AfD rückt weiter nach rechts

Die Alternative für Deutschland ist auf ihrem Wahlparteitag am vergangenen Wochenende in Köln weiter nach rechts gerückt. 2013 als Anti-Euro-Partei gegründet, die national-konservative mit neoliberalen Programmpunkten verknüpfte, ist sie nun endgültig auf einen rechtsextremen, völkisch-nationalistischen Kurs eingeschwenkt.

Der Richtungswechsel war bereits vor zwei Jahren eingeleitet worden, als Frauke Petry den Parteigründer Bernd Lucke, einen Hamburger Wirtschaftsprofessor, von der Parteispitze verdrängte. Petry arbeitete damals eng mit Alexander Gauland und Björn Höcke zusammen, den Landesvorsitzenden von Brandenburg und Thüringen, die den rechtskonservativen und den völkischen Flügel der Partei vertreten. Nun haben Gauland und Höcke Petry selbst weitgehend kaltgestellt.

Der Parteitag ließ einen „Zukunftsantrag“, den die Parteivorsitzenden eingebracht hatte, kalt abblitzen, indem er ihn ohne Diskussion von der Tagesordnung strich. Petry wollte damit einer allzu offenen Neonazi-Agitation von führenden Parteimitgliedern einen Riegel vorschieben, um die AfD auf zukünftige Regierungsbeteiligungen vorzubereiten.

Bereits im Februar hatte der Parteivorstand auf Petrys Initiative ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke beschlossen, nachdem dieser mit einer Brandrede gegen die Erinnerungskultur an die Verbrechen der Nazis einen öffentliche Skandal ausgelöst hatte. Höcke hatte das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und den Alliierten vorgeworfen, sie hätten mit ihren Bombenangriffen auf deutsche Städte „unsere kollektive Identität rauben“ und „uns mit Stumpf und Stiel vernichten“ wollen. Nun wird das Ausschlussverfahren gegen Höcke nicht weiter verfolgt. Er spielt in der Partei wieder eine führende Rolle.

Dasselbe gilt für Jens Maier, der auf Platz zwei der sächsischen AfD-Landesliste für den Bundestag kandidiert. Auch gegen ihn war ein Ausschlussverfahren eröffnet worden, weil er in Neonazi-Manier gegen den „Schuldkult“ gewettert und vor der „Herstellung von Mischvölkern“ gewarnt hatte, die „die nationalen Identitäten auslöschen“. Maier hatte sogar Verständnis für den norwegischen Massenmörder Anders Breivik gezeigt.

Frauke Petry bleibt zwar Parteivorsitzende, eine Neuwahl findet erst auf dem regulären Parteitag im Herbst statt. Sie wurde aber weitgehend kaltgestellt. Der Parteitag wählte Gauland, der als Drahtzieher der Petry-Gegner gilt, und Alice Weidel zu Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.

Der 76-jährige Gauland war 40 Jahre lang Funktionär der äußerst rechten hessischen CDU, bevor er 2013 die AfD mit gründete. Auf dem Kölner Parteitag unterstrich er seine rechte Gesinnung mit der Parole: „Wir sind stolz, Deutsche zu sein.“ Er fügte hinzu: „Wir wollen das Land behalten, das wir von unseren Müttern und Vätern ererbt haben.“ Für jemanden, der im Kriegsjahr 1941 als Sohn eines Oberstleutnants der Schutzpolizei des Nazi-Regimes geboren wurde, lässt diese Aussage an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Die 38-jährige Alice Wedel ist promovierte Ökonomin. Sie arbeitete für Goldman Sachs und Allianz Global Investors Europe, war sechs Jahre lang in China tätig und ist jetzt Unternehmensberaterin für Start-ups.

Als lesbische Mutter, die mit einer Lebenspartnerin und einem Kind lebt, scheint Wedel nicht zur AfD zu passen, die sich in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich zu den „naturgegebenen Unterschieden zwischen den Geschlechtern“ und zur „klassischen Familie aus Vater, Mutter und Kindern“ als „Lebensmodell und Rollenbild“ bekennt. Doch ihre Wahl zeigt, dass sich die AfD zunehmend auch auf wohlhabende Mittelschichten orientiert, die sich angesichts der scharfen sozialen Krise nach rechts wenden.

Weigel empfahl sich den Delegierten durch ihre Tiraden gegen Einwanderer im allgemeinen und Muslime im besonderen. Sie behauptete: „Heute müssen in unserem Lande christliche Feste mit Polizei, mit Maschinengewehren und Lkw-Barrieren geschützt werden“, und warf der Bundesregierung eine völlig unkontrollierte und unverantwortliche Migrationspolitik vor.

Islam-, Einwanderer- und Fremdenfeindlichkeit bilden den Kern des 68-seitigen Wahlprogramms, das der Parteitag verabschiedete. Das Kapitel „Asyl braucht Grenzen“ beginnt in bester Nazi-Manier mit demografischen Zahlen, laut denen „die Population Afrikas“ bis 2050 von 1,2 auf 2,4 Milliarden Menschen wachsen wird, während die Europas von 590 auf 540 Millionen sinkt. Um die „Selbsterhaltung unseres Staates und Volkes“ zu sichern, fordert die AfD dann zahlreiche Maßnahmen, um die Zuwanderung zu stoppen und die Geburtenrate der Deutschen zu erhöhen.

Als Höcke vor zwei Jahren über europäische und afrikanische Reproduktionsstrategien faselte und vom „lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp“ und einem „europäischen Platzhaltertyp“ sprach, hatten diese rassistischen Stereotype noch einen Skandal ausgelöst. Jetzt steht dasselbe sinngemäß im Parteiprogramm.

