Wie die SAV und Marx21 zehn Jahre Linkspartei feiern

Zehn Jahre nach der Gründung der Linkspartei halten die pseudolinken Gruppen Marx21 und SAV verzweifelt an der Illusion fest, sie sei „anti-kapitalistisch“ und könne in eine sozialistische Massenpartei verwandelt werden. Sie wollen damit verhindern, dass sich eine unabhängige Bewegung gegen das kapitalistische System entwickelt, die nicht von der Linkspartei und den Gewerkschaften gegängelt und unterdrückt werden kann.

Marx21-Mitglied Janine Wissler, Vorsitzende der Landtagsfraktion der Linken in Hessen und stellvertretende Parteivorsitzende, behauptet in einem Jubelartikel „10 Jahre Die Linke“: „Mit der Gründung der LINKEN ist es gelungen, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine relevante gesamtdeutsche Partei links der SPD aufzubauen.“

Nun gelte es, „die Vision einer grundsätzlich anderen Gesellschaft nicht aus den Augen zu verlieren“, fährt Wissler fort. Die „grundsätzliche Kritik am Kapitalismus“ müsse „angesichts der ungerechten Verteilung von Reichtum und den zerstörerischen Auswirkungen dieses Wirtschaftssystems“ offensiv formuliert werden.

Die Bundessprecherin der SAV, Lucy Redler, die im Parteivorstand der Linkspartei sitzt, beginnt ihre „kritische Würdigung“ ebenfalls mit einem Loblied auf ihre Partei: „DIE LINKE ist heute die einzige linke Opposition gegen Militarisierung, Krieg und Sozialabbau im deutschen Bundestag… DIE LINKE ist die einzige Partei, die KollegInnen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen tatkräftig in ihrem Kampf für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen unterstützt und an der Seite streikender Belegschaften steht.“

Am Ende schreibt sie begeistert: „Unsere Perspektive sollte nicht weniger als der Aufbau einer sozialistischen Massenpartei sein. Eine Partei, die in der Zukunft Hunderttausende organisiert und eine starke Verankerung in der Arbeiterbewegung hat. Erinnern wir uns an die Entwicklung der SPD im 19. Jahrhundert zu einer Partei von einer Million Mitgliedern, Dutzenden Tageszeitungen und einer Basis in den Betrieben.“

Sie meint damit tatsächlich die Linkspartei! Diese sei „kein Selbstzweck“, aber sie sei „es wert, um sie zu kämpfen“, erklärt Redler.

Man weiß nicht, ob man über derartige Kommentare lachen oder weinen soll. Die Linke ist das Gegenteil einer antikapitalistischen Arbeiterpartei, die gegen „Militarisierung, Krieg und Sozialabbau“ kämpft. In den zehn Jahren ihres Bestehens hat sie immer wieder bewiesen, dass sie sich nicht von den Hartz-IV- und Kriegsparteien unterscheidet. Sie verteidigt den Kapitalismus und kürzt überall dort, wo sie Regierungsverantwortung trägt, genauso rabiat wie SPD und Grüne. Vor allem Arbeiter in Berlin und den ostdeutschen Bundesländern können davon ein Lied singen.

Auch in der Kriegsfrage ist längst klar, wo die Linke steht. Ihr Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Dietmar Bartsch, gehört zu den fünf Bundestagsabgeordneten der Partei, die im April 2014 erstmals für einen Auslandseinsatz der Bundeswehr gestimmt haben.

Marx21 und die SAV spielen inzwischen selbst eine wichtige Rolle bei der Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außenpolitik und sind tief in die Institutionen des deutschen Imperialismus integriert. Christine Buchholz (Marx21) sitzt als verteidigungspolitische Sprecherin der Linken seit nunmehr acht Jahren im Verteidigungsausschuss des Bundestags und begleitet die Verteidigungsministerin regelmäßig bei Truppenbesuchen im Ausland.

Redlers Vergleich der Linkspartei mit der frühen SPD ist in jeder Hinsicht absurd. Die SPD entstand 1875 aus dem Zusammenschluss des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) Ferdinand Lassalles und des Verbands Deutscher Arbeitervereine (VDAV) August Bebels und entwickelte sich schnell zur ersten marxistischen Massenpartei. Bis zu ihrem historischen Verrat 1914, als sie im Reichstag für die Kriegskredite stimmte, vertrat sie ein internationales sozialistisches Programm und organisierte die Arbeiterklasse unabhängig vom bürgerlich-kapitalistischen Staat und seinen Parteien.

Die Linkspartei hingegen war von Anfang an eine bürgerliche Partei, die den deutschen Kapitalismus und Imperialismus verteidigte. Sie entstand im Sommer 2007 durch den Zusammenschluss zweier bürokratischer Apparate, der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) und der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), die beide über jahrzehntelange Erfahrung in der Bevormundung und Unterdrückung der Arbeiterklasse verfügten.

Die PDS war die Erbin der stalinistischen Staatspartei der DDR. Sie hatte 1990 unter Hans Modrow die deutsche Einheit organisiert und anschließend, als sich die soziale Lage zuspitzte, Ordnungsfunktionen in den neuen Bundesländern übernommen. Die WASG wurde von langjährigen SPD- und Gewerkschaftsfunktionären gegründet, die über den Autoritätsverlust der SPD infolge der Agenda-Politik von Bundeskanzler Gerhard Schröder alarmiert waren. Die Initiative zum Zusammenschluss ging von Oskar Lafontaine aus, einem der erfahrensten deutschen bürgerlichen Politiker, der vorher 40 Jahre lang führende Ämter in Regierung und SPD ausgeübt hatte.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hat Die Linke von Anfang an als Gegnerin der Arbeiterklasse eingeschätzt, während die SAV und Marx21 bereits damals behaupteten, sie bilde den Ausgangspunkt für den Aufbau „einer kämpferischen Massenpartei mit Zehntausenden Mitgliedern“. Das war immer eine groteske Lüge, die heute vollständig entlarvt ist.

