Erfolgreiche IYSSE-Versammlung zu Trump an der Ruhr-Uni Bochum

Die Versammlung „Wohin geht Amerika? Die Trump-Wahl und der weltweite Kampf gegen Militarismus und Krieg“ am 31. Januar war ein wichtiger Schritt im Aufbau der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE). Die meisten der fast fünfzig Teilnehmer waren Studierende der Ruhr-Uni Bochum, die trotz der gerade beginnenden Klausurphase den Vortrag und die Diskussion nicht verpassen wollten.

Trumps Präsidentschaft sei eine „historische Zäsur“, erklärte Philipp Frisch, der Sprecher der IYSSE in Nordrhein-Westfalen, zu Beginn der Veranstaltung. Schon in der ersten Woche nach seinem Amtsantritt habe der neue US-Präsident Maßnahmen ergriffen, die zu Krieg, Diktatur und heftigen sozialen Angriffen führten. „Nur eine Massenbewegung der Arbeiterklasse kann diese Entwicklung stoppen.“ Die Vorbereitung einer sozialistischen und internationalen Grundlage für eine solche Bewegung sei die wichtigste Aufgabe der IYSSE.

Johannes Stern, der den Hauptvortrag hielt, ist Mitglied der IYSSE sowie der Redaktion der World Socialist Web Site. Er gab zunächst einen Überblick über die rechten Dekrete, die Trump bereits in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft erlassen hat: darunter ein Einreiseverbot für Muslime und Flüchtlinge, die Errichtung einer Mauer an der Grenze zu Mexiko und der „Wiederaufbau“ des US-Militärs, um die USA auf Konflikte mit „near-peer competitors“ (fast ebenbürtigen Konkurrenten) wie Russland und China vorzubereiten.

Bereits nach der ersten Amtswoche habe sich die Illusion in Luft aufgelöst, Trump werde sich als Präsident weniger extrem erweisen, als im Wahlkampf angekündigt. Trumps rechte und militaristische Politik entspringe dabei keineswegs nur der individuellen Brutalität des Präsidenten, sondern sei das Programm der amerikanischen Oligarchie. „Trumps Kabinett ist eine Ansammlung von Multimilliardären, Millionären, Wirtschaftsführern, Geheimdienstleuten und führenden Militärs – eine Regierung von den Reichen, durch die Reichen und für die Reichen“, erklärte Stern.

Trumps Slogan „Make America Great again“ bedeute in der Praxis die Abschaffung aller sozialen Errungenschaften, die sich die Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten historisch erkämpft habe. Und hinter der Forderung „America First“ stehe der Anspruch der Trump-Regierung, die globalen Interessen des US-Imperialismus ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen. „Trump wird den Konflikt mit allen Ländern eskalieren, deren geopolitische und wirtschaftliche Interessen denjenigen der USA entgegenstehen,“ warnte Stern.

Deutschland sei dabei eines der Hauptziele, und die herrschende Klasse werde sich dessen zunehmend bewusst. Stern zitierte aus einem Artikel in der aktuellen Ausgabe des Spiegel, der vor einem „einmaligen Einschnitt in den transatlantischen Beziehungen“ seit dem Zweiten Weltkrieg warnt und sogar einen möglichen „Wandel von Freund zu Feind“ prognostiziert.

Letztlich kämen alle historischen Fragen und Widersprüche, die im letzten Jahrhundert bereits zwei Weltkriege aber auch die Oktoberrevolution hervorgebracht hätten, wieder auf die Tagesordnung, so Stern. Das nach der Auflösung der Sowjetunion von bürgerlichen Ideologen gefeierte „Ende der Geschichte“ habe sich als Luftschloss entpuppt, nun kehre die Geschichte mit Macht zurück.

