Diese Woche in der Russischen Revolution

3.–9. April: Die USA erklären Deutschland den Krieg

Die Arbeiterbewegung in aller Welt fordert ein Ende des imperialistischen Blutvergießens in Europa, aber den kapitalistischen Eliten genügt es noch nicht. Die Vereinigten Staaten erklären Deutschland den Krieg und mobilisieren Hunderttausende junge Männer, um sie als Kanonenfutter ins Gefecht zu werfen. In Russland verspricht die bürgerliche Provisorische Regierung mit Unterstützung der Menschewiki, den Krieg fortzusetzen, und gibt eine Erklärung über ihre Kriegsziele heraus. Aus dem Albtraum der Schützengräben, dem Stacheldraht, dem Giftgas, den Maschinengewehren, dem Schmutz, den Krankheiten und den Artilleriesalven scheint es keinen Ausweg zu geben. Millionen Menschen haben bereits mit dem Leben dafür bezahlt. Unterdessen steigen die Preise, und in der Heimat werden die Lebensmittel immer knapper.

Auf dem Weg über Oslo nach Russland wird Trotzki unter Zwang von seinem Schiff geholt und von britischen Beamten festgesetzt. Lenin, der seine Abreise aus der Schweiz nach Russland vorbereitet, betont, dass das imperialistische Blutbad nur gestoppt werden kann, wenn die Arbeiterklasse die Macht erobert. Lenin übernimmt Trotzkis Position, dass der Sozialismus nicht unmittelbar in dem ehemaligen Zarenreich allein erreicht werden kann. Vielmehr versteht er die Machteroberung der Arbeiterklasse in Russland als ersten Schritt einer internationalen sozialistischen Revolution. Lenin erklärt: „Es lebe die beginnende proletarische Revolution in Europa!“

Halifax (Nova Scotia), 3. April: Trotzki wird gewaltsam von seinem Schiff geholt

Halifax, Kanada 1917

Nach tagelangen Verhören durch britische Polizeiagenten holen Marineoffiziere Trotzki von dem Dampfer Christianiafjord im kanadischen Hafen Halifax, wo er auf die Weiterreise nach Oslo wartet. Ein britischer Agent hatte den Hinweis auf dieses Schiff gegeben. Obwohl Trotzki und seine Familie alle notwendigen Reisepapiere dabei haben, „unterwarfen Polizeioffiziere“ (wie sich Trotzki später in seiner Autobiographie „Mein Leben“ erinnerte) „uns Russen einem direkten Verhör: was seien unsere Überzeugungen, unsere politischen Absichten? und so weiter. Ich lehnte es ab, mich darüber mit ihnen in Gespräche einzulassen. Auskünfte über meine Personalien könnten sie erhalten, mehr aber nicht: Die innere russische Politik stehe vorläufig nicht unter Kontrolle der britischen Marinepolizei.“

Die Marineoffiziere verlangen in aller Form, dass Trotzki, seine Familie und weitere fünf russische Personen den Dampfer verlassen. „Die bewaffneten Matrosen stürzten sich auf uns und trugen uns unter den Zurufen ‚Shame‘ (Schande) seitens eines großen Teiles der Passagiere auf den Händen in einen englischen Kriegskutter hinunter, der uns unter der Eskorte eines Kreuzers nach Halifax brachte. Als an die zehn Matrosen mich auf den Händen trugen, stürzte mein älterer Junge mir zu Hilfe, versetzte mit seiner kleinen Faust dem Offizier einen Schlag und schrie: ‚Papa, soll ich ihm noch eine geben?‘ Er war elf Jahre alt. Das war seine erste Unterrichtsstunde in englischer ‚Demokratie‘.“

Trotzki wird in ein Kriegsgefangenenlager für Deutsche in Amherst gebracht, wo etwa 850 deutsche Soldaten festgehalten werden. Seine Frau Natalia und die beiden neun und elf Jahre alten Kinder werden ebenfalls festgesetzt, bleiben aber in Halifax. Erst am nächsten Tag wird Trotzki von dem Lagerkommandanten Oberst Morris über den offiziellen Grund für seine Inhaftierung informiert. Dieser erklärt ihm: „Sie sind für die jetzige russische Regierung gefährlich.“

