Perspektive

Weihnachten an der Wall Street: Dow-Jones-Index nahe der 20.000-Marke

Der Kursanstieg an der Wall Street, der am Tag nach Donald Trumps Wahlsieg vom 8. November einsetzte, geht unvermindert weiter. Zwei maßgebliche Aktienindizes, der Dow Jones Industrial Average und der Nasdaq Composite, erreichten neue Höchststände. Der Dow, der am Dienstag um 91 Punkte zulegte und die 20.000-Marke um nur 26 Punkte verfehlte, ist seit dem Wahltag um 1641 Punkte bzw. 8,95 % gestiegen. Auf das Jahr umgerechnet entspricht dies einer Wachstumsrate von 78 %.

In seiner Pressekonferenz zum Jahresende brüstete sich Obama mit der Verdreifachung der US-Börsenwerte während seiner Präsidentschaft, um dem Publikum eine blühende amerikanische Wirtschaft vorzugaukeln. Allerdings ist der Dow seit der Wahl Trumps nahezu doppelt so schnell gestiegen wie unter Obama.

Die Kursgewinne auf den US-Märkten haben eine gewisse objektive Grundlage in der wirtschaftlichen Lage und in den Steuersenkungen, die Trump zur Förderung der Konjunktur in Aussicht gestellt hat. Vor der Wahl herrschte allgemeines Einvernehmen, dass die Politik der amerikanischen Federal Reserve und anderer wichtiger Notenbanken, die Finanzmärkte mit billigem Geld zu fluten, sich erschöpft hatte, ohne zu einer wirklichen Erholung der Realwirtschaft beigetragen zu haben. Stattdessen explodierte die Verschuldung, die Investitionen in Kapitalgüter gingen zurück, die Arbeitsproduktivität nahm ab und der Welthandel verlangsamte sich.

Allerdings hat sich die wirtschaftliche Lage in keiner Hinsicht so tiefgreifend verändert, dass der explosive Anstieg des Dow in den vergangenen sechs Wochen gerechtfertigt wäre. In Wirklichkeit übertüncht die Euphorie der Märkte schwerwiegende Probleme, beispielsweise die Bankenkrise in Italien und den Rücktritt des italienischen Ministerpräsidenten nach seiner Niederlage beim jüngsten Referendum. Selbst die Signale der US-Notenbank, dass sie die Geldmenge früher als erwartet verknappen werde, lösten nur einen eintägigen Rückgang der Börsenkurse aus. Am Dienstag steuerte der Dow auf 20.000 Punkte zu, unbeeindruckt vom Schuldspruch gegen IWF-Chefin Christine Lagarde, dem Mord an einem hochrangigen Diplomaten in der Türkei und dem Terroranschlag in Berlin.

Hauptgrund hierfür ist die Wahl Trumps. Nachdem der unerwartete Wahlausgang die Finanzeliten zunächst zu umfangreichen Verkäufen veranlasst hatte, wurde ihnen schnell klar, dass es für sie unter Trump viel zu gewinnen gibt. Die Aktienkurse schossen in die Höhe und steigen seither mit wenigen Unterbrechungen weiter an.

Von einer Veränderung des Geschäftsklimas zu sprechen, wäre geradezu eine Untertreibung. Für die amerikanische Oligarchie haben sich ihre kühnsten Weihnachtsträume erfüllt. Sie erwartet mit gutem Grund, dass Trump eine Regierung der Finanzoligarchie führen wird, in der die Reichen in eigener Person eine Politik im eigenen Interesse machen. Die ausgewählten Milliardäre, Banker, Konzernchefs, Generäle und Erzreaktionäre, die sein Kabinett und den inneren Zirkel des Weißen Hauses bevölkern, haben ein klares Ziel: die Reichen von den letzten Fesseln zu befreien, die sie noch daran hindern, die amerikanische Gesellschaft im Interesse ihrer persönlichen Bereicherung restlos auszuplündern.

Die Banker erwarten die Abschaffung der geringfügigen Beschränkungen, die ihren halblegalen Spekulationsgeschäften 2010 durch das neue Gesetz über die Bankenaufsicht (den Dodd-Frank-Act) auferlegt worden waren. Dafür bürgen drei ehemalige Goldman-Sachs-Banker in der Trump-Regierung: der Faschist Stephen Bannon (Chefstratege des Weißen Hauses), Steven Mnuchin (Finanzminister) sowie der Präsident und CEO von Goldman Sachs, Gary Cohn (Vorsitzender des Nationalen Wirtschaftsrates).

Kein Wunder, dass die Aktien der Banken nach den Wahlen am stärksten zulegten und der Kurs der Goldman-Sachs-Aktie um mehr als 33 % gestiegen ist (ein Viertel des Dow-Anstiegs ist allein durch sie bedingt). Auch JPMorgan Chase hat mit einem Kursanstieg von 22 % keinen schlechten Schnitt gemacht.

Die Energiemonopole harren der Abschaffung aller Auflagen für Bergbau, Ölbohrungen und Umweltschutz sowie einer Außenpolitik, die ganz auf ihr Streben nach Kontrolle über die Energieressourcen der Welt zugeschnitten ist. Dafür sorgt die Leitung des Außenministeriums durch den CEO von Exxon Mobil, Rex Tillerson, sowie die Besetzung des Umweltministeriums mit hartgesottenen Umweltschutzgegnern (dem Generalstaatsanwalt von Oklahoma Scott Pruitt), und das Führungspersonal des Energieressorts (der ehemalige Gouverneur von Texas Rick Perry) und des Innenministeriums (der republikanische Kongressabgeordnete Ryan Zinke aus Montana).

