Mehr Überwachungsgesetze beseitigen demokratische Grundrechte

Die Große Koalition hat in den letzten Wochen mehrere sogenannte „Sicherheitsgesetze“ durch den Bundestag gepeitscht. Gerechtfertigt werden diese Gesetze mit der Begründung, damit könnten Terroristen früher und effizienter entdeckt und Anschläge verhindert werden. Dass alle größeren Terroranschläge der jüngeren Zeit – in Boston, Berlin, Paris, Manchester – von Tätern ausgeführt wurden, die den Geheimdiensten bestens bekannt waren, wird dabei bewusst ausgeklammert.

Im Endeffekt führen die Überwachungsgesetze zur Totalkontrolle der Bevölkerung und zur starken Einschränkung von demokratischen Grundrechten. Sie sind ein eindeutiger Angriff auf die Arbeiterklasse. Mit den Gesetzen bereitet sich die Bourgeoisie auf die Unterdrückung von Klassenkämpfen vor.

Die einzelnen Gesetze im Überblick:

Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises

Der neue, 2010 eingeführte Personalausweis und der Aufenthaltstitel ermöglichen den elektronischen Identitätsnachweis. Das Gesetz erlaubt den automatisierten Zugriff auf Biometriedaten, z.B. das Gesichtsbild aus Personalausweisen, Pässen und Aufenthaltstiteln, sowie auf andere Daten, die bei den Meldeämtern gespeichert sind.

Den Zugriff auf diese Daten erhalten „die Polizei, der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Bundesnachrichtendienst (BND), die Verfassungsschutzämter, die Steuerfahndungsdienststellen der Länder, der Zollfahndungsdienst und die Hauptzollämter“. Somit können die Geheimdienste eine bundesweite Schattendatenbank anlegen. Bisher durfte nur außerhalb der Bürozeiten der Meldeämter automatisiert auf die Bürgerdaten zugegriffen werden, wenn es eine begründete Eile gab.

Neu im Gesetz ist auch der automatisierte Abruf des Lichtbildes bei Verkehrsordnungswidrigkeiten. Im Änderungsantrag heißt es kurz und deutlich, dass automatisierte Zugriffe schon „längst Standard“ seien. Zusätzlich darf die Behörde den Zugriff selber protokollieren. Das Gesetz wurde am 18. Mai im Bundestag und am 2. Juni im Bundesrat beschlossen.

Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalgesetzes (BKA-Gesetz)

Das Bundesverfassungsgericht hat das bisherige BKA-Gesetz am 20. April 2016 in mehreren Punkten für verfassungswidrig erklärt. Kritisiert wurden verdeckte Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus, da diese sehr stark in die Privatsphäre eingreifen und teilweise unverhältnismäßig sind.

Mit dem neuen BKA-Gesetz werden elektronische Fußfesseln für „Gefährder“ ermöglicht, der Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden innerhalb Europas verbessert und das Bundeskriminalamt als Hauptzentrale ausgebaut. Der Zweckbindungsgrundsatz Daten und Informationen wird grundsätzlich abgeschafft, was freien Zugriff auf Daten ohne Anlass bedeutet.

Als Folge des BKA-Gesetzes können zukünftig sogenannte „terroristische Gefährder“ zum Hausarrest und einer Fußfessel verurteilt werden. Sollte der „Gefährder“ den Hausarrest ablehnen, drohen ihm bis zu drei Jahren Haftstrafe. Bei der Manipulation der Fußfessel muss er eine Geldstrafe bezahlen.

„Gefährder“ sind Personen, bei denen es „Belege“ für eine terroristische Straftat geben könnte oder deren „individuelles Verhalten“ es möglich machen könnte, dass sie eine Straftat ausüben. Mit anderen Worten, es handelt sich um einen völlig vagen Begriff, der Polizeiwillkür Tür und Tor öffnet.

Die umfangreiche Ausweitung der Befugnisse des Bundeskriminalamtes wird von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) so begründet: „Wir können uns im 21. Jahrhundert keine zersplitterte IT-Landschaft mehr leisten… Das neue Gesetz leitet hier eine Zeitenwende ein. Wir ersetzen die bisherige polizeiliche Datenlandschaft als Teil eines groß angelegten Modernisierungsprojekts durch ein übergreifendes Informationssystem beim BKA.“

Die Zentralisierung von Daten und Informationen bedeutet nichts anderes als den Aufbau eines staatlichen Überwachungsmonopols mit fast unbeschränkten Befugnissen im Namen der öffentlichen Sicherheit. Im Blick muss man dabei auch den verstärkten, unbegrenzten Austausch von Informationen mit ausländischen Sicherheitsbehörden haben. Fazit: Das BKA bekommt eine Ermächtigung zum anlasslosen Sammeln und Analysieren von Daten, die ein Angriff auf die Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen darstellt.

Paragraf 49 des BKA-Gesetzes legitimiert den „verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme“, also den Einsatz von Staatstrojanern. Dabei handelt es sich um Schadprogramme zum gezielten Ausspionieren von Bürgern. Somit können Nachrichten in Echtzeit mitgelesen und das Telefon sowie der Computer gänzlich ausgelesen werden.