Petrograd, 3.–4. April (21.–22. März): Die Prawda veröffentlicht eine geänderte Version von Lenins erstem „Brief aus der Ferne“

Kamenew mit einer Ausgabe der Prawda

Die Prawda-Redaktion veröffentlicht eine stark überarbeitete Version des ersten von Lenins „Briefen aus der Ferne“.

Der Brief zeigt, wie sich Lenins eigenes theoretisches Konzept der Russischen Revolution seit den Februaraufständen weiterentwickelt hat. Ohne die Theorie der Permanenten Revolution ausdrücklich zu nennen, vertritt Lenin eine Position, die historisch Leo Trotzki zugeschrieben wird.

„Machen wir uns keine Illusionen“, schreibt Lenin. Zwischen den Kräften der zaristischen Reaktion und denen der bürgerlichen Liberalen „ist der Widerspruch nicht tief, er ist zeitweilig und ist nur durch die augenblickliche Konstellation, durch die schroffe Wendung der Geschehnisse im imperialistischen Krieg hervorgerufen“. Lenin sagt voraus, dass, sobald die Provisorische Regierung daran scheitert, die Forderungen des Volks nach Frieden und einer radikalen sozialen Wende zu erfüllen, sich die Bourgeoisie mit den Kräften der alten Monarchie zusammenschließen und die armen Bauern und Arbeiter unterdrücken wird.

Die Provisorische Regierung, schreibt Lenin, „kann, selbst wenn sie das aufrichtig wollte (an die Aufrichtigkeit von Gutschkow und Lwow können nur Kinder glauben), dem Volk weder Frieden noch Brot, noch Freiheit geben“. Gestützt auf ein Bündnis mit der halbproletarischen und kleinbäuerlichen Bevölkerung und mit der internationalen Arbeiterklasse kann das Proletariat Russlands „unter Ausnutzung der Besonderheiten des gegenwärtigen Übergangsstadiums zuerst zur Eroberung der demokratischen Republik und des vollen Sieges der Bauern über die Gutsbesitzer – anstatt der Halbmonarchie der Gutschkow und Miljukow – und dann zum Sozialismus schreiten, der allein den vom Krieg gemarterten Völkern Frieden, Brot und Freiheit geben wird“.

Da Lenin nicht selbst in Petrograd anwesend ist, bemächtigt sich eine rechte Minderheit unter Führung von Kamenew, Stalin und Muranow der bolschewistischen Zeitung, um eine regierungsfreundliche, kriegsbefürwortende Linie zu propagieren. Dies führt zu einem heftigen Aufruhr in der Partei. Die Prawda-Redaktion hat nämlich etwa zwanzig Prozent des Briefes herausgeschnitten und einige Passagen gänzlich umgeschrieben. Die Änderungen bewirken, dass die Kritik an den menschewistischen und sozialrevolutionären Führern und an der Provisorischen Regierung verwässert oder ganz unterdrückt wird.

Washington, 6. April: Die USA erklären Deutschland den Krieg

“Come on in, America, the Blood’s Fine!“ (etwa: Komm rein, Amerika, dieses Blut schmeckt) – Karikatur von M.A. Kempf, zuerst veröffentlicht in The Masses im Juni 1917

Die Kriegserklärung der Washingtoner Regierung an Deutschland ist ein Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte. Sie zeigt, dass die amerikanische herrschende Klasse jetzt bereit ist, ihre imperialistischen Ambitionen auf der ganzen Welt wesentlich schärfer durchzusetzen. Washingtons skrupelloser und blutiger Drang nach globaler Hegemonie wird die Geschichte der Menschheit im angebrochenen Jahrhundert bestimmen.

