Syrische Armee erobert Ost-Aleppo zurück

Unter Vermittlung Russlands und der Türkei wurde am Dienstag ein Abkommen ausgehandelt, das den Rückzug der verbliebenen islamistischen Milizen aus den letzten noch von den „Rebellen“ kontrollierten Teilen Ost-Aleppos und die Evakuierung einer relativ kleinen Anzahl von Zivilisten vorsieht. Damit scheinen die seit vier Jahren andauernden Kämpfe um die vormals größte und wirtschaftlich wichtigste Stadt Syriens beendet zu sein.

Die Eroberung Ost-Aleppos durch syrische Regierungstruppen, die von russischen Luftstreitkräften und mit dem Iran verbündeten schiitischen Milizen unterstützt wurden, ist ein Wendepunkt in dem Krieg für einen Regimewechsel, den Washington und seine regionalen Verbündeten vor fünf Jahren angezettelt haben. Die Enklave in der nordsyrischen Stadt war das letzte wichtige Ballungsgebiet, das von den „Rebellen“ kontrolliert wurde.

Zugleich bedeutet sie ein Debakel für die USA und die übrigen Westmächte. Zusammen mit Saudi-Arabien und den anderen reaktionären sunnitischen Ölmonarchien haben die USA Gelder und Waffen im Wert von Milliarden Dollar an die islamistischen Milizen verteilt und gleichzeitig Zehntausende Dschihad-Kämpfer aus dem ganzen Nahen Osten, Europa und der Welt nach Syrien geschmuggelt, um das Land zu zerstören.

Der strategische Rückschlag für die Intervention des US-Imperialismus in Syrien hat die heftigen Konflikte über die Außenpolitik innerhalb der herrschenden Kreise der USA verschärft. Vor allem Washingtons Kriegskurs gegen Russland sorgt im Vorfeld der im Januar anstehenden Vereidigung Donald Trumps für heftige Auseinandersetzungen. Im Wahlkampf war Trump dafür eingetreten, dass sich die USA enger mit Moskau verbünden und gemeinsam mit Russland den „Terrorismus“ in Syrien bekämpfen. Eine solche Politik wird von der Führung des Pentagon und der CIA mit Nachdruck abgelehnt.

Bei einer Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats am Dienstag trat die Verbitterung Washingtons und seiner Verbündeten offen zutage. Die USA, Großbritannien und Frankreich warfen der syrischen Regierung und Russland Kriegsverbrechen in Aleppo vor. Unbestätigten Berichten aus der Stadt zufolge haben regierungstreue Milizen willkürlich Gefangene erschossen, darunter auch Zivilisten, zugleich steigt die Zahl der Todesopfer durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss.

Die syrische Regierung und Russland dementierten die Berichte über Massaker und erhoben den Vorwurf, die vom Westen unterstützten „Rebellen“ hätten auf Zivilisten geschossen, die aus den von ihnen kontrollierten Zonen fliehen wollten. Außerdem sollen sie versucht haben, die Bevölkerung als „menschliche Schutzschilde“ zu benutzen.

Als die Dschihad-Milizen im Jahr 2012 dieselben Teile Ost-Aleppos überrannten, haben die westlichen Regierungen bekanntlich geschwiegen, und die westlichen Medien rechtfertigten willkürliche Hinrichtungen mit der Behauptung, bei den Opfern habe es sich um Anhänger des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gehandelt.

Die schlimmste Hetzrede vor dem UN-Sicherheitsrat hielt am Dienstag die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power. Sie fragte, an Russland gerichtet, „Schämen Sie sich gar nicht? Sind Sie unfähig, so etwas zu empfinden?“ Weiter erklärte sie, die Belagerung von Ost-Aleppo würde „als eines der Ereignisse in die Weltgeschichte eingehen, die sinnbildlich für das moderne Böse stehen und unser Gewissen noch nach Jahrzehnten beflecken werden – Halabdscha, Ruanda, Srebrenica, und jetzt Aleppo“. Natürlich verschwieg sie die Kriegsverbrechen des US-Imperialismus und seiner Verbündeten, u. a. im Irak, Libyen, Jemen und dem Gazastreifen.

Noch während Power und ihre britischen und französischen Amtskollegen über Moskau und die Assad-Regierung herzogen, meldete der russische Botschafter Witali Tschurkin, dass die militärischen Aktivitäten in Ost-Aleppo während der vergangenen Stunde eingestellt worden seien und die syrische Regierung ihre Kontrolle über ganz Aleppo gefestigt habe. Man habe ein Abkommen ausgehandelt, laut dem sich die restlichen „Rebellen“ aus der Stadt in die westsyrische Provinz Idlib zurückziehen sollten.

Dieses Abkommen wurde sowohl von der türkischen Regierung als auch von Vertretern der Miliz Nour al-Din al-Zenki bestätigt. Diese islamistische Gruppierung war eine der sogenannten „gemäßigten“ Fraktionen, die von den USA unterstützt wurden, u. a. mit TOW-Panzerabwehrraketen. Letzten Juli wurde sie weltweit durch ein Video berüchtigt, auf dem ihre Mitglieder einen verwundeten zwölfjährigen Palästinenser enthaupten.

