Diese Woche in der Russischen Revolution

13.–19. März: Zar Nikolaus II. dankt ab

Drei Jahrhunderte lang regierte die Herrscherfamilie der Romanows Russland und das gewaltige russische Imperium. Im Jahr 1613, als die Romanows in Moskau an die Macht kamen, regierten in England das Haus Stuart und in Frankreich die Dynastie der Kapetinger. Die Romanows profitierten von der kulturellen und wirtschaftlichen Rückständigkeit Russlands. Sie überlebten ihre europäischen Rivalen um beträchtliche Zeit. Letztere waren unter den Musketen des Bürgerkriegs in England und der Guillotine der Französischen Revolution gefallen. Die Romanows überlebten Napoleons Armeen, Palastintrigen und Morde. Gnadenlos zerstampften sie alle revolutionären Bedrohungen, ihre Armeen ertränkten die Revolutionen von 1848 in Osteuropa im Blut, und ihre Kosaken und Schwarzhundertschaften unterdrückten grausam jegliche Opposition im Russischen Reich und gingen brutal gegen die jüdische Bevölkerung vor.

Ausschnitt aus „Vom Zar zu Lenin“ über den Despotismus des Zaren

Heerscharen von Revolutionären, darunter Lenins Bruder Alexander Iljitsch Uljanow, wurden zum Tod am Galgen verurteilt, andere nach Sibirien verbannt und viele Tausende wie Lenin, Trotzki und Georgi Plechanow, der Vater des russischen Marxismus, mussten ins ausländische Exil fliehen. Auf diese Weise erbte Nikolas II. die größte Armee der Welt und ein Imperium, das sich über ein Sechstel der Landmasse der Erde erstreckte. Aber die scheinbar zeitlose und mächtige Herrschaft des Hauses Romanow sollte diese Woche im Februar 1917 nicht überleben.

Hier ist ein Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm „Vom Zar zu Lenin“ zu sehen, in dem der Despotismus des Zaren gezeigt wird, der in der Februarrevolution 1917 gestürzt wurde. Der Film ist beim Mehring Verlag erhältlich.

Petrograd, 13. März (28. Februar): Petrograder Sowjet und Duma-Komitee nehmen Verhandlungen über Provisorische Regierung auf

Aufruf des Petrograder Sowjets der Arbeiterdelegierten an die Bevölkerung Petrograds und Russlands

Die wirkliche Macht in Petrograd liegt jetzt beim Petrograder Sowjet der Arbeiterdelegierten. Er gibt einen Aufruf an die Bevölkerung in Petrograd und ganz Russland heraus, in dem die Bildung einer verfassungsgebenden Versammlung gefordert wird. „Das alte Regime muss vollständig beseitigt und der Weg für eine Volksregierung freigemacht werden. Das ist die Rettung für Russland. Um in diesem Kampf für die Demokratie erfolgreich zu sein, muss das Volk sein eigenes Regierungsorgan wählen.“

Die menschewistischen Führer des Sowjets und die Liberalen vom Duma-Komitee sind ängstlich bemüht, inmitten des revolutionären Aufstands die bürgerliche Ordnung aufrechtzuerhalten, und beginnen fieberhaft, über eine neue Regierung zu verhandeln. Der Menschewik Michail Iljitsch Skobelew, ein Mitglied sowohl der Duma als auch des Sowjets, beschreibt später die herrschende Verwirrung in diesen Kreisen: „… die Ereignisse entwickelten sich so unglaublich, dass wir keine klare Sicht über den künftigen Erfolg der Revolution hatten. Daher glaubten wir nicht, dass es die Sache wert sei, wirklich einen Kampf über die Frage der Regentschaft zu beginnen oder einen Bruch zu riskieren. Wir selbst konnten das gesamte Ausmaß der Revolution nicht abschätzen und wussten nicht, ob wir Petrograd unter Kontrolle hatten.“ [Aus dem Englischen]