Als Begründung für eine Kriegserklärung nennt Präsident Woodrow Wilson vor dem Kongress die Bedrohung des Nordatlantik- und Mittelmeerhandels durch deutsche U-Boote sowie die diplomatischen Annäherungsversuche Deutschlands an Mexiko. Zum Zeitpunkt der offiziellen Kriegserklärung ist der amerikanische Kapitalismus schon hoffnungslos in den Konflikt verstrickt. Die US-Exporte in die kriegführenden Länder sind von 1913 bis 1917 von 824 Millionen Dollar auf 2,25 Milliarden Dollar angestiegen. Wilson verrät alle seine Wahlversprechen, die USA aus dem Krieg herauszuhalten. Er äußert den berühmten Satz, der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg solle „die Welt sicher für die Demokratie machen“.

Trotzki hatte den Prozess hinter dem Kriegseintritt Amerikas in seinem Artikel „Der Krieg und die Revolution“ analysiert, der am 22. März in Nowy Mir erschien. Dort heißt es:

Die Kapitalistenklasse der Vereinigten Staaten kann nicht einhalten. Die Kriegsindustrie und ihr Milchbruder, das Finanzkapital, üben Druck auf den Willen der Herrschenden aus, während die Furcht vor der extremen Krise sie von unten antreibt – hinein in den Abgrund des Krieges … die „pazifistische“ Regierung der Vereinigten Staaten ist gezwungen, die ihr vorgezeichnete Aufgabe zu erfüllen: Sie muss die letzte Großmacht in die blutige Kriegsschule treiben. Diese Tatsache zeigt uns, wie sehr die Bourgeoisie jede Möglichkeit und Fähigkeit verloren hat, die Ereignisse und die Völker zu kontrollieren. Die ungezügelten Kräfte des Kapitalismus handeln mit automatischer Grausamkeit.

In einer Schlagzeile gibt die New York Times großspurig bekannt, dass die USA eine neue Armee von 500.000 Soldaten aufstellen und in den Konflikt senden werden. Bei Kriegsende wird die amerikanische Armee 116.000 Tote und 204.000 Verwundete zu beklagen haben.

Petrograd, 5. April (23. März): Massenbeisetzung der Märtyrer der Revolution auf dem Marsfeld

Beisetzung auf dem Marsfeld (Ausschnitt aus „Tsar to Lenin“)

Hunderttausende Arbeiter, Soldaten und andere Einwohner Petrograds marschieren auf das Marsfeld, um jenen die Ehre zu erweisen, die in den fünf Tagen der Februarrevolution getötet worden sind. Im Verlauf dieses Tages defilieren schätzungsweise 800.000 Menschen an den Gräbern der Märtyrer vorbei, um die über 1300 Getöteten zu würdigen.

Während die Februarrevolution später als „unblutig“ in die Legende eingehen wird, hat die Monarchie in Wirklichkeit mit großer Gewalt auf die Gefahr reagiert, die die Massendemonstrationen für sie darstellten, und am liebsten hätte sie diese im Blut ertränkt. Die meisten Menschen, die in der Februarrevolution starben, hatten auf der Straße demonstriert. Sie wurden von Polizisten, die sich in den oberen Stockwerken versteckt hielten, und am 26. Februar auch von Teilen der Armee niedergemäht.

Rote Särge schweben auf den Händen der Arbeiter und Soldaten dem Marsfeld zu, und viele Arbeiter tragen politische Transparente. Wie Trotzki berichtet, ragen aus dem Zug des Wyborg-Distrikts besonders viele bolschewistische Fahnen empor, immer noch Seite an Seite mit jenen der Menschewiki. Auf dem Marsfeld treffen die Marschierenden auf die Führung des Petrograder Sowjets. Trotzki wird später in seiner „Geschichte der Russischen Revolution“ schreiben: „Als man die Särge in die Gruft senkte, ertönte von der Peter-Paul-Festung her, die gewaltigen Volksmassen erschütternd, der erste Trauersalut. Die Kanonen donnerten auf neue Art: Unsere Kanonen, unser Salut.“

Trotzki schreibt: „Die traurige, doch ihrer Stimmung nach festlich-lebensfreudige Kundgebung war ein mächtiger Schlussakkord der Symphonie der fünf Tage.“

Gotha, 6.–8. April: Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD)

USPD-Vorstandsmitglieder

Die 143 Teilnehmer sind Delegierte von rund hunderttausend Mitgliedern, die zum größten Teil vorher in der SPD waren und deren Politik des „Burgfriedens“ mit den Kapitalisten und der Regierung ablehnen.