Auch das Kapitel „Innere Sicherheit“, das für eine massive Aufrüstung der Polizei und eine drastische Verschärfung des Strafrechts, insbesondere des Jugendstrafrechts, eintritt, wird vor allem mit ausländerfeindlichen Argumenten begründet.

Der außenpolitische Teil des AfD-Programms tritt für eine strikte Ausrichtung an „deutschen Interessen“ ein. Er erinnert stark an Trumps „America first“-Politik und hat einen unverkennbaren imperialistischen Tonfall, der an Kaiserreich und Nazi-Zeit erinnert. Unter anderem verlangt er „die Wahrnehmung deutscher Wirtschaftsinteressen im gleichen Maß, wie auch andere Länder ihre eigenen Interessen vertreten“, sowie den „Zugang zu Rohstoffen und die Freiheit der Handelswege“.

Der Euro wird abgelehnt; die Europäische Union soll durch „ein Europa souveräner Staaten“ abgelöst werden. Die USA werden zwar als „der wichtigste Bündnispartner Deutschlands“ bezeichnet, gleichzeitig erfordere aber „die zunehmende Fokussierung der USA auf den pazifischen und ostasiatischen Raum eine autonome deutsche Sicherheitsstrategie“. Auch eine „Entspannung im Verhältnis zu Russland“ und die „Beendigung der Sanktionspolitik“ gegen Russland werden verlangt.

Zu internationalen Militärinterventionen heißt es: „Wir müssen die Stabilität von Staaten im Interesse unserer Sicherheit und nicht im Namen von Demokratie und Moral unterstützen.“ Zu diesem Zweck tritt die AfD für eine massive militärische Aufrüstung ein. Sie fordert die „Rückkehr der Streitkräfte zur Einsatzbereitschaft“ und die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Dies soll durch den „Wiederaufbau von Heimatschutzkräften oder ein Milizsystem nach Schweizer Vorbild“ erreicht werden.

Das Programm tritt auch für den Einsatz der Bundeswehr im Innern ein – für eine „zivil-militärische Zusammenarbeit“ und „allzeit verfügbare schnelle Reaktionskräfte“. Nicht zufällig sind einige führende AfD-Politiker ehemalige Offiziere.

Die AfD lehnt zwar eine Erbschaftssteuer ab und tritt für eine strikte Schuldenbremse ein, die auch Steuerhöhungen ausschließt, hat sich aber im Kapitel „Sozialpolitik“ von ihrem früheren neoliberalen Programm verabschiedet. Hier verlangt sie eine Reihe sozialer Verbesserungen, insbesondere für Familien und Rentner, wobei sie Einwanderer ausschließt. Offenbar versucht sie so nach dem Vorbild des französischen Front National verarmte Bevölkerungsschichten für ihr rechtes Programm zu ködern.

Die Entstehung und Entwicklung der AfD kann nicht losgelöst von der Politik aller anderen Parteien verstanden werden. Vier Jahre nach ihrer Gründung sitzt die AfD in 11 von 16 Landesparlamenten und liegt in den Umfragen zur Bundestagswahl mit knapp 10 Prozent vor der Linkspartei, den Grünen und der FDP. Gleichzeitig bewegt sie sich immer weiter nach rechts.

Viele Forderungen, die die AfD in ihrem Programm vertritt – die Massenabschiebung von Flüchtlingen, der Ruf nach einer deutschen Leitkultur, die Rückkehr des Militarismus, die innere Aufrüstung – sind inzwischen offizielle Politik. Sie werden nicht nur von den Regierungsparteien CDU/CSU und SPD, sondern auch von den Grünen und der Linkspartei mehr oder weniger offen unterstützt. Diese reagieren damit auf die wachsenden sozialen Spannungen und zunehmende internationale Konflikte. Wie zu Beginn des letzten Jahrhunderts hat die herrschende Klasse auf die globale Krise der kapitalistischen Gesellschaft keine andere Antwort als Krieg und Diktatur.

Die AfD treibt diese Politik zu ihrer letzten Konsequenz und knüpft dabei wieder offen an die reaktionärsten Traditionen der deutschen Geschichte an. Sie kann sich dabei nicht nur auf die rechte Politik der anderen Parteien, sondern auch auf einen ideologischen Rechtsruck an den Universitäten stützen.

Auf den Demonstrationen gegen den AfD-Parteitag in Köln verteilten die Sozialistische Gleichheitspartei und die IYSSE ein Flugblatt, das auf die Unterdrückung der Meinungsfreiheit an der Berliner Humboldt-Universität hinwies. Die Universitätsleitung versucht dort Kritik an rechten Professoren, wie dem Historiker Jörg Baberowski und dem Politikwissenschaftler Herfried Münkler, zu unterdrücken. Beide entwickeln ein neues historisches Narrativ mit dem Ziel, die historischen Verbrechen des deutschen Imperialismus zu verharmlosen und so die Rückkehr des deutschen Militarismus zu rechtfertigen.

Baberowski ist als Verteidiger Hitlers und Hetzer gegen Flüchtlinge in Erscheinung getreten. Das Flugblatt warnte: „Die Verteidigung Baberowskis durch die Universitätsleitung und die Medien hat direkte politische Auswirkungen. Rechte AfD-Ideologen wie Björn Höcke, der auf Facebook-Artikel Baberowskis verlinkt, und Jens Maier … erhalten dadurch Auftrieb.“ Das hat sich auf dem Parteitag bestätigt.

Alexander Gauland, der neue starker Mann der AfD, beruft sich zudem ausdrücklich auf Münkler. Er hatte dessen Buch „Macht in der Mitte“, das fordert, Deutschland solle „Hegemon“ und „Zuchtmeister“ Europas werden, bereits Ende 2015 gegenüber der Welt gelobt.

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