Petrograd, 14. März (1. März): Der Befehl Nr. 1 des Petrograder Sowjets

Kurz nach seiner Konstituierung versucht das Duma-Komitee die Soldaten in Petrograd dazu zu bewegen, zu ihren Regimentern zurückzukehren und sich wieder der Militärdisziplin zu unterwerfen. Dieser Versuch versetzt die rebellierenden Soldaten in Wut. Sie fordern, dass das Duma-Komitee einen Befehl zur Reform des Militärs herausgeben solle. Als diese Forderung abgelehnt wird, erklären die Soldaten einem Bericht zufolge: „Dann verfassen wir das selbst.“

Auf Verlangen der Soldaten gibt der Petrograder Sowjet seinen „Befehl Nr. 1“ heraus, den Trotzki als das „einzige würdige Dokument der Februarrevolution“ bezeichnete. Es veranschaulicht das Phänomen der „Doppelherrschaft“. Der Petrograder Sowjet beansprucht die Autorität, die Entscheidungen des Dumakomitees aufzuheben. Als Befehl, nicht etwa als Resolution, instruiert der Petrograder Sowjet die Soldaten, keinerlei Befehle des Dumakomitees zu beachten, die denen des Sowjets widersprechen. Auch sollen die Soldaten in allen politischen Fragen ausschließlich den Instruktionen des Sowjets folgen.

Der Befehl fordert die Soldaten und Matrosen auf, in allen militärischen Einheiten Komitees zu wählen und die Kontrolle über „alle Arten von Waffen wie Gewehre, Maschinengewehre, Panzerautos usw.“ zu übernehmen. Den Offizieren wird jeglicher Zugang zu den Waffen strengstens untersagt. Schließlich manifestiert sich die neue durch die Revolution erreichte Würde der Massen dadurch, dass die respektlose informelle Anrede mit „Du“ (russisch „ti“) durch militärische Vorgesetzte abgeschafft wird, wenn sie zu ihren Untergebenen sprechen. Auch brauchen Soldaten ihre Offiziere nicht mehr mit „Eure Exzellenz“ anreden oder salutieren, wenn sie außer Dienst sind.

Trotzki bemerkt, dass „der mutige Befehl zum Hauptargument der Bourgeoisie gegen die Sowjets“ wurde, da in ihm das Haupthindernis gesehen wurde, um die deutschen Truppen zu besiegen. Dem Historiker Rex Wade zufolge erwies sich der Befehl Nr. 1 „als eines der wichtigsten Dokumente der Revolution. Er löste einen gewaltigen Umsturz der Verhältnisse im Militär aus, der dann in den folgenden Monaten gewaltige Auswirkungen für die politische Macht und das Schicksal der russischen Armee hatte.“ [Aus dem Englischen]

(Die deutsche Fassung des „Befehl Nr. 1“ ist unter folgender Quelle zu finden: „Die russische Revolution 1917“, München 1964, S. 133)

Petrograd, 15. März (2. März): Nikolaus II. dankt ab. Die Provisorische Regierung wird gebildet

Faksimile der telegrafischen Ankündigung der Abdankung des Zaren

Zar Nikolaus II. dankt ab und übergibt den Thron dem Großherzog Michail Alexandrowitsch, der „in voller Übereinstimmung mit den Volksvertretern in den gesetzgebenden Körperschaften die Regierung … auf den Grundlagen, die von ihnen festgesetzt werden“, führen soll.

Im Telegramm, in dem die Abdankung des Zaren angekündigt wird, heißt es: „Revolution in Petrograd! Der Zar hat abgedankt! Das Volk und die Armee fordern Frieden!“ Weiter wird dort von der Bildung einer Provisorischen Regierung, der Verhaftung von Ministern durch die Revolutionäre berichtet und dass „30.000 Soldaten der Hauptstadtgarnison auf die Seite der Revolution“ übergewechselt seien.