Die Gründer selbst haben diese Parteigründung nicht gewollt und noch weniger politisch vorbereitet. Vorausgegangen ist am 7. Januar eine Reichskonferenz aller Gruppen und Tendenzen innerhalb der SPD, die gegen die Kriegspolitik des SPD-Vorstandes und der SPD-Reichstagsfraktion opponieren. Eine von ihnen ist die zentristische Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft (SAG), die trotz ihrer erklärten Opposition gegen die Kriegspolitik gar keine neue Partei gründen will. Aber der SPD-Vorstand reagiert auf diese Reichskonferenz schon zehn Tage später mit dem sofortigen Parteiausschluss aller dieser Gruppen und ihrer Anhänger und treibt sie damit zur Gründung der USPD.

In der neuen Partei stehen sich zwei völlig gegensätzliche Tendenzen gegenüber.

Die eine Tendenz wird von zentristischen Politikern wie Karl Kautsky, Eduard Bernstein, Hugo Haase und Paul Dittmann geführt, die für einen „Frieden ohne Annexionen und Entschädigungszahlungen“ eintreten. Dieser Frieden könne erreicht werden, indem Reichstagsabgeordnete „Druck auf die kaiserliche Regierung“ ausübten und dabei von Arbeitermassen durch Protestdemonstrationen unterstützt würden. Dieses Programm zielt darauf ab, den wachsenden Hass der Arbeitermassen auf den Krieg und auf die Regierung aufzufangen und eine revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse zur Machteroberung zu verhindern.

Die andere, revolutionäre Tendenz ist jene des Spartakusbunds von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Sie stellt in der Gründungskonferenz jedoch nur eine kleine Minderheit der Delegierten. Nach der von Liebknecht aufgestellten Parole, „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“, kämpft sie für die Beendigung des Kriegs und für den Sturz der imperialistischen Regierungen durch die internationale Arbeiterklasse. Zum Zeitpunkt der Gründung sitzen jedoch beide, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, seit vielen Monaten im Gefängnis. Das könnte erklären, warum die Anhänger des Spartakusbundes auf der Konferenz zum Teil widersprüchliche Positionen vertreten.

So bezeichnet Rosa Luxemburg die Forderung der zentristischen USPD-Führer nach einem „Frieden ohne Annexionen“ als linkes Feigenblatt für die rechte, sozialchauvinistische SPD-Politik. Am Ende der gesamten Konferenz wird das von Karl Kautsky verfasste Manifest jedoch mit nur einer Gegenstimme angenommen, obwohl es genau dieses pazifistische „Friedensprogramm“ vertritt.

Der Spartakusbund wahrt innerhalb der USPD seine völlige politische Bewegungsfreiheit, verzichtet jedoch darauf, sich selbst eine feste Organisationsstruktur zu geben oder sich als Fraktion in der USPD zu konstituieren. Erst nach Beginn der deutschen Novemberrevolution 1918 wird der Spartakusbund mit der USPD brechen.