Der Trojaner kopiert die ganze Kommunikation, noch bevor diese verschlüsselt werden kann, bzw. nachdem sie entschlüsselt wurde. Geheimdienste und die Polizei versuchen schon seit längerer Zeit, auch auf verschlüsselte Chat-Dienste wie Signal, WhatsApp oder den Facebook-Messenger zuzugreifen. Mit dem Staatstrojaner kommen sie diesem Ziel sehr nahe.

Mit Online-Durchsuchungen wird aber eindeutig in den privaten Lebensbereich eingegriffen, weil z.B. private Fotos und Videos sowie der Internetverlauf sichtbar werden und die beobachtete Person sowie unbeteiligte Dritte nichts davon mitbekommen. Weiterhin sind Staatstrojaner zu mehr fähig als „nur“ zur Überwachung der Kommunikation. Die Entwicklung von Trojanern für Smartphones ist zurzeit in vollem Gange.

Das BKA-Gesetz wurde am 27. April im Bundestag und knapp zwei Wochen später, am 12. Mai, im Bundesrat durchgewunken.

Bundesdatenschutzgesetz

Mit dem Gesetz, das seit dem 5. Mai 2017 in Kraft ist, werden die Aufsichtskompetenzen des Bundesdatenschutzbeauftragten bezüglich der Geheimdienste, der Polizei und anderen Behörden sowie Berufsgeheimnisträgern stark eingeschränkt. Hinzu kommt, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte nicht mehr über Missstände beim Bundesnachrichtendienst informieren darf.

Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar erklärte dazu: „Ein derartiger aufsichtsfreier Raum widerspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das eine lückenlose Kontrolle der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften durch unabhängige Datenschutzbehörden“ vorsieht.

Der Einsatz von Überwachungskameras, z.B. bei öffentlichen Veranstaltungen, Einkaufszentren, Diskotheken und anderen öffentlich zugänglichen Bereichen, wird ausgebaut. Bisher überwog das Interesse der überwachten Personen. Mit dem neuen Gesetz gilt die allgemeine Sicherheitslage als „besonders wichtiges Interesse“ und bedeutender als das der überwachten Personen. In Berlin am Bahnhof Südkreuz läuft zurzeit ein Projekt mit Videokameras mit Gesichtserkennungssoftware, das auch auf andere Plätze ausgeweitet werden soll.

Das Gesetz wurde vom Bundestag am 9. März und vom Bundesrat 31. März beschlossen.

Weitergabe von Fluggastdaten

§31a des Gesetzes über die Bundespolizei regelt bei Reisen aus der Europäischen Union in Nicht-EU-Staaten und umgekehrt die Übermittlung von insgesamt 60 Fluggastdaten pro Fluggast (z.B. Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Geschlecht und Staatsangehörigkeit) an die staatlichen Behörden. Ab Mai 2018 werden die Fluggastdaten ohne Anlass für fünf Jahre gespeichert.

Der Bundestag setzte damit am 27. April eine EU-Richtlinie um.

Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Wohnungseinbruchdiebstahl

Wohnungseinbruchdiebstahl wird zukünftig mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (bisher sechs Monate) bis zu zehn Jahren bestraft und somit von einem Einbruch zu einem Verbrechen. Das neue Strafmaß gilt nur bei einem Einbruch „in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung“.

Erlaubt werden laut Bundesinnenminister de Maizière auch Funkzellenabfragen für die Ermittlung von Wohnungseinbrüchen, um somit „die Täter besser zu finden und damit die Aufklärungsquote zu erhöhen“. Durch die Funkzellenabfrage geraten viele unschuldige Menschen ins Raster der Polizei. Am 11. Mai hat der Bundestag und am 2. Juni der Bundesrat das Gesetz verabschiedet.

Gesetz zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung

Mit dem neuen Gesetz werden alle „staatlichen Funktionsträger“ während ihres Dienstes dazu verpflichtet, „ihr Gesicht nicht zu verhüllen“. „Eine vertrauensvolle Kommunikation … ist für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und für das Selbstverständnis des demokratischen Rechtsstaats unabdingbar. Der Staat ist darüber hinaus verpflichtet, weltanschaulich-religiös neutral aufzutreten“, lautet die Begründung im Gesetzentwurf.

Andererseits müssen alle zur Identifizierung bei Identifikationspapieren (Personalausweis, Pass, usw.) ihr Gesicht zeigen, damit ein „Abgleich des Gesichts mit dem Lichtbild möglich ist“. Mitglieder der Wahlausschüsse und Wahlvorstände bei Bundestagswahlen dürfen nur unverhüllt arbeiten.

Mit dem Gesetz wird die Islamophobie weiter angeheizt, und es führt zur Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen, da die Verhüllung des Gesichts ausschließlich Frauen betrifft. Der Bundestag hat das Gesetz am 27. April und der Bundesrat am 12. Mai beschlossen.

Nach den Anschlägen der letzten Tage in London und Paris werden bereits neue Überwachungsgesetze geplant. Damit wird der Terror nicht verhindert, aber der Überwachungsstaat weiter ausgebaut.

Auch in Deutschland sind neue Überwachungsgesetze in Vorbereitung. Die demokratischen Grundrechte werden immer weiter zu Grabe getragen. Über die wirklichen Ursachen des Terrors – die Kriege im Nahen und Mittleren Osten, die Unterstützung von Terroristen mit Geld und Waffen durch die Westmächte und einige arabische Staaten – wird dagegen kaum geredet.

Loading