New York Daily News feiert die Ermordung des russischen Botschafters

Am Montag wurde der russische Botschafter in der Türkei, Andrei Karlow, von einem Mitglied einer Eliteeinheit der türkischen Polizei ermordet. Die Reaktion in den Leitartikeln der amerikanischen Medien war äußerst aufschlussreich.

Sowohl die New York Times als auch die Washington Post, die „Leitmedien“ des amerikanischen politischen Establishments, beklagten in ihren Leitartikeln im Wesentlichen, dass der Mord nicht zu einer Verschlechterung der erst seit kurzem wieder freundschaftlichen Beziehungen zwischen der türkischen und der russischen Regierung geführt habe.

Im Gegenteil, nur einen Tag nach der Ermordung trafen sich die Außenminister von Russland, der Türkei und dem Iran in Moskau, um in einer gemeinsamen Erklärung einen Vorschlag für einen Waffenstillstand und eine politische Einigung in Syrien darzulegen.

Washington wurde von dem Treffen ausgeschlossen. Es konnte stattfinden, weil die Stellvertreterkräfte des US-Imperialismus in Syrien, mit Al Qaida verbündete islamistische Milizen, durch den Verlust von Ost-Aleppo eine schwere Niederlage erlitten hatten. Der Verlust der letzten noch von den Islamisten kontrollierten Großstadt verdeutlicht, dass Washingtons Stellvertreterkräfte den seit sechs Jahren andauernden Krieg für einen Regimewechsel verloren haben. Dieser von der CIA organisierte Konflikt hat hunderttausende Menschenleben gekostet und Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht.

Die New York Times erklärte besorgt, die Ermordung hätte die Beziehungen zwischen Moskau und Ankara „nicht beschädigt“ und warnte, der Verlust der Türkei als Verbündeter wäre ein „weiteres nicht hinnehmbares Ergebnis des Syrienkriegs.“

Die Washington Post erklärte, die Ermordung sei „ein Zeichen, dass Russland wohl einen Preis für seine Intervention in Syrien zahlen muss.“ Allerdings kam sie auch zu dem Schluss, dass er nicht verhindern konnte, dass Russland und die Türkei ein Bündnis schließen, welches „die USA aus der Endphase des syrischen Bürgerkriegs ausschließt und den Einfluss der USA im ganzen Nahen Osten deutlich zu schwächen droht.“

Es ist klar, worauf diese Leitartikel hinauswollen. Die Times und die Post verurteilen Karlows Ermordung zwar formell, sind aber besorgt, dass sie scheinbar das Gegenteil des gewünschten Effekts bewirkt hat.

Die amerikanischen Medien und das politische Establishment führen eine erbitterte Hetzkampagne gegen Russland. Die Belagerung von Ost-Aleppo wird hysterisch als „Massaker“ oder sogar „Völkermord“ angeprangert. Führende Regierungsvertreter wie der ehemalige CIA-Chef Michael Morell deuten an, Washington müsse dafür sorgen, dass Moskau u.a. durch „Morde an Russen“ bezahlt. Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus den Reaktionen unweigerlich die Frage, ob und inwieweit Washington direkt oder indirekt an der Ermordung beteiligt war. Regierungsvertreter und Medien in Russland und der Türkei haben deutlich den Verdacht geäußert, dass es direkte Verbindungen gibt.

Doch in einem Teil der Medien wird die Ermordung nicht einmal zum Schein abgelehnt.

Die New York Daily News veröffentlichte am Dienstag eine Kolumne von Gersh Kuntzman, laut deren Schlagzeile die Ermordung des Botschafters kein Terrorismus war, sondern „Vergeltung für Wladimir Putins Kriegsverbrechen.“

Er behauptete in seiner Kolumne, Karlows Ermordung in einer Kunstgalerie sei ein „Akt der Gerechtigkeit“ gewesen. Mit solchen bösartigen Äußerungen machen sich Kuntzman und die Daily News post factum zu Komplizen bei Karlows Ermordung.

Kuntzman beschreibt sich selbst als „Liberalen“ und hatte sich vor der Wahl offen zum Unterstützer der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton erklärt. Er beteiligte sich begeistert an der Propagandakampagne im Stile der McCarthy-Ära rund um die unbewiesenen Behauptungen, Russland hätte durch Hackerangriffe die amerikanische Wahl beeinflusst. In einer anderen Kolumne hatte Kuntzman den russischen Präsidenten Putin als „mörderischen und expansionistischen Autokraten“ bezeichnet, der sich in die „jahrzehntelange Kette von mörderischen expansionistischen Autokraten einreihe – von den Zaren über die Bolschewiki und vom Kalten Krieg bis heute“.

Kuntzman bemüht die typische US-Propaganda über die von Russland unterstützte Belagerung von Ost-Aleppo: er stellt sie als völlig einseitiges Massaker an Zivilisten dar. Die von den USA unterstützten Milizen, die die Stadtbevölkerung terrorisiert haben, erwähnt er mit keinem Wort.