Das Dumakomitee und die menschewistischen Führer des Sowjets geben die Zusammensetzung der Provisorischen Regierung bekannt. Obwohl die Arbeiter in Petrograd die Macht haben, kommen die meisten Minister aus der bürgerlich-liberalen Kadettenpartei. Fürst Lwow wird zum Premierminister ernannt. Die Provisorische Regierung erklärt, dass sie den Grundsätzen der Rede- und Pressefreiheit gemäß handeln, das Streikrecht, das allgemeine Wahlrecht anerkennen und die strikte militärische Disziplin aufrecht erhalten werde.

Zürich, 15. März: Lenin erfährt von der Revolution

Gedenktafel am Haus in der Spiegelgasse, in dem Lenin und seine Frau wohnten, ehe sie nach Russland zurückkehrten

„Hast Du Nachrichten gehört?“ fragt Moisei Bronski Lenin am Morgen, nachdem er die Treppen zu dessen Exilwohnung in der Spiegelgasse 13 in Zürich emporgestürmt war. „In Russland ist Revolution.“ Lenin macht sich mit Bronski daran, mehr Einzelheiten zu erfahren. „Es ist atemberaubend.“ Später am Tag schreibt Lenin: „Wenn die Deutschen nicht lügen, ist es wirklich geschehen.“

Am nächsten Tag weist Lenin Alexandra Kollontai an, die sich in Norwegen befindet, der Partei in Petrograd seine Anweisungen mitzuteilen. „Unsere Taktik vollständiges Misstrauen, keine Unterstützung der neuen Regierung; Kerenski besonders verdächtig; Bewaffnung des Proletariats die einzige Garantie …“ Nadeschda Krupskaja, Lenins Frau und Genossin, erinnerte sich später: „Vom ersten Augenblick an, nachdem die Nachricht von der Februarrevolution eingetroffen war, brannte Lenin darauf, nach Russland zu fahren.“

Zwei Tage später schreibt Lenin seinen „Thesenentwurf über die Revolution“. Obwohl die Informationen, die ihm zur Verfügung stehen, sehr beschränkt sind, arbeitet er die entscheidenden Fragen heraus, vor denen die Arbeiterklasse nach dem Sturz des Zaren steht.

Die neue Regierung kann den Völkern Russlands (und auch den Nationen, die durch den Krieg mit uns verbunden sind) weder Frieden und Brot noch volle Freiheit geben, und deshalb muss die Arbeiterklasse ihren Kampf für den Sozialismus und den Frieden fortsetzen, dafür die neue Situation ausnützen und sie den breitesten Volksmassen klarmachen. Die neue Regierung kann keinen Frieden bringen, einerseits weil sie die Repräsentantin der Kapitalisten und Gutsbesitzer ist, und anderseits weil sie durch Verträge und finanzielle Verpflichtungen an die Kapitalisten Englands und Frankreichs gebunden ist. …Frieden, Brot und volle Freiheit kann das Volk nur von einer Arbeiterregierung erhalten, die sich 1. auf die überwiegende Mehrheit der bäuerlichen Bevölkerung, auf die Landarbeiter und die armen Bauern und 2. auf das Bündnis mit den revolutionären Arbeitern aller kriegführenden Länder stützt.“ (Lenin Werke, Bd. 23, S. 302-304)

New York, 15. März: Trotzki erfährt von der Revolution

Das Gebäude in New York, in dem sich damals das Büro des „Nowy Mir“ befand, im heutigen Zustand

Trotzki erfährt von der Abdankung des Zaren am Donnerstag, dem 15. März, im Büro der russischen Emigrantenzeitung Nowy Mir am St. Mark’s Platz in New York. Kenneth Ackermann zufolge „war seine erste Reaktion, sich des Telefons zu bemächtigen“ und seine Frau Natalja anzurufen. Natalja feiert mit ihrem Sohn Sergej, „er sprang hoch und hopste im Bett herum zu Ehren der Revolution [aus Mein Leben] Die Genossen beginnen zusammen mit Tausenden anderen ihre Rückkehr zu planen. „Wir beeilten uns, mit dem ersten Dampfer abzufahren“, erinnerte sich Trotzki später. Um den Exilanten die Rückkehr zu ermöglichen, werden in der amerikanischen Arbeiterklasse hunderttausende Dollar gesammelt.