Die Aktien der Industrieunternehmen profitierten von der Aussicht auf staatlich sanktionierte Lohndrückerei, gesteigerte Arbeitshetze und Entlassungen, verkörpert durch den milliardenschweren Wilbur Ross an der Spitze des Handelsministeriums und den Millionär und Fast-Food-Mogul Andrew Puzder, der als Gegner des Mindestlohns das Arbeitsministerium übernimmt.

Die Aktien großer Baumaschinenhersteller wie Caterpillar zogen ebenfalls stark an, nachdem Trump Investitionen in die Infrastruktur in der Größenordnung von mehreren Milliarden Dollar in Aussicht gestellt hatte. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um einen Privatisierungsplan, bei dem Staatsgelder auf den Kopf gehauen werden. Unternehmen winken Steuernachlässe von bis zu 80 %, wenn sie in Projekte investieren, die dann in ihren Besitz übergehen und ihnen dauerhafte Einnahmen sichern.

Die Rüstungsindustrie fiebert einer Profitorgie entgegen, weil Trump eine massive Erhöhung der Militärausgaben anstrebt.

Das gesamte Großkapital reibt sich die Hände, denn die angekündigten Maßnahmen versprechen Riesenprofite: Senkung der Unternehmenssteuern um 20 %, Abschaffung der Arbeitssicherheits- und Arbeitsschutzbestimmungen, Zerschlagung von Medicare, Medicaid, Sozialhilfe, Wohnraumförderung und des staatlichen Bildungswesens durch Reaktionäre wie die Milliardärin an der Spitze des Bildungsministeriums, Betsy DeVos, durch Ben Carson als Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung und durch Tom Price als Minister für Gesundheit und Soziales. Jede noch so kleine Abzweigung aus dem von der Arbeiterklasse geschaffenen Reichtum, die in elementare soziale Dienste statt auf die Privatkonten der Reichen fließt, ist in den Augen der Oligarchie unerträglich und soll zusammengestrichen werden.

Sie ist sich durchaus darüber im Klaren, welchen Schock eine solche Politik in der Arbeiterklasse auslösen wird. Der soziale Unmut über die Angriffe auf den Lebensstandard, der sich in den letzten Jahrzehnten angestaut hat, und die ständig wachsende Kluft zwischen der reichen Elite und der überwiegenden Mehrheit wird sich bald mit der Erkenntnis paaren, dass auch die Wahlen von 2016 ein gemeinsamer Schwindel von zwei Kandidaten ein und derselben herrschenden Elite waren.

Nachdem Trump den verbreiteten Hass auf Obama und den rechten, arbeiterfeindlichen Charakter der Wahlkampagne Hillary Clintons ausnutzte, um demagogisch zum Kampf gegen das Establishment aufzurufen, wird er bald selbst den Zorn der Bevölkerung auf sich ziehen. Die Arbeiter nehmen sehr wohl wahr, dass Trump, der als Kandidat noch Clinton ihre Verbindungen zur Wall Street und insbesondere zu Goldman Sachs vorhielt, als designierter Präsident drei Goldman-Sachs-Banker in sein Kabinett geholt hat, in dem vor allem Milliardäre und Millionäre seines Schlags vertreten sind.

Gerade die Furcht vor wachsender Opposition im Inland hat Trump dazu bewogen, seine Regierung mit Generälen zu bestücken und General John Kelly an die Spitze des Ministeriums für Heimatschutz zu berufen. Er stellt eine autoritäre Regierung auf, die in bislang unbekanntem Maße mit staatlicher Gewalt gegen die Arbeiterklasse vorgehen wird.

Neben nackter Gier spiegelt der Boom an den Finanzmärkten auch die Zuversicht der Finanzelite wider, dass ihr vonseiten der Demokratischen Partei und der Gewerkschaften kein ernsthafter Widerstand droht. Immerhin konnten sich die Oligarchen vergewissern, dass Obama, die führenden Demokraten und die Gewerkschaften vor Trump in die Knie gegangen sind und ihm Unterstützung für seine nationalistische Handels- und Wirtschaftspolitik zugesichert haben.

Dass die Wahlen von 2016 eine solche Regierung hervorbrachten, ist ein Beweis für die Unmöglichkeit, soziale und demokratische Grundrechte im Rahmen der bestehenden politischen Ordnung und des von ihr bewahrten kapitalistischen Systems zu verteidigen. Kennzeichnend für die Wahlkampagne war die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung und ihr Abscheu gegenüber dem gesamten politischen Establishment. Rund 13 Millionen Menschen, vorwiegend junge Leute und Arbeiter, hatten für Bernie Sanders gestimmt, der sich in den Vorwahlen fälschlicherweise als Sozialist, Gegner der sozialen Ungleichheit und Feind der „Milliardärsklasse“ ausgab.

Die wirtschaftliche und soziale Krise, die diesen Massenunmut erzeugt, wird unter Trump noch zunehmen. Die gesellschaftliche Opposition, deren Schwerpunkt in der Arbeiterklasse liegt, wird nach neuen Auswegen aus dem heruntergekommenen und verfaulten Zweiparteiensystem suchen. Es ist dringend notwendig, die Socialist Equality Party als neue politische Führung aufzubauen, um der kommenden Massenbewegung ein unabhängiges sozialistisches und internationalistisches Programm zu geben.

Loading