Siehe auch: „Historische Grundlagen der Partei für Soziale Gleichheit

Petrograd, 7. April (25. März): Provisorische Regierung beschließt Getreidemonopol

Schlange vor einem Gemüseladen in Petrograd, Anfang 1917

Wegen der anhaltenden Lebensmittelkrise sieht sich die Provisorische Regierung gezwungen, ein Gesetz „Über die Übertragung der Brotversorgung auf den Staat“ zu erlassen. Diesem Gesetz zufolge muss jeder, der Brot oder Getreide besitzt, dem Staat mitteilen, über welche Mengen er verfügt. Alles, was über die geltende Ration an Brot und Korn hinausgeht, muss über die örtlichen Lebensmittelkomitees dem Staat ausgehändigt werden. Bauern, die ihr Korn und Brot nicht an den Staat abgeben wollen, müssen mit deren Beschlagnahme rechnen. Die Maßnahme bewirkt das Gegenteil des gewünschten Effekts. Durch das Gesetz verärgert, halten viele Bauern ihr Brot und Getreide zurück. Die Ernährungskrise, eine der wichtigsten Ursachen für den Ausbruch der Februarrevolution, verschärft sich erneut.

Petrograd, 9. April (27. März): Provisorische Regierung veröffentlicht „Deklaration über Kriegsziele“

Die Mitglieder der Provisorischen Regierung am 15. März 1917

Die Provisorische Regierung gibt ihre „Deklaration über die Kriegsziele“ heraus, die von Ministerpräsident Lwow unterzeichnet ist. Die Deklaration schiebt die ganze Verantwortung für den Krieg dem Zarenregime zu und bestätigt vage, dass das „freie Russland“ nicht beabsichtige, andere Völker zu unterdrücken, sondern stattdessen den „vollkommenen Frieden auf der Grundlage der vollen Selbstbestimmung der Völker“ anstrebe. So erzeugt die Deklaration, die es einerseits vermeidet, sich zum „Frieden ohne Annexionen und Reparationen“ zu bekennen, auf der anderen Seite den Eindruck, die Provisorische Regierung führe ausschließlich einen Verteidigungskrieg.

Die Erklärung ist das Ergebnis eines Konflikts zwischen der Provisorischen Regierung und der Sowjetführung. Einen Tag nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg (der die Kriegsführung der russischen Bourgeoisie mächtig bestärkt) hat Außenminister Pawel Miljukow öffentlich erklärt, die russische Regierung werde Konstantinopel, Armenien und Nordpersien erobern und Österreich und die Türkei aufteilen, während sie zugleich angeblich „das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung“ respektiere. Nun fürchtet der Menschewik Zeretelli vor allem, dies werde die Provisorische Regierung diskreditieren. Er besteht deshalb auf der Notwendigkeit einer Regierungserklärung, die ausdrücklich bestätigt, dass Russland ausschließlich einen Verteidigungskrieg führe.

Obwohl diese Deklaration, wie Trotzki schreibt, „durch und durch leer“ ist, wird sie nicht nur von den Menschewiki, sondern auch von den rechten Bolschewiki, darunter Stalin und Kamenew, begeistert aufgenommen. Vier Tage vor Lenins Ankunft in Russland schreibt die Prawda in einem Leitartikel: „Klar und deutlich hat die Provisorische Regierung … vor dem ganzen Volke erklärt, dass das Ziel des freien Russland nicht die Herrschaft über andere Völker ist.“ Im Gegensatz dazu geißelt Lenin die Deklaration. In seinem Artikel vom 13. April, „Der Krieg und die Provisorische Regierung“ (LW Band 24) zitiert er eine Aussage Miljukows, der kurz nach Veröffentlichung der Regierungsdeklaration offen erklärt hatte, diese enthalte „keine Friedensbedingungen, sondern nur allgemeine Prinzipien“, und „die Friedensbedingungen [könnten] nicht anders als im Einvernehmen mit unseren Verbündeten ausgearbeitet werden“. Lenin schreibt dazu:

Im Namen Russlands sprechen immer noch Leute, die den Krieg schüren. Die Arbeiter und Soldaten werden mit allgemeinen Redensarten über einen Frieden ohne Annexionen abgespeist, während man im Stillen eine Politik betreibt, die nur für ein kleines Häuflein sich am Kriege bereichernder Millionäre von Vorteil ist. Genossen Arbeiter und Soldaten! Verlest und erläutert die oben angeführte Erklärung Miljukows in allen Versammlungen! Erklärt, dass ihr nicht für die Geheimkonventionen (Verträge) sterben wollt, die Zar Nikolaus II. abgeschlossen hat, und die für Miljukow unantastbar bleiben!