Sehr ähnlich wie Lenin betrachtet Trotzki den Sturz des Zaren nur als Beginn der Revolution. In seinem Artikel im Nowy Mir vom 16. März schreibt er: „… es ist nicht nur notwendig, den Zarismus zu liquidieren, sondern auch den Krieg. … Schon jetzt bricht die zweite Welle der Revolution über die Köpfe Rodsjankos und Miljukows herein, welche mit der Wiederherstellung der Ordnung und einer Vereinbarung mit der Monarchie beschäftigt sind. Aus dem Inneren der Revolution wird eine Macht entstehen – ein revolutionäres Organ des Volkes, das es zum Sieg führen wird. Und der Hauptkampf und die Hauptopfer liegen noch vor uns. Und erst nach ihnen wird ein vollständiger und echter Sieg folgen.“ Der New York Times teilt Trotzki mit, dass die neue provisorische Regierung „nicht die Interessen oder Ziele der Revolutionäre“ repräsentiere und dass sie „ von kurzer Dauer“ sein werde.

“In der ganzen Woche trug Trotzki die gleiche Botschaft von der unvollendeten Revolution im Sturm in die Kolumnen der Zeitungen und hielt Reden“, schreibt Ackermann, Er spricht auf Massenversammlungen mit Tausenden von Zuhörern, zuerst am 16 März in der Beethoven Hall. Einige Tage später hören 2000 Menschen in der Lennox Hall Trotzki zu. Er spricht Russisch, andere sprechen Englisch, Deutsch und Finnisch. An der betreffenden Versammlung nehmen ein Agent des britischen Geheimdiensts MI1c und ein ehemaliges Mitglied der zaristischen Geheimpolizei Ochrana, Kasimir Pilenas, teil, um Trotzki zu überwachen und, wenn möglich, seine Rückkehr nach Russland zu verhindern.

Amsterdam und Berlin, 13. März: Die Unruhe in Deutschland nimmt zu

Eine Lebensmittelkarte für Kohlrüben für die ersten Monate 1917 in Erfurt. Kohlrüben sind zum „Ersatz für alle anderen Lebensmittel“ geworden. Aus ihnen wird Marmelade, Suppe, Eintopf gemacht, mit ihnen das Brot „verlängert“ und Fleisch ersetzt.

Die holländische Zeitung Telegraaf berichtet von Meutereien deutscher Soldaten bei Namur und Huy, die zu Massenverhaftungen führen, sodass „die Gefängnisse fünffach überbelegt sind“. In Barmen (im heutigen Nordrhein-Westfalen) wird der Polizeichef bei Lebensmittelunruhen von Steine werfenden Frauen verletzt.

In dieser und der folgenden Woche des März 1917 breiten sich in den deutschen Industrieregionen und in Berlin zumeist eintägige Streiks gegen den Willen der Gewerkschaftsführer aus. Im Februar hatten bereits 40.000 Arbeiter bei den Rüstungsbetrieben von Krupp in Essen und 75.000 Bergarbeiter an der Ruhr gestreikt. Mehrfach wird das Militär gegen die Streikenden entsandt, um sie an die Arbeit zurückzutreiben.

Der Winter 1916–1917 hat für die Arbeiterklasse und auch breite Teile der Mittelschichten eine katastrophale Verschlechterung der Lebensbedingungen gebracht. Auf schlechte Ernten im Herbst folgt ein harter Winter. Seit Ende 1916 gibt es viele Grundnahrungsmittel nur noch auf Lebensmittelkarten. Offiziellen Statistiken zufolge fällt die durchschnittliche Kalorienaufnahme im März auf nur noch 1200 am Tag, gegenüber 3300 Kalorien am Tag in Friedenszeiten.