Mindestens die Hälfte der sogenannten Rebellen in Aleppo gehörten zu dem syrischen Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front und der Ahrar al-Scham, einer weiteren Al-Qaida-nahen Miliz, die von den Vereinten Nationen als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Auch die letztere Gruppe bestätigte den Waffenstillstand.

Das Rückzugsabkommen soll unter Vermittlung des russischen Militärs und des türkischen Geheimdiensts zustande gekommen sein. Washington hat offenbar bei der Lösung der Krise in Aleppo keine Rolle gespielt. Frühere Verhandlungen mit Russland über eine Waffenruhe in der Stadt hatten die USA mehrfach sabotiert, um die Al-Qaida-nahen Kräfte zu retten, die für ihren geplanten Regimewechsel von entscheidender Bedeutung waren. Das Eingeständnis des US-Außenministeriums vom Dienstag, dass es nicht im Voraus über das russisch-türkische Abkommen informiert wurde, unterstreicht die Krise der US-Politik in der Region.

Das Tempo, mit dem die islamistischen Kräfte zusammengebrochen sind, scheint Washington und ihre übrigen westlichen und regionalen Unterstützerstaaten überrascht zu haben. Es ist zum Teil auf die Heftigkeit des Angriffs der syrischen Regierungstruppen auf Ost-Aleppo zurückzuführen, allerdings spielen auch die Spaltungen innerhalb der diversen Fraktionen der „Rebellen“ eine Rolle. Erst letzten Monat kam es zwischen ihnen zu bewaffneten Konflikten um Kontrolle und Einfluss.

Während die westlichen Regierungen und Medien der Assad-Regierung regelmäßig vorwerfen, sie würde „ihr eigenes Volk massakrieren“, und ihr die alleinige Schuld an den Hunderttausenden Todesopfer geben, die der Krieg seit seinem Beginn 2011 gekostet hat, spricht ein Bericht der – regierungsfeindlichen – Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte eine andere Sprache.

Laut ihrer dokumentierten Zählung sind seit Kriegsbeginn 312.000 Menschen gestorben. 110.000 davon wurden von syrischen Regierungstruppen und regimetreuen Milizen getötet. Die Schätzung umfasst auch 53.000 Mitglieder regierungsfeindlicher syrischer Milizen und über 54.000 ausländische Dschihadisten. Die Zahl der zivilen Todesopfer liegt laut dem Bericht der Gruppe bei 90.000. Diese Zahlen zeichnen ein ganz anderes Bild als das Propagandanarrativ von Washington und den diversen Unterstützern des „Menschenrechts“-Imperialismus. Es ist das Bild eines Landes, das durch die Intervention imperialistischer Mächte zerstört wurde.

Der Sprecher des US-Außenministeriums John Kirby erklärte in Washington vor der Presse: „Es ist zwar das Ende der Belagerung von Aleppo, aber es ist nicht das Ende des Kriegs in Syrien. Er wird weitergehen.“ Mit anderen Worten, der Vernichtungsfeldzug gegen Syrien soll fortgesetzt werden.

Der Außenminister von Katar, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, ein wichtiger Unterstützer der „Rebellen“, äußerte sich gegenüber Al Jazeera ähnlich: „Wenn die Regierung Aleppo erobert, wenn es dem Regime wieder in die Hände fällt, wird damit der Krieg beendet sein? Das glaube ich nicht. Wir glauben, dass die syrische Bevölkerung und die syrische Opposition weiterhin Widerstand leisten wollen und werden. Das wird nicht das Ende des Kriegs bedeuten.“

Die Obama-Regierung hat knapp einen Monat vor dem Ende ihrer Amtszeit noch einmal 200 Mann starke Spezialeinheiten nach Syrien entsandt, zusätzlich zu den bereits 300, die angeblich kurdische und verbündete Milizen für die Rückeroberung von Rakka ausbilden, das der Islamische Staates (IS) in Syrien als seine Hauptstadt bezeichnet.

Letzte Woche verfügte Obama außerdem die Aussetzung des Gesetzes zur Beschränkung von Waffenexporten an „ausländische Kräfte, irreguläre Kräfte, Gruppen oder Individuen“, die „an amerikanischen Militäroperationen gegen Terrorismus in Syrien teilnehmen oder diese unterstützen“. Diese Direktive des Präsidenten ermöglicht eine deutliche Eskalation der amerikanischen Waffenexporte nach Syrien.

Ihre ersten Nutznießer sind die sogenannten Demokratischen Kräfte Syriens, die kurdisch dominierten Milizen, die in der US-unterstützten Offensive gegen Rakka als wichtigste Stellvertreterkräfte dienen. Allerdings könnte die Anordnung auch benutzt werden, damit die CIA wieder amerikanische Waffen an Al-Qaida-nahe Kräfte liefern kann, die gegen die syrische Regierung kämpfen.

Die Eroberung Aleppos eröffnet der syrischen Regierung die Aussicht, sich mit russischer Unterstützung auf Rakka zu konzentrieren. Die Intervention der Türkei in Syrien, die sich vorgeblich gegen den IS, in Wirklichkeit aber größtenteils gegen Washingtons kurdische Stellvertreter richtet, hat die Offensive der USA bereits deutlich erschwert. Wenn Russland einen syrischen Vorstoß gegen Rakka unterstützt, nimmt die Gefahr eines Zusammenstoßes zwischen den beiden größten Atommächten der Welt reale Gestalt an.

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