Perspektive

Angeblicher Giftgasangriff der syrischen Regierung: Eine imperialistische Provokation

Die Trump-Regierung droht damit, den Konflikt im kriegsversehrten Syrien erneut durch eine amerikanische Militärintervention zu eskalieren. Als Vorwand dienen dabei die durch nichts bewiesenen Vorwürfe, die Streitkräfte des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad hätten in der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens Chemiewaffen eingesetzt.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem jordanischen König Abdullah II., einem verlässlichen Statthalter Washingtons im Nahen Osten, erklärte Trump: „Die abscheulichen Taten des Assad-Regimes dürfen nicht toleriert werden.“ Assad habe damit bei Trump „eine ganze Menge Linien überschritten“. Mit diesen Worten spielt Trump auf die Erklärung seines Amtsvorgängers Barack Obama an, der den Einsatz von Giftgas seitens der Assad-Regierung im Jahr 2013 zur „roten Linie“ erklärt hatte. Trump warf dem ehemaligen Präsidenten vor, dass er seine Drohung, wegen angeblicher Chemiewaffenangriffe militärisch in Syrien zu intervenieren, seinerzeit nicht wahrgemacht habe. Weiter erklärte Trump: „Jetzt habe ich die Verantwortung“, und er fügte hinzu, dass sich seine „Haltung zu Syrien und Assad sehr geändert“ habe.

Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley drohte derweil noch direkter mit einer einseitigen US-Militäraktion: „Wenn die Vereinten Nationen immer wieder in ihrer Pflicht versagen, gemeinsam zu handeln, gibt es in der Geschichte von Staaten Momente, in denen sie sich gezwungen sehen, selbst zu handeln.“ Hintergrund war das voraussichtliche Veto Russlands gegen eine provokative Resolution. Alle westlichen Staaten waren bereit, sie zu unterstützen und als Feigenblatt für Aggressionen gegen Syrien zu nutzen.

Vor fünfzehn Jahren haben die USA den Irak überfallen, und er hat sich seither, wie der Großteil des Nahen Ostens, in ein Schlachthaus verwandelt. Heute benutzt Washington einen sehr ähnlichen Vorwand für eine neue imperialistische Aggression.

Einmal mehr werden die amerikanische Bevölkerung und die Weltöffentlichkeit mit unbewiesenen Behauptungen überschüttet, eine unterdrückte ehemalige Kolonie habe „Massenvernichtungswaffen“ eingesetzt. Die amerikanische Regierung, die für mehr zivile Todesopfer und Kriegsverbrechen verantwortlich ist als jedes andere Regime seit dem Ende des Hitlerfaschismus, vergießt nun erneut Krokodilstränen und täuscht moralische Empörung vor.

An dem Vorwand für diese abgestimmte Kampagne deutet fast alles darauf hin, dass es sich um eine von der CIA und anderen westlichen Geheimdiensten geplante und durchgeführte Provokation handelt, die auf eine Verschärfung der amerikanischen Syrienpolitik abzielt.

Zunächst muss man die Frage nach dem Motiv stellen. Wer profitiert von einem solchen Verbrechen? Ganz eindeutig ist der Einsatz von Giftgas für das Assad-Regime nicht vorteilhaft. Mit Hilfe von Russland und dem Iran haben die syrischen Regierungstruppen den Großteil der islamistischen „Rebellen“ besiegt, die seit sechs Jahren von der CIA und Washingtons regionalen Verbündeten bewaffnet, finanziert und ausgebildet wurden, um Assads Regime zu stürzen. Die Regierung kontrolliert heute wieder über achtzig Prozent des Landes und alle Großstädte. Die Islamisten halten hauptsächlich ländliche Gebiete in der Provinz Idlib. Die Trump-Regierung hatte zudem bereits eine Abkehr vom Kampf gegen Assad und eine Verschärfung des Kampfs gegen den Islamischen Staat (IS) angekündigt. Warum sollte Damaskus vor diesem Hintergrund einen derart provokativen Angriff durchführen?