Die empörende soziale Ungleichheit ist täglich Thema in Schlangen vor den Geschäften und am Arbeitsplatz. Ein Polizeiinformant, der in Hamburg die Frauen in Suppenküchen bespitzelt, berichtet über das, was er hört:

„Alles ist nur noch für die Reichen und Besitzenden da. Sobald es darum geht, auch Opfer zu bringen, wollen die Damen und Herren nicht mehr Brüder und Schwestern der Arbeiterklasse sein. Das schöne Gerede vom „Durchhalten“ gilt nur für die Arbeiterklasse. Die herrschende Klasse hat mit ihren Geldsäcken schon für sich vorgesorgt.“

Einem amerikanischen Informanten zufolge ist die industrielle Arbeiterklasse in Deutschland

„inzwischen verdrossen, unzufrieden mit der Regierung, beinahe rebellisch. Während die Mittelschichten weiter enorm patriotisch sind und dem oberflächlichen Beobachter ein Bild von Einheit und Entschlossenheit vermitteln, breitet sich in den arbeitenden Klassen eine alarmierende Kriegsmüdigkeit aus. Viele dieser einfachen Menschen wollen Frieden um jeden Preis…. Sie hungern und trauern seit vielen Monaten und sind überarbeitet. Die Lage verschlechtert sich immer mehr. Alle Versprechungen auf Frieden schwinden und machen endloser Aussicht auf große Härten Platz.“

Petrograd, 16. März (3. März): Der russische Großfürst Michail Alexandrowitsch schlägt den Thron aus

Song: Die „Arbeiter-Marseillaise“ war in der Revolution von 1917 besonders populär. Die Worte zur Musik der französischen Marseillaise hatte der führende Populist Petr Lawrow in den 1870er Jahren verfasst. Das Lied diente nicht nur als Hymne der Februarrevolution, sondern – neben der „Internationale“ – bis 1918 auch der frühen, von den Bolschewiki geführten Sowjetrepublik.

In den frühen Morgenstunden des 16. März trifft Großfürst Michail Alexandrowitsch, Bruder des abgedankten Zar Nikolaus II., die Führer der Duma und der neuen Provisorischen Regierung. Als der eingeschüchterte Großfürst erfährt, dass sie nicht bereit sind, für sein Leben als Zar zu garantieren, lehnt er den Thron ab. Nach drei Jahrhunderten brutaler, unterdrückerischer Herrschaft endet die Romanow-Dynastie.

Inzwischen sind in allen wichtigen russischen Städten Arbeiter- und Soldatenräte entstanden. Ein Regime der Doppelherrschaft hat sich herausgebildet. Obwohl die Provisorische Regierung offiziell die Macht ausübt, befolgen Arbeiter oft nur Dekrete, die von dem Sowjet in Petrograd oder von örtlichen Räten herausgegeben werden, und folgen ausschließlich den Entscheidungen ihrer Fabrikkomitees. Soldaten führen Anweisungen der Regierung oft nicht aus, wenn sie politisch nicht mit ihnen übereinstimmen. Alexander Gutschkow, der neue Kriegsminister, berichtet später auf einer Konferenz von Armeekommandeuren: „Wir haben keine Autorität, sondern nur den Anschein von Autorität; die wirkliche Macht liegt bei den Sowjets.“

Kiew, 17. März (4. März): Die Zentralna Rada wird gegründet

Karte des Zarenreichs

In Kiew wird auf Initiative der Gesellschaft der ukrainischen Progressionisten und mit Unterstützung verschiedener sozialdemokratischer Organisationen, darunter den Menschewisten und dem Jüdischen Arbeiterbund und den ukrainischen Sozialrevolutionären, die Zentralna Rada (Zentralrat) der Ukraine gebildet. Mychajlo Hruschewskyj, der führende Historiker, Intellektuelle und Politiker der Ukraine, wird wenige Tage später zum Vorsitzenden der Rada gewählt. Eine zentrale Parole der Rada lautet: „Lang lebe die autonome Ukraine in einer russischen Föderation.“

