Gemeinsame Erklärung von Russland, Türkei und Iran zur Syrien-Vereinbarung

Nach einem Treffen am Dienstag in Moskau haben hohe Beamte der russischen, iranischen und türkischen Regierung eine gemeinsame Acht-Punkte-Erklärung herausgegeben. Darin wird die Ausweitung des Waffenstillstands auf ganz Syrien sowie eine Verhandlungslösung zwischen der syrischen Regierung und ihren Gegnern gefordert.

Ein Großteil der Erklärung, die von den russischen Vertretern „Moskauer Erklärung“ genannt wurde, besteht aus Standardformeln. Sie erklärt die Unterstützung der drei Länder für die „Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität der Syrisch-arabischen Republik“. Sie betont außerdem, dass es „keine militärische Lösung für den syrischen Konflikt gibt“.

Der Zeitpunkt der Erklärung und die geopolitische Ausrichtung der drei Unterzeichner macht das Dokument jedoch für Washington außerordentlich beunruhigend.

Das Treffen in Moskau fand vor dem Hintergrund der desaströsen Niederlage im fast sechsjährigen, von den US-inszenierten Krieg für einen Regimewechsel in Syrien statt. Letzte Woche hatten die syrischen Streitkräfte, unterstützt von Russland und dem Iran, Ost-Aleppo zurückerobert, die letzte städtische Bastion der islamistischen Milizen, die als Stellvertretertruppen der USA im Kampf gegen die syrische Regierung von Baschar al-Assad fungierten.

Dass sich die Türkei jetzt mit den wichtigsten Verbündeten von Assad, mit Russland und Iran, zusammengetan hat, ist ein Zeichen für die Schwere dieser Niederlage. Früher war die Türkei eine wesentliche Stütze für die in Syrien kämpfenden Al-Qaida-nahen Milizen. Die Türkei hatte ihr Territorium als Drehscheibe Richtung Syrien für die von der CIA gelieferten Waffen und die „ausländischen Kämpfer“ zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig schickte die Türkei Einheiten ihrer Sicherheitskräfte, um die Milizen zu unterstützen und auszubilden.

Im Verlauf der letzten Woche hat sich die Türkei allerdings bei den Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit den sogenannten „Rebellen“ in Ost-Aleppo Russland angeschlossen. Dabei wurde auch deren Evakuierung zusammen mit Tausenden Zivilisten aus der belagerten Enklave beschlossen.

Die Moskauer Erklärung besagt, dass die drei Länder „die gemeinsamen Anstrengungen in Ost-Aleppo begrüßen, die eine freiwillige Evakuierung von Zivilisten und den organisierten Abzug der bewaffneten Opposition“ erlaubt. Die Erklärung steht in krassem Widerspruch zur Position Washingtons. Washington hatte eine Propagandakampagne gestartet, in der die Wiedereroberung Aleppos durch die Regierung als „Massaker“ und sogar als „Völkermord“ gebrandmarkt wird.

Dass sich die Türkei, seit sechs Jahrzehnten ein wesentlicher Nato-Verbündeter mit der zweitgrößten Armee in dem von den USA angeführten Bündnis, mit zwei Ländern zusammengetan hat, die von Washington als die wichtigsten Hindernisse für ihr Streben nach Vorherrschaft im Nahen Osten und Eurasien angesehen werden, ist ein schwerer Schlag für die US-Politik.

Die türkische Regierung sucht seit letztem Mai eine Annäherung an Moskau. Damals versuchte sie die Spannungen abzubauen, die durch den Abschuss eines an der türkisch-syrischen Grenze operierenden russischen Kampfflugzeugs durch die türkische Luftwaffe im November letzten Jahres entstanden waren. Der Abschuss hatte die Gefahr eines bewaffneten Konflikts zwischen den beiden Ländern heraufbeschworen, was unter Umständen auch die Nato in einen Krieg mit der Atommacht Russland hineingezogen hätte.

Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern vertieften sich nach dem gescheiterten Putsch gegen die Regierung von Recep Tayyip Erdogan im letzten Juli, für den Erdogan und seine Anhänger Washington und Berlin verantwortlich machten.

Die Regierung Erdogan ist mit Washington auch wegen des Bündnisses der USA mit der YPG in Konflikt geraten. Die YPG ist eine syrisch-kurdische Miliz, die der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahesteht. Ankara betrachtet sie als „terroristische Organisation“ und geht schon seit langem militärisch gegen sie vor. Erdogan schickte die türkische Armee im letzten August nach Syrien, um angeblich am US-Feldzug gegen den Islamischen Staat (IS) teilzunehmen, aber darüber hinaus, um die YPG daran zu hindern, einen kurdischen De-facto-Staat an seiner Grenze zu errichten.

Die Moskauer Erklärung wurde direkt nach der Ermordung des russischen Botschafters herausgegeben. Andrej Karlow war am Montag von einem türkischen Elite-Polizisten in Ankara getötet worden, der sich nicht im Dienst befand. Anfänglich gab es zwar Spekulationen darüber, dass der Mord eine Krise zwischen Russland und der Türkei auslösen könnte. Die beiden Regierungen haben jedoch betont, dass sie eine gemeinsame Reaktion auf den Mord verbinde. Regierungsfreundliche Medien und Regierungsvertreter beider Länder haben Washington und die Nato für das Verbrechen verantwortlich gemacht.

