrachtet die Bundesregierung die hochgerüsteten arabischen Monarchien als wichtige Verbündete, um die Interessen des deutschen Imperialismus in der Region durchzusetzen.

Nach ihrem Aufenthalt in Riad reist von der Leyen direkt weiter nach Bahrain. Dort nimmt sie am Manama-Dialog teil, der bedeutendsten Sicherheitskonferenz im Nahen und Mittleren Osten. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs, Minister, Militärs und Vertreter von Sicherheitsbehörden kommen dort unter der Ägide des einflussreichen Thinktanks International Institute for Strategic Studies (IISS) zusammen, um über die Kriege und Konflikte in der Region zu diskutieren.

Von der Leyens letzte Station ist das Königreich Jordanien, wo sie symbolisch 24 moderne Schützenpanzer vom Typ „Marder“ übergeben wird.

Bereits 2015 hatte von der Leyen in Bahrain gesprochen und ein größeres deutsches Engagement im Nahen und Mittleren Osten angekündigt. Damals jubelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem Kommentar: „Deutschland ist nicht mehr gleichgültig. Deutschland ist es gelungen, sein außenpolitisches Gewicht zu vergrößern. Beim Manama-Dialog kann Verteidigungsministerin von der Leyen darauf verweisen, dass die Bundesrepublik sich nicht mehr raushält.“

Das „grundlegende deutsche Interesse“ an der Region hat ein Strategiepapier der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung bereits im Jahr 2001 zusammengefasst: „Es richtet sich primär auf eine Stabilisierung der betroffenen Staaten und Gesellschaften, um eine Gefährdung der eigenen Sicherheit und derjenigen der europäischen Partnerländer zu verhindern, eine reibungslose Rohstoffversorgung zu gewährleisten und Exportmöglichkeiten für die deutsche Wirtschaft zu schaffen.“

Die Studie mit dem Titel „Deutschland und der Nahe und Mittlere Osten: Standortbestimmung und Handlungsempfehlung“ betont die Bedeutung der „Exportmärkte der Kernstaaten der Region (Ägypten, Türkei, Iran), vor allem aber der solventen Golfstaaten“, für die deutsche Exportwirtschaft. Hier gelte es „daher einen Beitrag zur Sicherung der Absatzmärkte zu leisten, einen möglichst ungehinderten Marktzugang zu gewährleisten und sich der Konkurrenz der USA, der osteuropäischen Staaten, aber auch der ostasiatischen Industrieländer zu stellen“.

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