Wie im übrigen Reich, das Lenin zutreffend als „Völkergefängnis“ bezeichnete, dient der Sturz des Zaren in der Ukraine als Katalysator für die Bestrebungen der unterdrückten Völker für nationale Befreiung. Die Ukrainer, meistens Bauern, sind die größte unterdrückte Nationalität im russischen Reich. Sie machen 22 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Petrograd, 18. März: US-Botschafter in Russland fordert offizielle Anerkennung der Provisorischen Regierung

David R. Francis, amerikanischer Botschafter in Russland zur Zeit der Revolutionen von 1917

Während der Petrograder Sowjet die Zarenfamilie zur Fahndung ausschreibt und die Konfiszierung ihres ganzen Besitzes verfügt, schickt der amerikanische Botschafter David R. Francis ein Telegramm nach Washington, indem er die US-Regierung auffordert, die Provisorische Regierung sofort anzuerkennen. Francis schreibt in seinen Memoiren über seine Beweggründe:

„Man sollte sich daran erinnern, dass unser Land zum Zeitpunkt der Anerkennung der Regierung noch neutral war; wir traten erst fünfzehn Tage später in den Krieg ein. Die Anerkennung der Regierung hatte zweifellos starken Einfluss darauf, dass Amerika praktisch auf der Grundlage einer einheitlichen öffentlichen Meinung in den Krieg eintratt. Es steht außer Frage, dass es starken Widerstand gegeben hätte, wenn wir uns mit einer absoluten Monarchie verbündet hätten, egal aus welchen Gründen.“

Trotzki zur Frage: „Wer führte den Februaraufstand?“

In seiner monumentalen „Geschichte der Russischen Revolution“ schrieb Trotzki später im Kapitel „Wer führte den Februaraufstand?“ das Folgende:

„Die Mystik des Elementaren erklärt nichts. Um die Situation richtig einzuschätzen und den Moment des Ausholens gegen den Feind zu bestimmen, war es notwendig, dass die Masse, ihre führende Schicht, ihre eigenen Ansprüche an die historischen Ereignisse stellte und eigene Kriterien besaß, sie einzuschätzen. Mit anderen Worten, es war nicht die Masse an sich, sondern es war die Masse der Petrograder und der russischen Arbeiter im Allgemeinen notwendig, die die Revolution von 1905 erlebt hatte und den Moskauer Dezemberaufstand von 1905, der an dem Semjonowski-Garderegiment zerschellte; es war notwendig, dass unter dieser Masse Arbeiter zerstreut waren, die über die Erfahrung von 1905 nachgedacht, die konstitutionellen Illusionen der Liberalen und Menschewiki kritisiert, die Perspektive der Revolution sich angeeignet, Dutzende Male das Problem der Armee überlegt, aufmerksam verfolgt hatten, was in ihrer Umgebung vorging, die fähig waren, aus ihren Beobachtungen revolutionäre Schlüsse zu ziehen und sie den anderen zu vermitteln. Schließlich war notwendig, dass sich bei den Truppenteilen der Garnison fortgeschrittene Soldaten fanden, die in ihrer Vergangenheit von revolutionärer Propaganda erfasst oder mindestens berührt worden waren.