Die Verbindungen und die Motive des Attentäters, des 22 Jahre alten Mevlut Mert Altintas, bleiben unklar. Erdogan erklärte Altintas am Mittwoch kategorisch zum Anhänger des oppositionellen muslimischen Geistlichen Fethullah Gülen, der im freiwilligen Exil in Pennsylvania in den USA lebt.

Erdogan und seine regierende AKP haben die Anhänger von Gülen für den gescheiterten Putsch vom Juli verantwortlich gemacht. Seitdem hat die Regierung eine massive Säuberung des Militärs, der Polizei und des öffentlichen Dienstes in Gang gesetzt, bei der 100.000 Menschen entlassen und etwa 37.000 inhaftiert wurden.

In der Zwischenzeit hat am Mittwoch Dschaisch al-Fatah (Armee der Eroberung), die gemeinsame Kommandozentrale der islamistischen Milizen, die vom syrischen A-Qaida-Ableger dominiert wird, eine Erklärung herausgegeben, in der sie die Verantwortung für den Mord übernimmt. Eine solche Verbindung steht in Einklang mit den Äußerungen des Attentäters, nachdem er neun Kugeln auf den russischen Botschafter abgegeben hatte.

Während es in zahlreichen Berichten hieß, er habe „Vergesst Aleppo nicht, vergesst Syrien nicht“ gerufen, ist sehr viel weniger bekannt, dass er seine Tirade auf Arabisch begann und sich selbst als jemand bekannt hat, „der Mohammed seine Treue zum Dschihad geschworen hat“, eine Losung, die von Al-Qaida benutzt wird.

Die türkische Staatsanwaltschaft hat bekannt gegeben, dass sie untersucht, warum die am Tatort anwesende Polizei den Attentäter erschossen hat, statt zu versuchen, ihn festzunehmen. Auch Teile der türkischen Medien haben diese Frage aufgeworfen und darauf hingewiesen, dass die Tötung von Altintas dazu diente, eine Untersuchung seiner wirklichen Motive zu verhindern. Erdogan reagierte verärgert auf die Fragen und behauptete, ihn nicht zu töten, hätte noch mehr Menschenleben gekostet.

Die türkische Regierung hat ein offenkundiges Interesse daran, den Mord den Gülen-Anhängern anzuhängen. Damit könnte ihr polizeistaatliches Vorgehen legitimiert und gleichzeitig von den engen Verbindungen zwischen den türkischen Sicherheitskräften und den Islamisten in Syrien abgelenkt werden, die im Krieg für eine Regimewechsel gegen Assad entstanden sind.

Die Reaktion auf den Mord und auf das darauf folgende Dreiertreffen in Moskau in den Leitartikeln der beiden „führenden Tageszeitungen“ des politischen Establishments der USA am Mittwoch war sehr aufschlussreich.

Die New York Times stellt fest, dass „das Wichtigste an der dramatischen Ermordung des russischen Botschafters die Tatsache ist, dass sie die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht beschädigt hat“. Sie schließt daraus: „Die Türkei als Verbündeten zu verlieren, wäre ein weiterer inakzeptabler Nebeneffekt des syrischen Kriegs.“

Die Washington Post war unverblümter und erklärte, dass „man hätte erwarten können“, dass der Mord „die zerbrechliche Entspannungspolitik zwischen den Regimen von Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan scheitern lässt. Stattdessen hat er dazu geführt, dass eine aufkeimende Partnerschaft gestärkt wurde. Das könnte dazu führen, dass die Vereinigten Staaten aus den letzten Stadien des syrischen Bürgerkriegs ausgeschlossen werden und damit der US-Einfluss im gesamten Nahen Osten entscheidend geschwächt wird.“

Die Zeitung beschreibt den Mord als „Zeichen dafür, dass Russland für seine Intervention in Syrien möglicherweise einen Preis zahlen muss“. Sie schlussfolgerte aber auch, dass Washington mit „einem Frieden [in Syrien]“ konfrontiert werden könnte, „der eine Kette von US-feindlichen Machthabern von Damaskus und Teheran bis Ankara und Moskau stärkt“.

Die Hinweise in den beiden einflussreichsten US-Zeitungen, dass der politische Mord das Gegenteil der gewünschten Wirkung gezeitigt hat, weisen angesichts der antirussischen Hysterie, die in den letzten Monaten von der US-Regierung und den konzerngesteuerten Medien angeheizt wurden, bedrohliche Implikationen auf.

Als Bestandteil dieser antirussischen Kampagne äußerte der ehemalige CIA-Direktor Michael Morell im letzten August gegenüber einem Fernsehjournalisten, die USA sollten auf die Ereignisse in Syrien reagieren, indem sie den „moderaten“ Rebellen „insgeheim“ Grünes Licht geben, „Russen zu jagen“. Als er gefragt wurde, ob er damit meinte „Russen zu töten“, bejahte Morell das.

In einem Interview von letzter Woche erklärte Präsident Obama, dass Washington „zu einer Zeit und an einem Ort unserer Wahl“ Vergeltung an Moskau üben werde, weil dieses die US-Wahlen beeinflusst habe.

Ob Washington direkt an der Ermordung von Botschafter Karlow beteiligt war oder nicht, die Beweise deuten darauf hin, dass das Attentat von jemandem verübt wurde, der mit den Stellvertretertruppen der USA in Syrien verbündet ist. Und noch grundsätzlicher deutet schon die anfängliche Reaktion auf die Rückschläge der US-Politik im Nahen Osten darauf hin, dass noch viel umfangreichere Gewalttaten vorbereitet werden.

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