Die von der CIA unterstützten „Rebellen“ und ihre Geldgeber im amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat haben indessen eine ganze Reihe von Motiven und ein offensichtliches Interesse daran, eine solche Provokation zu inszenieren. Es liegt nahe, dass sie die Regierung auf diese Weise zu hindern versuchen, ihre Herrschaft in Syrien wieder zu festigen. Zudem haben zahlreiche Untersuchungen, u.a. durch die eigene UN-Behörde zur Abrüstung von Chemiewaffen, deutlich gemacht, dass die sogenannten Rebellen, unter denen der syrische Ableger der Al-Kaida, die Al-Nusra-Front, das Sagen hat, bereits ähnliche Anschläge mit Chlorgas und Sarin verübt haben. Sie haben diese Waffen von ihren regionalen Unterstützern in Saudi-Arabien, Katar und der Türkei erhalten und waren auch selbst in der Lage, sie herzustellen.

Darüber hinaus spielt die Frage des Timings eine große Rolle. Der angebliche Gasangriff wurde am Dienstagmorgen verübt, zeitgleich mit der Eröffnung einer Konferenz in Brüssel zur „Zukunft Syriens und der Region“, die von der Europäischen Union gesponsert wurde. Auf dieser wurde über Vorschläge für einen „politischen Übergang“ in Syrien diskutiert, sowie über eine Beteiligung Europas am potenziell lukrativen Wiederaufbau des zerstörten Landes. Der angebliche Chemiewaffenangriff gab den Anlass zu neuerlichen Forderungen nach einem Regimewechsel und für Kritik an der Trump-Regierung. Diese hatte erklärt, dass der Sturz Assads nicht länger oberste Priorität sei.

Hier ist ein eindeutiges Muster erkennbar. Das letzte Mal hatten Washington und seine Verbündeten das Assad-Regime im August 2013 für einen schweren Chemiewaffenangriff verantwortlich gemacht und deswegen beinahe einen offenen Krieg gegen Syrien begonnen. Dieser angebliche Angriff ereignete sich just an dem Tag, an dem UN-Waffeninspektoren in Damaskus eintrafen. Später wurde er als Provokation der „Rebellen“ entlarvt, die dabei vom türkischen Geheimdienst unterstützt wurden.

Der auffälligste Aspekt der ganzen Affäre ist jedoch die außergewöhnlich koordinierte Kampagne sämtlicher Mainstreammedien, die mit dem Vorfall einhergeht. Noch bevor auch nur die grundlegendsten Fakten über den Vorfall bekannt sind, geschweige denn eine ernsthafte Untersuchung durchgeführt wurde, rufen sie unisono und aus voller Kehle nach Militärschlägen. Scheinbar haben die Redakteure und Kolumnisten aller großen Zeitungen und die Nachrichtenkommentatoren im Fernsehen bereits allesamt die gleichen Vorgaben erhalten, und das noch ehe die ersten Berichte über den Vorfall in Syrien bekannt wurden.

Es versteht sich von selbst, dass die Leitmedien ihre Leser und Zuschauer nicht mit der Information behelligen, dass die einzige Quelle für das, was sie als Wahrheit hinstellen, syrische „Aktivisten“ im Umkreis von Al-Kaida sind, die zusammen mit amerikanischen Geheimdienstlern und Militärangehörigen für einen Krieg trommeln.

Allen voran ging, wie üblich, die New York Times mit der Schlagzeile: „Chemiewaffenangriff auf Syrer empört die Welt“. Worauf sich diese Aussage über eine solche „Empörung“ (außerhalb der Geheimdienste, Regierungsvertreter und ihrer Handlanger in den Medien) genau stützte, war bei Redaktionsschluss offenbar noch nicht geklärt. Auffällig ist auch der selektive Charakter der „Empörung“.

