Provokative Patrouille von US-Kriegsschiff im Südchinesischen Meer

Zum ersten Mal seit dem Amtsantritt von Donald Trump ist vorgestern ein US-Kriegsschiff in von China beanspruchte Hoheitsgewässer im Südchinesischen Meer eingedrungen. Die USS Dewey, ein mit Lenkwaffen bestückter Zerstörer, durchquerte die 12-Meilen-Sperrzone um das von China besetzte Mischief-Riff, das zu den Spratly-Inseln gehört. Das Kriegsschiff bremste unterwegs ab und führte ein „operatives Manöver“ durch, bei der die Rettung eines über Bord Gegangenen geübt wurde – ein bislang einmaliger Vorgang, mit dem Washington seine kategorische Ablehnung der chinesischen Gebietsansprüche unterstrich.

Die chinesische Marine entsandte zwei Fregatten, um das US-Schiff zum Verlassen der Gewässer aufzufordern. Das Außenministerium in Peking verurteilte das Vorgehen der USA in einer scharf formulierten Stellungnahme als Verstoß gegen die „Souveränität und Sicherheit“ Chinas, der „Zwischenfälle auf See und in der Luft“ auslösen könnte.

Bereits im Rahmen der Strategie „Pivot to Asia“, mit der US-Präsident Obama Chinas Einfluss in Asien zurückdrängen wollte, hatte die US-Marine vier „Freedom of Navigation Operations“ (FONOPs) durchgeführt. Die letzte fand im Oktober 2016 statt, wurde in US-Militärkreisen allerdings als lachhaft verspottet. Ein Kriegsschiff streifte die 12-Seemeilen-Zone um Triton Island und Woody Island, die zu den Paracel-Inseln gehören. Rein technisch gesehen drang es also nicht in von China beanspruchte Hoheitsgewässer vor.

Laut Berichten der New York Times hatte die Führung der US-Seestreitkräfte zuvor mindestens drei Mal bei Trump um die Genehmigung einer Operation ersucht. Sie war jedoch abgewiesen worden, obwohl der jetzige Außenminister Rex Tillerson bereits während der Anhörung zu seiner Bestätigung im Kongress erklärt hatte, man werde die chinesischen Ansprüche auf die Inseln im Südchinesischen Meer „nicht dulden“.

Die Operation vom Donnerstag (25.5.2017) ist ein Signal an Peking, ganz Asien und den Rest der Welt, dass die kurze Unterbrechung der US-Provokationen vorbei ist. Die Umstände der jüngsten Operation am Mischief-Riff unterstreichen, dass Trump ebenso wie sein Vorgänger Obama das Risiko einer militärischen Konfrontation mit China eingeht und Eskalationen betreibt, die zu einem offenen Konflikt führen könnten.

Die Wahl fiel deshalb auf das Mischief-Riff, weil damit zugleich der philippinischen Regierung unter Präsident Duterte zu verstehen gegeben wurde, dass ihre Bemühungen um eine Wiederannäherung an China nicht hingenommen werden.

Denn auch die Philippinen erheben Anspruch auf das Riff. Im Juli 2016 hatten sie mit Unterstützung der USA eine Entscheidung des Ständigen Schiedshofs in Den Haag erwirkt, wonach China keine rechtmäßigen Ansprüche auf die Spratly-Inseln habe. Das Gericht entschied damals, das Mischief-Riff sei Teil der exklusiven Wirtschaftszone und des Festlandsockels der Philippinen, und China verletze mit seiner Besetzung deren Souveränitätsrechte.

Unter den Spratly-Inseln werden große Gasvorkommen vermutet. Das Mischief-Riff wurde 1996 von China besetzt und mit logistischen Anlagen bebaut. Als sich 2015 die Spannungen zwischen China und den USA zuspitzten, begann das chinesische Militär den winzigen Felsen künstlich aufzuschütten. Mitte 2016 waren ein Hafen und eine 2,6 km lange Landebahn entstanden, die nicht nur für Transport-, sondern auch für Kampfflugzeuge geeignet ist. Satellitenaufnahmen aus demselben Jahr lassen vermuten, dass dort Luft- und Raketenabwehrsysteme installiert wurden.

