Die Toten von Manchester sind Opfer der Regimewechsel-Operationen im Nahen Osten

Ende letzter Woche kamen weitere Details darüber ans Licht, wie viel die britischen Geheimdienste im Vorfeld über Salman Abedi wussten, den Selbstmordattentäter von Manchester, der am letzten Montagabend 22 Menschen mit sich in den Tod gerissen hat.

Angesichts von Abedis Beziehungen und seinem Reiseverhalten im Vorfeld des Anschlags gibt es nur eine Erklärung dafür, warum er so lange auf freiem Fuß bleiben konnte: er war ein geschützter Täter – Teil eines breiten Netzwerks von Agenten, die Großbritannien und die USA für ihre ruchlosen Operationen im Nahen Osten benutzen.

Die Enthüllung dieser Operationen ist der Grund für die Wut von Premierministerin Theresa May auf die USA, die Geheimdienstinformationen über die britischen Ermittlungen des Anschlags veröffentlicht haben. Was auch immer der Grund für diese Veröffentlichungen ist, sie haben in jedem Fall die ursprüngliche Behauptung der britischen Behörden vollständig widerlegt, Abedi sei ein unbekannter „einsamer Wolf“ gewesen. Vielmehr ist jetzt klar, dass die Menschen, die während eines Popkonzerts ermordet oder verstümmelt wurden, Opfer der britischen Regimewechsel-Politik im Nahen Osten und Nordafrika sind.

Man weiß mittlerweile, dass der britische Geheimdienst in den letzten fünf Jahren zu wenigstens fünf verschiedenen Zeitpunkten Warnungen erhalten hat, Abedi sei gefährlich. Laut mindestens einer Warnung soll er auch davon gesprochen haben, einen Selbstmordanschlag durchführen zu wollen.

Neuen Enthüllungen vom Donnerstag zufolge hat Abedi im Vorfeld des Anschlags zahlreiche Reisen unternommen, unter anderem von Istanbul über Düsseldorf nach Großbritannien. Die Türkei ist seit Jahren ein Transitpunkt europäischer Dschihadisten nach Syrien, die die vom Westen angeführte Kampagne zum Sturz des Regimes von Baschar al-Assad unterstützen.

Mehrere Quellen, u.a. der französische Geheimdienst, haben öffentlich ihre Schlussfolgerungen geäußert, Abedi sei nach Syrien gereist und dort ausgebildet worden. Laut der Financial Times hat ein türkischer Regierungsvertreter außerdem erklärt, Abedi sei im letzten Jahr noch mindestens zweimal via Istanbul gereist. Die Zeitung schrieb: „Mitte April war er von Amsterdam nach Libyen geflogen, Ende Mai 2016 flog er von Manchester nach Libyen. Beide Male machte er einen Zwischenstopp auf dem Atatürk-Flughafen in Istanbul.“

Abedi ist auf seiner Heimreise von der Türkei nach Manchester wohl durch mindestens zwei EU-Staaten gereist. Laut dem Tagesspiegel ist Abedi am 18. Mai, nur vier Tage vor dem Anschlag, von Düsseldorf nach Manchester geflogen. Die Zeitung berief sich dabei auf Geheimdienstquellen, laut denen er über Prag aus Libyen in Deutschland angekommen ist.

Der Guardian schrieb: „Es ist bekannt, dass der 22-Jährige mindestens zweimal nach Deutschland gereist ist, u.a. in die Finanzstadt Frankfurt.“ Weiter hieß es: „Düsseldorf liegt im Bundesland Nordrhein-Westfalen, wo sich auch der Attentäter auf den Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, eine Zeitlang aufgehalten hat.“

Das Magazin Focus berichtete über weitere Enthüllungen. Unter Berufung auf deutsche Geheimdienstquellen hieß es dort, Abedi sei 2015 von Großbritannien nach Frankfurt geflogen. Der Focus erklärte, das BKA habe von der britischen Polizei erfahren, dass diese Reise stattfand, bevor Abedi in Syrien eine paramilitärische Ausbildung durchlaufen hat. Weiter hieß es, er sei in Deutschland nicht verhaftet worden, weil er auf keiner Beobachtungsliste stand.

Es gibt keine unschuldige Erklärung für die Tatsache, dass Abedi ungehindert zwischen Libyen, Syrien, der Türkei und Großbritannien hin- und herreisen konnte. Die fadenscheinige Behauptung, Großbritannien habe „lückenhafte Grenzkontrollen“ oder zu wenige Grenzschutzbeamte, ist keine Erklärung. Dass Abedi ungehindert durch den Zoll kommen konnte, kann nur bedeuten, dass man ihn durchgelassen hat.

Britische Regierungen arbeiten seit Jahrzehnten mit dschihadistischen Gruppen zusammen, die bereit sind, ihre Ziele mit Gewalt zu erreichen. Das bedeutet, dass die britischen Behörden trotz allem Gerede über den „Krieg gegen den Terror“ und den unablässigen Angriffen auf demokratische Rechte, die damit einhergehen, islamistisch-extremistischen Agenten und Gruppen Zuflucht gewährt haben, die zum passenden Zeitpunkt aktiviert werden können, um die außenpolitischen Ziele des britischen Imperialismus durchzusetzen.