Schweiz, 8. April: Lenin verfasst Abschiedsbrief an die Schweizer Arbeiter

Lenin, Foto aus der Schweiz

Vor seiner Abreise aus der Schweiz verfasst Lenin einen „Abschiedsbrief an die Schweizer Arbeiter“, in dem er sein Konzept über die Russische Revolution als erstes Stadium in der sozialistischen Weltrevolution weiter entwickelt. Lenin schreibt:

Dem russischen Proletariat ist die große Ehre zuteil geworden, die Reihe von Revolutionen, die der imperialistische Krieg mit objektiver Unvermeidlichkeit erzeugt, zu beginnen. Vollkommen fern liegt uns aber der Gedanke, das russische Proletariat für das auserwählte revolutionäre Proletariat unter den Arbeitern der anderen Länder zu halten. Wir wissen sehr gut, dass das Proletariat Russlands weniger organisiert, geschult und klassenbewusst ist als die Arbeiter anderer Länder. Nicht besondere Eigenschaften, sondern lediglich die besonderen geschichtlichen Bedingungen haben das Proletariat Russlands für eine gewisse, vielleicht sehr kurze Zeit zum Vorkämpfer des revolutionären Proletariats der ganzen Welt gemacht.

Russland ist ein Bauernland, eines der rückständigsten europäischen Länder. Der Sozialismus kann in Russland nicht sofort und unmittelbar siegen. Aber der bäuerliche Charakter des Landes kann angesichts des unangetastet gebliebenen riesigen Grundbesitzes der adligen Gutsherren – auf Grund der Erfahrungen von 1905 – der bürgerlich-demokratischen Revolution in Russland eine gewaltige Schwungkraft verleihen und aus unserer Revolution ein Vorspiel der sozialistischen Weltrevolution, eine Stufe zu dieser Revolution machen.

[Lenin Werke, Band 23, S. 384, Hervorhebungen im Original]

5. April: Britische Regierung verbietet das Horten von Lebensmitteln

Britisches Kriegsplakat

Eine Anordnung von Lord Devenport, Lebensmittelkontrolleur der Regierung, verbietet das Horten von jeglichen Lebensmitteln in Privathäusern und erlaubt die Durchsuchung von Grundstücken, wo so etwas vermutet wird. Die Maßnahme ist ein Hinweis auf die wachsende Nahrungsmittelknappheit in Großbritannien. Regierung und herrschende Elite befürchten, dass dieser Zustand zu sozialer Unruhe Anlass geben könnte.

Die Lebensmittelkrise verschärft sich seit Anfang 1917, als Deutschland als erstes alle Beschränkungen für den U-Bootkrieg aufhob. Den U-Booten wurde auch die Versenkung von Handelsschiffen erlaubt. Dazu kam eine schlechte Ernte in 1916. Dadurch stiegen die Lebensmittelpreise, die schon vom Juli 1914 bis Juli 1916 um 61 Prozent gestiegen waren. In ärmeren Wohnvierteln breitet sich Mangelernährung aus. In Glasgow, Manchester und Newcastle wird der Ausbruch von Skorbut gemeldet.

Am 1. Februar trat ein freiwilliges Rationierungskonzept in Kraft. Devenport schlägt vor, dass die Menschen wöchentlich vier Pfund Brot, zweieinhalb Pfund Fleisch und ein dreiviertel Pfund Zucker essen sollen, was nur 1300 Kalorien am Tag entspricht. Im April wird die Regierung noch weitere Beschränkungen für den Verkauf von Kuchen und Pasteten und von bestimmten anderen Waren in Cafés erlassen und neue Richtlinien für die Produktion von Mehl verfügen.

