IG Metall und Betriebsräte spielen Bombardier-Werke gegeneinander aus

Der kanadische Flugzeug- und Zughersteller Bombardier plant einen massiven Arbeitsplatzabbau in seinen Werken, auch Werksschließungen sind nicht ausgeschlossen. Die IG Metall und die Betriebsräte spielen die einzelnen Standorte gegeneinander aus, um die Angriffe durchzusetzen.

Besonders bedroht ist das Werk in Görlitz mit über 2300 Beschäftigten. Die Zugsparte Bombardier Transportation will dort die Produktion auf die Fertigung von Aluminium-Wagenkästen beschränken. Das erklärte der Vorsitzende der deutschen Geschäftsführung Michael Fohrer kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Auch in Hennigsdorf droht der Abbau von Hunderten von Arbeitsstellen, wenn die Produktion auf die Herstellung von Prototypen beschränkt wird. Der Standort in Bautzen soll hingegen mit 20 Millionen Euro zum „industriellen Leitstandort“ für die Serienfertigung von Zügen entwickelt werden.

Der Arbeitsplatzabbau ist Teil einer zweiten weltweiten Entlassungsrunde, in deren Zuge nochmals 7500 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Bereits im Februar und März des letzten Jahres hatte Bombardier angekündigt, weltweit rund 7000 Stellen zu streichen.

Im Görlitzer Werk wird bereits seit Monaten die Fertigungstiefe systematisch abgebaut. Wo bisher Doppelstockzüge und Teile des neuen ICE 4 produziert wurden, einschließlich Engineering, Innenausbau, Stahl- und Aluminiumrohbau, kommt die Einschränkung auf die Produktion von Aluminium-Wagenkästen einer Galgenfrist bis zur völligen Schließung gleich. Aus Betriebsratskreisen verlautete, der Trend gehe eindeutig weg von Aluminium zu Stahl und Edelstahl.

Bombardierchef Fohrer begründet das Rationalisierungsprogramm des Konzerns, der weltweit über 61 Standorte in 26 Ländern unterhält, mit dem Konkurrenzdruck des internationalen Marktes, wo Hersteller aus Asien und Osteuropa verstärkt bei Ausschreibungen mitbieten. Diese drückten wegen ihres niedrigeren Lohnniveaus und staatlicher Subventionen das Preisniveau herab. Außerdem forderten Großkunden, dass Produktion und Service in ihrem Land stattfinden.

Da in der Luftfahrtsparte des Konzerns in den vergangenen Jahren hohe Verluste eingefahren wurden, besteht auch von dieser Seite her Druck auf den Konzern, die Kosten zu senken. Während das operative Ergebnis (Gewinn vor Zinsen und Steuern) der Sparte Transportation im Jahre 2015 noch 465 Millionen Dollar betrug, lag die Luftfahrtsparte mit über fünf Milliarden Dollar im negativen Bereich.

Die Lösung liege laut Fohrer in einer „Spezialisierung der Standorte in Entwicklungs- und Produktionszentren“ sowie im Übergang von auftragsspezifischer Konstruktion und Fertigung zum kostensparenden „Baukastenprinzip“, bei dem verschiedene Zugmodelle gleiche Baumodule verwenden können. Außerdem solle die Automatisierung und Digitalisierung der Produktion auf einen modernen Stand gebracht werden. „Wir wollen, um das geflügelte Wort zu benutzen, die Industrie 4.0 bei uns umsetzen“, erklärte Fohrer.

Langfristige Standortgarantien könne er dabei nicht geben, sagte der Manager im Interview, das wäre „unseriös“.

Arbeitsplatzabbau und womöglich Werksschließungen sind nicht auf Ostdeutschland beschränkt. So soll das Lok-Engineering, das in Görlitz schon im letzten Jahr eingestellt worden ist, auch aus Polen, der Schweiz und Italien abgezogen und in Mannheim konzentriert werden. Kassel soll das weltweite Produktionszentrum für Loks, Hennigsdorf das Kompetenzzentrum für die Entwicklung von S- und U-Bahnen, Regional- und Fernzügen, Braunschweig der Standort für Signal- und Steuerungstechnik und Siegen das Zentrum für die Entwicklung, Herstellung und Wartung von Drehgestellen werden.

Konkrete Zahlen zu den Auswirkungen dieses Umbaus in den einzelnen Standorten blieb Fohrer schuldig. Jetzt käme es erst einmal darauf an, sicherzustellen, „dass wir die Aufträge all unserer Kunden, darunter die großen Bahnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, ohne Einschränkungen bedienen können“.

Fohrer will so einerseits die bestehenden Aufträge noch ins Trockene bringen, bevor er im Juli 2017 die endgültige Rationalisierungsentscheidung verkündet. Andererseits haben er, die IG Metall und die Betriebsräte so die Möglichkeit, in den nächsten Monaten die Standorte gegeneinander auszuspielen und die Belegschaften zu zermürben.