Gruppen wie die algerische Groupe Islamique Armé (GIA), die Libysche Islamische Kampfgruppe (LIFG), der ägyptische Islamische Dschihad und Al-Qaida hatten allesamt Stützpunkte in London. Für Al-Qaida war London das Nervenzentrum seiner Operationen in Europa, die Sicherheitskräfte arbeiteten mit einigen dieser Organisationen und ihren Anführern zusammen. Die bekanntesten von ihnen waren Abu Hamza und Abu Qatada.

Der britische Imperialismus hat außerdem eng mit libyschen Islamisten zusammengearbeitet und ihren Kampf gegen den damaligen libyschen Herrscher Oberst Muammar Gaddafi unterstützt. Wie der ehemalige MI5-Agent David Shayler enthüllte, hat der MI6 bereits 1996 mit einer derartigen Organisation bei einem Mordversuch auf Gaddafi zusammengearbeitet, der Libyschen Islamischen Kampfgruppe.

Eine Gruppe von LIFG-Mitgliedern war jahrelang in Whalley Range aktiv, einem Stadtteil von Manchester in der Nähe von Salman Abedis Wohnung. Abedis Vater Ramadan Abedi war Sicherheitsbeamter am Flughafen und Mitglied der LIFG. 1991 war er gemeinsam mit seiner Frau, der Nuklearwissenschaftlerin Samia Tabbal, aus Tripolis geflohen, nachdem er vom Gaddafi-Regime verhaftet worden war. Zuvor war er beim Inlandsgeheimdienst des Regimes beschäftigt und stand im Verdacht, Mitglieder von regierungsfeindlichen islamistischen Gruppen über bevorstehende Polizeirazzien informiert zu haben. Die Daily Mail schrieb: „Scheinbar hat Gaddafis Sturz mehrfach eine zentrale Bedeutung in Ramadans Leben eingenommen.“

Nach der Flucht aus Libyen lebten Ramadan und seine Frau für einige Zeit in Saudi-Arabien. Danach zogen beide nach Großbritannien und beantragten erfolgreich politisches Asyl. Sie lebten zuerst in London, später im Süden von Manchester, der eine Hochburg von Gaddafi-feindlichen Elementen wurde. Zu diesen pflegte der britische Geheimdienst engste Beziehungen.

Ramadan kehrte im Laufe des Jahres 2011 nach Libyen zurück, um sich an dem imperialistischen Stellvertreterkrieg zu beteiligen, der im Oktober des gleichen Jahres mit dem Sturz und der Ermordung Gaddafis durch von den USA und Großbritannien unterstützte „Rebellen“ endete. Zuvor hatte die Nato einen acht Monate langen Luftkrieg geführt, der im ganzen Land zahllose Todesopfer forderte. Ramadan fand eine Stelle in der Verwaltung der so genannten Zentralen Sicherheitskräfte in Tripolis, einer von zahlreichen Milizen, die um die Kontrolle im Land ringen.

Abedis Mutter Samia ist eng mit Umm Abdul Rahman befreundet, der Witwe des getöteten Al-Qaida-Kommandanten Abu Anas al-Libi. Laut der Daily Mail hat dieser fünf Jahre in Manchester verbracht, nachdem er 1995 politisches Asyl in Großbritannien erhalten hatte. Er soll an den Anschlägen auf die amerikanischen Botschaftsgebäude in Nairobi und Daressalam im Jahr 1998 beteiligt gewesen sein. Die Daily Mail schrieb: „Abdul Rahman war in der libyschen Hauptstadt Kommilitonin von Abedis Mutter, die dort Kerntechnik studierte. [Rahman] erklärte, die beiden Frauen hätten in Manchester mehrere Jahre lang zusammengelebt.“

Al-Libi wurde im Oktober 2013 von US-Truppen gefangen genommen und starb 2015 an einem Lebertumor, bevor ein Prozess beginnen konnte. Nach dem Anschlag in Manchester wurden Ramadan Abedi und sein jüngster Sohn Hashem am Dienstagabend in Tripolis verhaftet.

Es war außerdem bekannt, dass Salma Abedi enge Beziehungen zu Raphael Hostey hatte, einem der wichtigsten Anwerber des Islamischen Staats, der 2016 bei einem Drohnenangriff in Syrien getötet wurde. Hostey wuchs im Stadtteil Moss Side auf, der weniger als zwei Kilometer von Abedis Wohnsitz im Stadtteil Fallowfield entfernt liegt.

Die libysche Regierung von Abdullah Thinni in Bayda erklärte nach dem Anschlag in einer Stellungnahme, sie habe die britische Regierung davor gewarnt, Terroristen Zuflucht zu bieten. Thinnis Regierung wurde 2013 von islamischen Extremisten aus Tripolis vertrieben, unter denen sich auch Exilanten aus Großbritannien befanden. Die Regierung warf Mays Vorgänger David Cameron vor, er habe Terrororganisationen unterstützt, die „unsere Städte und Dörfer zerstört haben, um Libyen in einen Terror-Exporteur in die ganze Welt zu verwandeln.“

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