Die sozialen Spannungen nehmen zu. Streikende Munitionsarbeiter in Barrow, die am 21. März gegen schlechte Arbeitsbedingungen und verordnete Überstunden in den Streik getreten sind, werden gezwungen, ein von der Regierung vermitteltes Ende des Arbeitskampfs zu akzeptieren. Am 4. April droht die Regierung, alle Streikenden mit einer Geldstrafe von fünf Pfund zu belegen und gegen alle Streikführer lebenslange Zwangsarbeit zu verhängen.

Arras, Frankreich, 9. April: Beginn der Schlacht von Arras an der Westfront

Britische und alliierte Truppen beginnen an der Westfront eine große Offensive mit dem Ziel, die deutschen Verteidigungslinien zu durchbrechen und endlich aus den Schützengräben herauszukommen, wo der Krieg praktisch seit 1914 feststeckt. Die Operationen sollen mit einer französischen Offensive eine Woche später zusammentreffen, die laut dem französischen General Nivelle den Krieg entscheiden soll.

Trotz bescheidener Geländegewinne entwickelt sich die Offensive zu einem schrecklichen Blutbad. In gerade einmal fünf Wochen, vom 9. April bis zum 16. Mai, fordert die Schlacht von Arras auf der britischen und Alliierten-Seite 160.000 und auf der deutschen Seite 125.000 Tote und Verwundete.

Ein früher Erfolg in dem Kampf ist die Eroberung der Höhe von Vimy durch kanadische Truppen. Vimy ist ein strategisch wichtiger Ort nördlich von Arras. Bis zum Abend des 12. April haben die kanadischen Truppen schon 10.602 Mann verloren. Das hält kanadische Nationalisten später nicht davon ab, diese Katastrophe als den Moment zu verherrlichen, „als sich die kanadische Nation erhob“. Dabei trägt die Schlacht nichts dazu bei, die Pattsituation des Grabenkriegs zu überwinden.

Nordfrankreich, 9. April: Zwei englische Dichter sterben am gleichen Tag

Edward Thomas

Zwei englische Dichter werden bei den Kämpfen in Nordfrankreich weniger als 35 Kilometer voneinander entfernt getötet. Der besser Bekannte der beiden ist Edward Thomas. Er fällt am ersten Tag der blutigen Schlacht von Arras.

R.E. Vernède stirbt, nachdem er bei einem Vorstoß bei Havrincourt im Maschinengewehrfeuer verwundet worden ist. Vernède ist vorher in der Schlacht an der Somme 1916 schon einmal verwundet worden. Am bekanntesten sind seine „Kriegsgedichte und andere Verse“ (1917).

Auch Thomas ist als Kriegsdichter bekannt. Er blickt auf eine erfolgreiche Karriere als Literaturkritiker zurück und hat sich erst 1914 der Dichtung zugewandt. Der amerikanische Dichter Robert Frost, der damals in Großbritannien lebte, hatte Thomas ermutigt, Gedichte zu schreiben. Frosts berühmtes Gedicht „The Road Not Taken“ war offenbar von den Spaziergängen inspiriert, die er mit Thomas unternahm, und brachte dessen Unentschiedenheit zum Ausdruck.

Bis zu diesem Zeitpunkt sind auf der Schlachtbank des Ersten Weltkriegs schon zahlreiche Schriftsteller und Maler gestorben, darunter der britische Autor H. H. Munro (besser bekannt unter seinem Künstlernamen Saki), der britische Dichter Rupert Brooke, der amerikanische Dichter Alan Seeger (Pete Seegers Onkel), der französische Romancier Henri Alban Fournier, besser bekannt als Alain-Fournier, der tschechische Dichter František Gellner, die deutschen Maler Franz Marc und August Macke, der italienische Maler und Bildhauer Umberto Boccioni und der französische Künstler und Bildhauer Henri Gaudier-Brzeska. Dutzende weitere Schriftsteller und bildende Künstler sollten ihnen noch folgen.

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