Duterte, der erst wenige Wochen vor dem Urteil in Den Haag ins Amt gekommen war, hatte keine Anstrengungen unternommen, den Ansprüchen der Philippinen Geltung zu verschaffen. Stattdessen bemühte er sich um eine Entspannung gegenüber China, um Investitionen anzuziehen und engere wirtschaftliche Beziehungen anzuknüpfen. Daneben strebte er eine strategische und militärische Zusammenarbeit mit Russland an.

Washington und die mit den USA verbundenen Fraktionen der herrschenden Kreise in den Philippinen bemühen sich nun aggressiv, diese veränderte Außenpolitik wieder rückgängig zu machen. Nur 36 Stunden vor der jüngsten Operation für die „Freiheit der Seefahrt“ hatte sich Duterte gezwungen gesehen, Gespräche in Russland abzubrechen und überstürzt nach Manila zurückzukehren, nachdem ihn seine Regierung gedrängt hatte, über die gesamte Insel Mindanao im Süden der Philippinen das Kriegsrecht zu verhängen.

Das philippinische Militär, das auf der Seite der USA steht, rückt ins Zentrum des politischen Geschehens. Es ist gut möglich, dass nach dem Signal aus Washington, dass die Konfrontation mit China intensiviert wird, nun auch Manila seine Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer wieder verstärkt.

Die jüngste FONOP-Operation ist auch eine unmissverständliche Botschaft an die zahlreichen Länder, die Interesse an den Plänen Chinas gezeigt haben, die eurasische Landmasse durch die ehrgeizige Seidenstraßen-Initiative wirtschaftlich zusammenzuschließen. Der US-Imperialismus gibt klar zu verstehen, dass weder er noch seine Verbündeten Japan, Australien und Indien einen friedlichen Aufstieg Chinas zu einer regionalen, geschweige denn globalen Wirtschaftsmacht hinnehmen werden.

Wenige Wochen nach dem großen Gipfeltreffen zur „neuen Seidenstraße“ in Peking, auf dem China Hunderte Übereinkommen und Verträge mit verschiedenen Ländern Osteuropas, des Nahen Ostens sowie Mittel- und Ostasiens abgeschlossen hatte, musste das chinesische Militär nun zwei Fregatten entsenden, um seine Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer gegen die USA zu verteidigen.

Dem chinesischen Kapitalismus steht keine Vormachtstellung im Rahmen neuer internationaler Wirtschaftsbeziehungen, sondern ein katastrophaler Konflikt bevor, in dem die USA ihre schwindende globale Hegemonie verteidigen.

Besonders bedrohlich ist, dass die Trump-Regierung die FONOP-Operation im Südchinesischen Meer zeitgleich mit einer massiven Aufrüstung der USA in Südkorea und Umgebung genehmigte.

Seit Wochen betont das Weiße Haus, es räume Peking und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping eine gewisse Frist ein, seinen Verbündeten Nordkorea zur Einstellung seines Atomwaffenprogramms zu bewegen. Die USA haben China öffentlich damit gedroht, andernfalls Nordkorea militärisch anzugreifen.

Diese Woche warnte George Friedman, der bekannte Kommentator der US-Strategie, die Geschäftswelt, ein Krieg stehe „unmittelbar bevor“, da China nicht fähig oder willens sei, das Regime unter Kim Jong-un in Pjöngjang zur Kapitulation zu bewegen. Washington schafft gezielt einen Vorwand, um unter Berufung auf „Massenvernichtungswaffen“ einen angeblichen Präventivschlag gegen Nordkorea zu führen.

Das wahre Ziel eines Kriegs mit Nordkorea würde darin bestehen, die strategische Stellung Chinas nachhaltig zu schwächen und das Land politisch zu destabilisieren. Peking stützt Nordkorea seit Jahrzehnten, weil es einen Puffer zwischen China und dem US-Verbündeten Südkorea bildet. Mit der Zerschlagung des Regimes in Nordkorea und seiner Besetzung durch Truppen aus dem Süden würde der Welt vor Augen geführt, dass China nicht in der Lage ist, einen verbündeten Nachbarn vor seiner Haustür zu verteidigen, geschweige denn, seine Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer gegen die militärische Stärke der USA durchzusetzen.

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