Er schreibt, Karlow, dessen Karriere Mitte der 1970er Jahre im sowjetischen Diplomatenkorps begann, „war kein Diplomat, sondern ein Soldat, und sein Tod ist gerechtfertigt, egal ob auf einem Schlachtfeld außerhalb von Aleppo oder in einer Kunstgalerie in Ankara.“

Man darf bezweifeln, dass Kuntzman die gleiche Haltung einnehmen würde, wenn ein amerikanischer Botschafter von einem der Millionen von Irakern, Afghanen, Libyern, Jemeniten, Somalis, Pakistani oder Syrern getötet worden wäre, deren Familien und Angehörige durch die Militärinterventionen der USA getötet wurden.

Kuntzmans unaufrichtige und abstoßende Kolumne wird noch abscheulicher durch seinen Versuch, eine historische Analogie zwischen Karlows Ermordung in Ankara und der Ermordung eines Nazifunktionärs durch den siebzehnjährigen Herschel Grynszpan zu ziehen. Grynszpan war als Sohn polnisch-jüdischer Eltern in Deutschland aufgewachsen.

Am 7. November 1938 tötete er den deutschen Botschaftssekretär und SA-Mann Ernst vom Rath in Paris. Kuntzman schreibt weiter, vom Raths Verbrechen sei gewesen, dass er „sich der Naziführung hätte entgegenstellen können, als es darauf am meisten ankam, aber er hat es nicht getan.“ Mit diesem Unsinn versucht Kuntzman offensichtlich, seine Gleichstellung von vom Rath mit Karlow zu bekräftigen.

Kurz bevor Grynszpan den Mord verübte, hatte das Naziregime die Massenabschiebung von etwa 12.000 polnischen Juden angeordnet, zu denen auch Grynszpans Eltern gehörten. Sie wurden brutal zusammengetrieben und an der polnischen Grenze abgesetzt. Die Ermordung diente als Vorwand für die als „Kristallnacht“ bekannten Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung Deutschlands. Grynszpan wurde zuerst von der französischen Regierung verhaftet, später von den Nazis, schließlich wurde er vermutlich 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet.

Nach der Ermordung verteidigte Leo Trotzki, der Führer der Russischen Revolution und Gründer der Vierten Internationale, Grynszpan gegen die Verleumdungen der Nazis und der Moskauer Stalinisten. Er machte zwar deutlich, dass Marxisten die Taktik des individuellen Terrors ablehnen, erkannte aber an, dass „Grynszpan kein politischer Militant ist, sondern ein junger unerfahrener Mensch, fast ein Kind, dem das Gefühl der Empörung der alleinige Ratgeber war. Daher ist unsere Sympathie für ihn um so größer.“

Weiter schrieb Trotzki: „Die beispiellosen Verbrechen des Faschismus erzeugen einen völlig gerechtfertigten Rachedurst. Doch die Menge dieser Verbrechen ist so ungeheuerlich, dass dieser Durst nicht durch den Mord an isolierten faschistischen Bürokraten gestillt werden kann. Dazu müssen Millionen, zehn und hunderte Millionen Unterdrückter in der ganzen Welt mobilisiert und zum Ansturm gegen die Grundlagen der alten Gesellschaft geführt werden.“

Kuntzman hat keine derartigen Bedenken. Für ihn ist Terrorismus gegen Russland, den erklärten Feind des US-Imperialismus, kein Problem. Um ihn zu rechtfertigen setzt er Putins Taten mit denen von Hitler gleich und macht damit gleichzeitig Stimmung für einen Krieg gegen Russland und verharmlost und relativiert die historischen Verbrechen der Nazis.

Mit diesen Vergleichen versucht Kuntzman nicht nur, Karlows Ermordung zu legitimieren, sondern verunglimpft gleichzeitig auch das Gedenken an Grynszpan. Er setzt seine Tat mit denen der reaktionärsten faschistischen und spalterischen Kräfte gleich.

Mevlüt Mert Altıntaş, der Botschafter Karlow von hinten mit neun Kugeln erschossen hat, war kein unschuldiger Jugendlicher, sondern ein ausgebildeter Killer. Er war Mitglied der Bereitschaftspolizei von Ankara, die angeblich für die Sicherheit des türkischen Präsidenten verantwortlich ist.

Zudem gibt es überzeugende Beweise, dass er bei der Ermordung von Al Qaida-nahen Milizen in Syrien unterstützt wurde. Nach der Ermordung des Botschafters begann Altıntaş zuerst auf Arabisch und dann auf Türkisch zu rufen, er sei einer derjenigen, der „Mohammed die Treue im Dschihad“ schwört – eine Parole, die von Al Qaida benutzt wird. Zudem übernahm die Jaish al-Fatah (Armee der Eroberung), das gemeinsame Kommandozentrum der islamistischen Milizen, die von dem syrischen Al Qaida-Ableger dominiert werden, am Mittwoch in einer Stellungnahme die Verantwortung für den Mord.

Natürlich findet nichts davon seinen Weg in Kuntzmans verachtenswerte Kolumne. Dass eine große amerikanische Zeitung einen Text veröffentlicht, der einen Al Qaida-Killer zum Helden erklärt und Terrorismus rechtfertigt, ist ein aufschlussreiches Anzeichen für die Krise und die Desorientierung des herrschenden Establishments der USA. Es ist außerdem eine Warnung, dass solche Kräfte in noch tödlicheren Aktionen eingesetzt werden, und ein Anzeichen für den fortgeschrittenen Zustand der Kriegsvorbereitungen gegen Russland.

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