In jeder Fabrik, in jeder Werkstatt, in jeder Kompanie, in jeder Teestube, im Lazarett, in der Etappe und sogar in dem entvölkerten Dorfe ging eine molekulare Arbeit des revolutionären Gedankens vor sich. Überall gab es Deuter der Ereignisse, hauptsächlich Arbeiter, die man ausfragte, was es Neues gäbe, und von denen man das nötige Wort erwartete. Diese Häupter waren häufig sich selbst überlassen, nährten sich von Bruchteilen revolutionärer Verallgemeinerungen, zu denen sie auf verschiedenen Wegen kamen; selbst in liberalen Zeitungen lasen sie, was sie brauchten, zwischen den Zeilen heraus. Ihr Klasseninstinkt war durch politisches Kriterium geschärft, und führten sie auch nicht immer ihre Ideen zu Ende, so arbeitete ihr Gedanke doch unablässig und beharrlich stets in der gleichen Richtung. Elemente der Erfahrung, der Kritik, der Initiative, der Selbstaufopferung durchdrangen die Masse und bildeten die innere, dem oberflächlichen Blick unerreichbare, aber nichts desto weniger entscheidende Mechanik der revolutionären Bewegung als eines bewussten Prozesses …

Auf die oben gestellte Frage: Wer hat den Februaraufstand geleitet, können wir folglich mit genügender Bestimmtheit antworten: die aufgeklärten und gestählten Arbeiter, die hauptsächlich von der Partei Lenins erzogen worden waren. Aber wir müssen dabei hinzufügen: Diese Leitung genügte, um dem Aufstande den Sieg zu sichern, doch reichte sie nicht aus, um die Führung der Revolution von Anfang an in die Hände der proletarischen Avantgarde zu legen“ (Leo Trotzki, „Geschichte der russischem Revolution“, Bd. 1, S. 131–133).

Außerdem in dieser Woche: 15. März. Einstein veröffentlicht „Zur Quantentheorie der Strahlung“

Albert Einstein

In der neusten Ausgabe der Physikalischen Zeitschrift (Bd. 18, Nr. 6) publiziert Albert Einstein seine Arbeit „Zur Quantentheorie der Strahlung“.

Bis zu diesem Werk wird angenommen, dass die Wechselwirkungen von Strahlung mit Materie im Wesentlichen auf zwei Arten erfolgen können: Materie kann Strahlung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit absorbieren und dadurch in einen energetischeren, „angeregteren“ Zustand übergehen; oder Materie im angeregten Zustand kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Strahlung abgeben. Damit (so wurde bis dahin angenommen) werden die relevanten physikalischen Gesetze vollständig beschrieben. Einstein stellt fest, dass eine detaillierte Ausarbeitung der physikalischen Gesetze ein mathematisches Ungleichgewicht ergibt, das durch die Einführung eines zusätzlichen Konzepts namens „stimulierte Emission“ aufgelöst werden kann. Dieses Konzept beschreibt das Phänomen, bei dem Strahlung mit einer gewissen Energie Materie – welche sich in einem angeregten Zustand befindet – dazu bringt, weitere Strahlung mit genau denselben Eigenschaften (Energie und Phase) wie der stimulierenden Strahlung abzugeben, sodass die originale Strahlung verstärkt wird.

Damals wurde dies als Übergenauigkeit aufgefasst, aber 36 Jahre später führte die Erkenntnis der stimulierten Emission zur Verstärkung von Strahlung zum MASER (Microwave Amplification by Stimulated Emission of Radiation), und sieben Jahre danach zur Entwicklung des LASER (Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation). Der Nobelpreis für Physik ging 1964 an ein Wissenschaftler-Trio, das Einsteins theoretische Modifikation zu wichtigen Werkzeugen der Technologie des 21. Jahrhunderts weiter entwickelte.

Außerdem in dieser Woche: 15. März, New York. Caruso singt den „Rigoletto“ an der Metropolitan Opera

Caruso singt die Arie „La donna è mobile“ aus Verdis „Rigoletto“ (Aufnahme von 1908)

Der legendäre italienische Tenor Enrico Caruso gibt mit Verdis „Rigoletto“ eine Matinee in der Metropolitan Opera, vor ausverkauftem Haus. Die New York Times kommentiert: „Verdis Tragödie nach Viktor Hugos ‚Le roi s’amuse’ passte so gut zu den gestrigen Nachrichten über europäische Aufstände und Absetzungen, dass sie ungemein interessant war.“

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