Selbst Redler muss in ihrer „kritischen Würdigung“ zugeben, dass sie Vorstandsmitglied einer Partei ist, die sich an kapitalistischen Regierungen beteiligt, kürzt und privatisiert und deshalb Wähler und Mitglieder verliert.

Sie gibt freimütig zu, dass die Linkspartei von Anfang an „Regierungsbeteiligungen mit prokapitalistischen Parteien“ akzeptierte. Dieser „Geburtsfehler“ der Linken habe immer wieder dazu geführt, dass sie „in Ländern oder Kommunen, in denen DIE LINKE mit SPD (und Grünen) regiert, Privatisierungen mit durchsetzt“. Als Beispiele nennt Redler die „Ausgründung der CFM“ beim Universitätsklinikum Charité und die „Privatisierung von über 100.000 Wohnungen in Berlin“, den „Verkauf der WoBa in Dresden“ und die „Zustimmung zur Möglichkeit der Autobahnprivatisierung im Bundesrat“.

Die Bundessprecherin der SAV ist sich auch darüber bewusst, dass die Linkspartei mit ihrer rechten Politik den Aufstieg der AfD fördert. Sie wirke „durch Regierungsbeteiligungen mit SPD und Grünen als angepasste parlamentarische Ergänzungspartei“ und sei „dadurch nicht in der Lage, ... der berechtigten Wut vieler Menschen Ausdruck zu verleihen“. In „urbanen, jungen, gut gebildeten Milieus“ gewinne die Linkspartei zwar einige neue Mitglieder, sie verliere aber „solche unter den abgehängten und ausgebeutetesten Schichten, die teilweise gar nicht mehr zur Wahl gehen und zum Teil der AfD ihre Stimme geben“.

Redler verrät damit mehr über die soziale Orientierung und Zusammensetzung der Linkspartei, als ihr möglicherweise lieb ist. Die Linke ist eine prokapitalistische Partei, die die Interessen privilegierter und wohlhabender Schichten der Mittelklasse vertritt und unter Arbeitern und Jugendlichen zunehmend verhasst ist. Ihren Klassencharakter kann man genauso wenig verändern wie den von SPD, Grünen oder von CDU/CSU. Das haben die zehn Jahre ihrer Existenz zur Genüge bewiesen.

Tatsächlich war es auch nie die Absicht der SAV, Die Linke in eine „sozialistische Massenpartei“ zu verwandeln, sondern den Aufbau einer solchen zu verhindern.

In ihrem Artikel weist Redler darauf hin, dass sie sich zunächst gegen eine Fusion von WASG und PDS ausgesprochen und gewarnt hatte, „dass die Regierungsbeteiligung in Berlin ein Präzedenzfall für die neue Linke wird“. Was sie damit meint, ist klar. Der soziale Kahlschlag des rot-roten Senats stieß unter Berliner Arbeitern und Jugendlichen auf Widerstand und gefährdete die Gründung der Linkspartei. Deshalb blieben Redler und ihre Anhänger erst einmal draußen, um den Widerstand unter Kontrolle zu halten. Die rechte Politik der Linkspartei unterstützten sie aber von Anfang an.

Das zeigte sich 2008, als die SAV dann zu einem Zeitpunkt in die Linke eintrat, als der rot-rote Senat seine unsoziale Politik in Berlin deutlich verschärfte. Jahre danach sitzt Redler im Parteivorstand und unterstützt wie Marx21 den Kurs auf eine Regierungsbeteiligung.

Bereits 2014 hatte sie in einem Positionspapier geschrieben: „Wir verstehen, dass viele Menschen sich von einem rot-rot-grünen Regierungswechsel eine sozialere Politik erhoffen. An der Linken wird eine sozialere Politik nicht scheitern, wenn SPD und Grüne sie tatsächlich umsetzen wollen. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten, CDU/CSU-geführte Regierungen abzuwählen und rot-grünen Regierungen so ins Amt zu verhelfen.“

Was eine rot-rot-grüne Bundesregierung auf Bundesebene bedeuten würde, hat der Parteitag der Linkspartei vor einer Woche gezeigt. Ihre führenden Vertreter warben dort für die reaktionären Institutionen der Europäischen Union und eine eigenständige deutsche und europäische Großmachtpolitik.

Sehr explizit äußerte sich dabei Lafontaine, Gründervater der Linkspartei und gefeierter Held der Pseudolinken. Auf seiner Facebook-Seite bezeichnete er den ehemaligen französischen Staatschef General de Gaulle, einen autoritären Militaristen und Nationalisten, als Vorbild: „Seit Jahren fordert DIE LINKE eine eigenständige europäische Außenpolitik. Lange ist es her, dass Charles de Gaulle erkannte, dass Frankreich selber darüber entscheiden muss, ob es sich an einem Krieg beteiligt. Deshalb integrierte er die französische Armee nicht in die militärische Struktur der Nato, sprich der USA.“

Die scharfe Rechtswende der Linkspartei und ihrer pseudolinken Unterstützer in den letzten zehn Jahren zeigt, dass ein Bruch mit diesen Kräften die Voraussetzung ist, um soziale und demokratische Rechte zu verteidigen und gegen Militarismus und Krieg zu kämpfen.

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