Insbesondere die Arbeiter in Görlitz befürchten zu Recht, dass das abzeichnende Programm auf die vollständige Schließung ihres Werks hinausläuft. Sie wollen daher nicht still abwarten, bis die Konzernspitze ihr Aus verkündet. „Die Leute sind auf dem Baum – die Zeichen stehen auf Sturm“, sagt René Straube, der Betriebsratsvorsitzende in Görlitz auf der Solidaritäts-Webseite der IG Metall. „Unsere Kernkompetenz des Stahl-Rohbaus wegzunehmen, ist mehr als fatal. Klar ist: Bombardier bezieht dann keinerlei Stahl-Rohbauten mehr aus Deutschland.“

Um die Arbeiter zu besänftigen, war Mitte Januar sogar Sigmar Gabriel (SPD), damals noch Bundeswirtschaftsminister, zusammen mit den Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen gemeinsam mit Betriebsräten und Gewerkschaftsfunktionären zum Bombardier-Management geeilt. Anschließend verteilten alle verbale Beruhigungspillen an die Belegschaften in Deutschland.

Doch es sind gerade die Gewerkschaft und die Betriebsräte, die die Angriffe ohne „Sturm“ durchsetzen wollen. Sie warnen ausdrücklich vor Streiks, wie der IG-Metall-Chef für Ostsachsen, Jan Otto, auf einer Mitgliederversammlung der Görlitzer IGM-Mitglieder im Januar. Forderungen von Arbeitern, einen Kampf zu organisieren wehrte er dort brüsk ab. Die Sorge der IG Metall und ihrer Betriebsräte gilt nicht den Massenentlassungen oder der Schließung von Werken, sondern der „Wettbewerbsfähigkeit“ des Konzerns.

Schon im letzten Jahr hatte der Gesamtbetriebsrat daher ein eigenes Rationalisierungskonzept unter dem Titel „Fahrplan Zu(g)kunft“ ausgearbeitet und dem Management überreicht.

Die Grundprämisse, dass der Konzern in eine „wirtschaftliche Schieflage“ geraten sei und daher Veränderungen notwendig seien, teilen die Betriebsräte darin mit dem Management. Und es ist diese Behauptung, die den internen Wettbewerb der einzelnen Standorte beflügelt. Ein Betriebsrat aus Görlitz bestätigte dies gegenüber der WSWS: „Es gibt schon einen kleinen internen Konkurrenzkampf.“

Das dürfte stark untertrieben gewesen sein. In Wirklichkeit wird mit dem „Fahrplan Zu(g)kunft“ das Hauen und Stechen unter den Betriebsräten der einzelnen Standorte losgegangen sein. Ein jeder wird sein Werk als das kostengünstigste und wettbewerbsfähigste angepriesen haben. Und um mit dem „eigenen Standort“ in diesem konzerninternen Kampf beim Management nicht in Misskredit zu fallen, sprechen sich die Betriebsräte vehement gegen Arbeitskampfmaßnahmen aus.

Sie haben den Umbau mit all seinen Folgen schon längst akzeptiert. Sie bestehen aber darauf, dass sie diejenigen sind, die Werksschließungen und Arbeitsplatzabbau durchsetzen – mit ihren Methoden. Eine dieser Methoden ist der Abbau über Sozialpläne, Abfindungen, Frühverrentungen oder dem Rauswurf von Leiharbeitern. „Mit uns wird es keine betriebsbedingten Kündigungen geben!“, ist die kategorische Aussage vom IGM-Funktionär Otto. Das ist das Codewort, das der Unternehmensführung signalisiert, dass man grundsätzlich dem Abbau von Arbeitsplätzen zustimmt und damit die Interessen der Arbeiter dem Profitstreben unterordnet.

Dieses bankrotte Schauspiel wurde nirgends so offensichtlich wie bei der Schließung des Opel-Werks in Bochum Ende 2014. Angeblich sollte die Schließung der Opel-Fabriken in Bochum und zuvor in Antwerpen die restlichen Arbeitsplätze retten. Inzwischen will General Motors Opel/Vauxhall an Peugeot-Citroën (PSA) verkaufen, was Zigtausende von Arbeitsplätzen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und vielen anderen Ländern in Frage stellt.

Um den Druck der Arbeiter in Görlitz ein wenig abzulassen, ruft die IG Metall dort am 4. März zu einer Demonstration auf. „War‘s das?“, fragt die IG Metall auf ihrer Solidaritäts-Webseite. Die Antwort ist ein uneingeschränktes „Ja!“ – so lange die Verteidigung der Arbeitsplätze in den Händen der Gewerkschaft und der Betriebsräte bleibt. Ihnen muss mit derselben Feindschaft entgegengetreten werden wie der Konzernleitung. Den Kampf um Arbeitsplätze müssen die Belegschaften selbst in die Hand zu nehmen.

Das erfordert zuerst, mit der prokapitalistischen Politik der IG Metall und ihrer betrieblichen Vertreter zu brechen. Arbeiter müssen die Prämisse zurückweisen, dass die ‚Profitabilität‘, das heißt, die Interessen der Finanzmärkte und Aktienbesitzer, über die Produktion und damit über die Lebensbedingungen von Arbeitern und ihren Familien entscheidet. Nur eine sozialistische und internationale Perspektive, die die Interessen der arbeitenden Bevölkerung höher stellt, als die Profite der Unternehmen, kann die Grundlage für den Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen internationalen Standorten sein.

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