Zu den aktuellen Massendemonstrationen in den USA sagte Stern, nie zuvor habe es in der Geschichte eine Situation gegeben, in der schon am ersten Tag der Amtszeit eines US-Präsidenten Millionen Menschen gegen ihn auf die Straße gegangen seien. „Diese Proteste haben eins deutlich gemacht: Trump ist keineswegs aufgrund einer Rechtswende in der weißen Arbeiterklasse an die Macht gekommen.“

Stern untermauerte das anhand von Statistiken und ging auf die Hauptverantwortlichen für Trumps Wahlsieg ein: die Kandidatin der Demokraten Hillary Clinton habe Trump im Wahlkampf vor allem von rechts angegriffen und ihn als „Agenten Putins“ attackiert. Sein Vorgänger Barack Obama sei vor acht Jahren als angeblicher Kandidat der „Hoffnung“ und des „Wandels“ auch von vielen Arbeitern unterstützt worden, habe aber dann die verhasste Kriegspolitik von George Bush weitergeführt und die ganze Last der Finanzkrise von 2008 auf die Arbeiter abgewälzt.

Hinzu kämen Bernie Sanders und die pseudolinken Organisationen und Gewerkschaften. „Sanders hatte in den Vorwahlen vor allem deshalb Unterstützung gewonnen, weil er sich als Sozialist ausgab und eine politische Revolution gegen die Milliardärsklasse propagierte. Dann hat er jedoch zur Stimmabgabe von Clinton, einer Vertreterin der Wall Street und des politischen Establishments aufgerufen und es Trump damit ermöglicht, die weit verbreitete Wut auszuschlachten und in eine nationalistische Richtung zu lenken“.

Auch sei der Aufstieg Trumps nur im Zusammenhang mit den politischen und historischen Entwicklungen der letzten 25 Jahre zu verstehen. Stern erwähnte u.a. die US-geführten Angriffskriege in Afrika, im Nahen Osten und Afghanistan, den regelrechten Zusammenbruch der amerikanischen Demokratie (die „gestohlene Wahl“ 2000, Guantanamo, Abu Ghraib, Obamas Drohnenmordprogramm) und die extreme soziale Polarisierung im Land, die mit einer massiven Aufrüstung des Sicherheitsapparats einhergegangen sei.

„Wenn Trump jetzt die Kriegspolitik verschärft und einen Marine-General zum Chef der Homeland Security ernennt, setzt er die Außen- und Innenpolitik seiner Vorgänger fort“, erklärte Stern.

Der Widerstand gegen Trump könne nur zum Erfolg führen, wenn er sich gegen den Kapitalismus und alle seine politischen Vertreter richte und „wenn er von der Arbeiterklasse als der entscheidenden revolutionären Kraft in der kapitalistischen Gesellschaft ausgeht“. Daher müsse „die Verteidigung demokratischer Rechte – einschließlich der Rechte von Frauen, Minderheiten, Einwanderern und Schwulen – mit dem Kampf gegen Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, Armut, Polizeigewalt, Diktatur und vor allem gegen Krieg verbunden werden,“ zitierte Stern aus einer Erklärung der Socialist Equality Party in den USA mit dem Titel „Der Weg vorwärts im Kampf gegen Trump“.

Im letzten Teil seiner Rede betonte Stern, dass der Aufbau einer Antikriegsbewegung auf sozialistischer Grundlage vor allem auch in Europa von großer Dringlichkeit sei. Gerade die herrschende Klasse Deutschlands nutze Trumps konfrontativen Kurs regelrecht als Chance, um ihre eigenen Großmachtpläne und die Rückkehr des deutschen Militarismus voranzutreiben.

Stern erklärte, wie die jüngsten personellen Veränderungen in der SPD in Zusammenhang zur Übernahme der amerikanischen Präsidentschaft durch Trump stehen. Sie zielten darauf ab, die wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen des deutschen Imperialismus notfalls auch gegen die Vereinigten Staaten durchzusetzen. So habe der neue Außenminister Sigmar Gabriel schon unmittelbar nach Trumps Antrittsrede gefordert, nun „beinhart“ die eigenen Interessen zu definieren und in ganz Europa und weltweit zu verfolgen. Die Linkspartei stimme mit diesem Kurs überein und biete sich der SPD als Partner in einer möglichen rot-rot-grünen Bundesregierung an.