Bezeichnenderweise hatte Trump noch am Tag vor dieser moralischen Empörung dem ägyptischen General Abdel Fattah el-Sisi den roten Teppich ausgerollt. Dabei hatte der Schlächter von Kairo an einem einzigen Tag tausend unbewaffnete Demonstranten ermorden lassen. Auch die 200 irakischen Zivilisten, die letzten Monat bei einem einzigen amerikanischen Luftangriff in Mossul getötet wurden, lösten bei der Times keine nennenswerte „Empörung“ aus. Auch die Tatsache, dass hunderte oder sogar tausende Menschen bei amerikanischen Bomben- und Raketenangriffen auf Schulen, Moscheen und Häuser in Syrien und im Jemen lebendig begraben wurden, hat die Times nicht empört.

In diesen Artikeln sind gewisse Muster erkennbar, die sie als Produkt der direkten Zusammenarbeit mit den amerikanischen Geheimdiensten entlarven. Im konkreten Fall war es der Stil von Anne Barnard, die während des ganzen von den USA organisierten Kriegs zum Regimewechsel in Syrien derartige Propaganda betrieben hat. Ihre Arbeit wurde ergänzt durch jene von Thomas Friedman, der alle Interventionen des US-Imperialismus im letzten Vierteljahrhundert unterstützt hat. Er machte den bescheidenen Vorschlag, Syrien zu „teilen“ und „geschützte Zonen“ einzurichten, die vom US-Militär kontrolliert werden. Friedman räumte ein: „Es wird weder hübsch noch einfach werden“, erklärte jedoch, im Kalten Krieg hätten die USA 400.000 Soldaten in Europa stationiert gehabt.

Ein Merkmal der Propaganda ist auch der Umstand, dass sämtliche Medien einhellig den Iran und Russland als mitverantwortlich am angeblichen Chemiewaffenangriff der syrischen Regierung verurteilen. Die Times schrieb in ihrem Leitartikel, der Angriff zeige nicht nur, wie „verkommen“ Assad sei, sondern auch „die Verderbtheit seiner Unterstützer, vor allem Russlands und des Iran“.

Die Washington Post betonte in einem Leitartikel: „Jetzt muss sich Trump entscheiden, ob er bereit ist, sich gegen Assad und seine iranischen und russischen Hintermänner zu stellen.“

Das Ziel ist eindeutig. Die unaufgeklärten Ereignisse in Syrien sollen ausgenutzt werden, um die erbitterte interne Debatte im herrschenden Establishment über die amerikanische Außenpolitik in eine bestimmte Richtung zu treiben. Die Trump-Regierung soll auf die Linie der vorherrschenden Tendenz im amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat gebracht werden. Diese drängt auf rasche Vorbereitung auf eine militärische Konfrontation mit dem Iran und mit Russland.

Am Mittwoch zeigte sich an Trumps Äußerungen über Syrien, dass diese Versuche ihre beabsichtigte Wirkung erreicht haben. Auch die Absetzung seines faschistischen Chefstrategen Stephen Bannon, des Ideologen von Trumps „America-First“-Demagogie, aus der Führung des Nationalen Sicherheitsrats deutet darauf hin. Diesen Schritt hatte Berichten zufolge sein neuer nationaler Sicherheitsberater General H.R. McMaster diktiert, ein aktiver Offizier und Repräsentant des Pentagon. Mit einer unlösbaren sozialen und politischen Krise im Inland konfrontiert, scheint Trump – wie schon seine Vorgänger – auf Krieg zu setzen.

Die Arbeiterklasse in den USA und der Welt muss diese Entwicklungen als ernste Warnung begreifen. Auch die Provokationen der CIA in Syrien und die begleitende Propagandakampagne der Medien sind sehr ernst zu nehmen. Die Entwicklung könnte nicht nur zu einem weiteren Blutbad im Nahen Osten führen, sondern sogar einen Krieg zwischen den beiden größten Atommächten der Welt auslösen.

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