Stern beendete seinen Vortrag mit einem Zitat aus David North‘ Vortrag vom 22. Oktober an der Frankfurter Goethe-Universität, den die IYSSE jüngst auch als Broschüre veröffentlicht hat: „Wir leben in revolutionären Zeiten. Die Widersprüche, die den Krieg hervorbringen, bereiten auch den Boden für die soziale Revolution.“ Die globale Entwicklung des Kapitalismus habe „die Reihen der Arbeiterklasse enorm verstärkt. Das ist die grundlegende gesellschaftliche Kraft, an die sich Marxisten wenden.“ Die große Herausforderung bestehe jetzt darin, „eine Vorhut aus fortgeschrittenen Arbeitern politisch so auszubilden, dass sie in der Lage ist, die kommende Massenbewegung der Arbeiterklasse zur Eroberung der politischen Macht zu führen“.

Dem Vortrag folgte eine lange und intensive Diskussion. Unter anderem ging es um die tiefe Krise der Europäischen Union, die Frage der Verteidigung von demokratischen Rechten und die Frage des Kampfs für sozialistisches Bewusstsein in der Arbeiterklasse. Ein Teilnehmer verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass die amerikanische Justiz Trump möglicherweise doch „in die Schranken weise“. Stern bezeichnete dies als eine „gefährliche Illusion“. Auch 1933 habe es viele geben, die hofften, man werde Hitler schon irgendwie „einhegen“ und unter Kontrolle bringen können.

Kaspar

Noch lange nach dem offiziellen Ende der Versammlung wurde draußen am Büchertisch weiter diskutiert. Zwei Brüder, Kaspar und Niklas, die Sport und Biologie studieren, sagten: „Das war ein sehr interessanter Vortrag.“ Er habe ihnen „viele neue Aspekte“ aufgezeigt. Jetzt sei offenbar ein Zeitpunkt, wo sich viele junge Menschen neu der Politik zuwenden.

„Die Entwicklung mit Trump hat viele Leute politisiert“, sagte Niklas. „Sie richten den Blick auf Amerika, aber sie kriegen auch die Entwicklung in Europa mit. Was geht hier in der rechten Szene vor? Und was passiert in Europa mit den Daten oder mit den Flüchtlingen? Was wird aus dem ganzen europäischen Konstrukt?“

Niklas

Über diese brennenden Themen erfahre man wenig Konkretes an der Universität, sagte Paulina, die Englisch und Religionswissenschaften studiert. „Dabei ist es generell wichtig, darüber zu sprechen.“ An der Uni habe nur eine einzige Professorin nach der Wahl Donald Trumps das Thema angesprochen. „Das ist wirklich ein Defizit im Bildungswesen. Die Dinge, die live passieren, werden nicht thematisiert. Deshalb fand ich diesen Vortrag sehr, sehr wichtig.“

Ein iranisches Paar, beides Studierende der Ruhr-Uni, hatte die Veranstaltung ebenfalls mit großem Interesse verfolgt. „Wir sind schockiert über das, was zurzeit in den USA passiert“, sagte die junge Frau und erwähnte das Einreiseverbot für Muslime, das dazu führt, dass Tausende an den Flughäfen abgewiesen oder sogar festgenommen werden.

„Trump erklärt die Muslime zu Bürgern zweiter Klasse“, sagte sie. „Man muss doch den Begriff ‚Muslim‘ nur durch ‚Jude‘ ersetzen, dann hat man einen neuen Hitler.“ Das jüngste Geschehen zeige aber auch, dass der Kapitalismus nicht einmal mehr in den Vereinigten Staaten funktioniere. „Die Entwicklung treibt mehr und mehr auf einen Krieg zu. Es geht uns alle an. Das hat der Vortrag sehr deutlich gemacht.“

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