Perspektive

Der Polizeimord an dem Irak-Kriegsveteranen Brian Easley

Am Morgen des 7. Juli betrat der 33-jährige Irak-Kriegsveteran Brian Easley die Filiale der Wells-Fargo-Bank im Cobb County, Georgia, einem Vorort von Atlanta. Dort erklärte er den zwei einzigen Anwesenden – beide Bankangestellte – dass er Sprengstoff in seinem Rucksack habe und sie als Geiseln nehme.

Er rief bei einem lokalen Fernsehsender an und erklärte mit ruhiger Stimme, dass er die Bank nicht ausrauben werde. Er erklärte, er habe nur eine Forderung: das Ministerium für Angelegenheiten der Veteranen (Department of Veterans Affairs, VA) habe zu Unrecht eine monatliche Zahlung in Höhe von 892 Dollar wegen einer Verletzung, die er im Irak erlitten hatte, gestrichen, und er wolle, dass die Zahlung wieder aufgenommen wird.

Er flehte sie an: „Sie haben mir meine Invalidenrente genommen, jetzt habe ich nichts mehr. Ich werde auf der Straße leben, und ich werde kein Geld für Lebensmittel oder anderes haben; ich werde verhungern.“ Ganz besonders war er um das Schicksal seiner acht Jahre alten Tochter besorgt.

In der Zwischenzeit war ein massives Aufgebot an Polizei in Kampfausrüstung vor der Bank aufmarschiert. Das Gebiet wurde abgeriegelt und gepanzerte Militärfahrzeuge umzingelten die Bank. Ein Unterhändler des FBI rief in der Bank an, und Easley wiederholte seine Forderung: 892 Dollar.

Allen Beteiligten, auch den Geiseln selbst, war klar, dass Easley keine Gefahr für irgendjemanden darstellte. Während seines Anrufs beim Fernsehsender WSB-TV erklärte Easley, dass er keinem der Angestellten etwas antun werde. Er sagte: „Diese Damen sind sehr nett, und sie waren sehr hilfsbereit und kooperativ.“

Die Geiseln erklärten gegenüber der Presse, dass Easley „freundlich“ und „respektvoll“ gewesen sei. Laut einer lokalen Zeitung rutschte einem Polizeisprecher die Bemerkung heraus, dass „niemand innerhalb oder außerhalb der Bank zu irgendeiner Zeit einer Gefahr ausgesetzt war“.

Das hielt die Spezialeinheit SWAT jedoch nicht davon ab, mit einem gepanzerten Fahrzeug durch die Mauer der Bank zu brechen und den Körper des jungen Mannes mit Kugeln zu durchsieben. Die Polizei bestätigte später, dass schon aufgrund des Telefongesprächs klar war, dass Easley keine Bombe hatte, weder in seinem Rucksack noch in seinem Hotelzimmer.

Das spielte jedoch keine Rolle, die Polizei wollte Easleys Tod. Dies war ein geplanter Akt von staatlichem Mord, der der Öffentlichkeit eine Botschaft vermitteln sollte.

Das aufgezeichnete Gespräch zwischen Easley und der Redakteurin von WSB-TV, Stephanie Steiger, ist der verzweifelte Aufschrei eines Mannes nach Hilfe. Steiger erklärte: „Ich hatte den Eindruck, er brauchte nur jemanden, mit dem er reden konnte.“

Easley, ein Obergefreiter, kämpfte zwischen 2003 und 2005 im Irak. Das war während der Invasion und der Zeit unmittelbar danach, als die Kämpfe am schlimmsten und die Zahl der Todesopfer unter den Zivilisten am höchsten waren. Die Invasion und die Besatzung haben die irakische Gesellschaft zerstört und zum Tod von fast einer Million Irakern wie auch von ca. 2.000 US-Soldaten geführt. Zum Wortschatz der Invasion, als Easley dort stationiert war, gehörten Worte wie „Shock and Awe“, Falludscha, Abu Ghraib, Blackwater, Mission Accomplished, geheime Gefängnisse, Haditha.

Wie vielen Veteranen fiel es Easley schwer, sich wieder in das zivile Leben einzugewöhnen. Er nahm einen schlecht bezahlten Job in einem Lager in Georgia an und zog zu seinen Eltern. Er versuchte wieder zur Schule zu gehen und sein Interesse an Filmwissenschaft weiterzuentwickeln, aber offensichtlich schaffte er es nicht, wieder auf die Beine zu kommen. Er und seine Frau ließen sich scheiden, und er hatte zu kämpfen, um über die Runden zu kommen.

Easley erklärte, dass er ohne Geld dastand, nachdem das VA seine Invalidenrente gestrichen hatte. Er lebte in einem nahegelegenen Motel, konnte sich aber nur noch eine Nacht dort leisten. Ab Samstag wäre er obdachlos gewesen.

Er liebte seine Tochter und machte sich Sorgen, weil er sich nicht mehr um sie kümmern konnte. Einige Tage zuvor hatte er eine VA-Klinik aufgesucht, um Hilfe zu bekommen. Aber anstatt ihm psychologische Unterstützung anzubieten, rief die VA die Polizei und ließ ihn wegschaffen.

Easleys Familie war entsetzt, als sie von seinem Tod erfuhr. Jazzima Damons erklärte: „Das ist nicht der Brian, den ich kenne. Er würde niemandem etwas antun, niemandem.“

Sierra Damons erklärt: „Unsere Familie ist im Moment einfach geschockt. Der Brian, von dem sie erzählen, dass er in diese Bank gegangen ist, dass ist nicht er; er ist ein sehr liebevoller Mensch.“

Die genauen Umstände von Easleys Tod bleiben ungeklärt. In einem der Berichte heißt es, Easley habe die beiden Geiseln freigelassen, bevor er von der Polizei ermordet wurde. Einer anderen Version zufolge drang die Polizei ein und schoss auf Easley bei dem unnötigen und unverantwortlichen Versuch, die Bankangestellten zu befreien.

Die Nachricht von Easleys Tod löste eine Welle von Wut in den sozialen Medien aus. Einwohner des Vororts von Atlanta verurteilten die Regierung, weil sie Easley im Stich gelassen habe, nachdem sie ihn in einen Krieg geschickt hätten, um für die Reichen zu kämpfen. Einer der Kommentatoren schrieb auf Facebook: „Verpasst ihnen eine Gehirnwäsche, schickt sie dann in den Krieg, um zu stehlen, zu töten und zu zerstören, und wenn das verlogene Programm erfüllt ist, dann wirst du nach Hause geschickt und den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Das ist so traurig.“

Ein weiterer meinte. „Auch der Krieg im Irak basierte auf Lügen. Nie irgendwelche Massenvernichtungswaffen gefunden. Lügen und noch mehr Lügen. Schaut euch das ganze Arsenal an verbotenen Waffen an, das die US-Regierung besitzt.“

Ein dritter Kommentar lautet: „Das ist tragisch und muss geändert werden. ‚Unterstützt unsere Truppen‘ ist nur ein netter Satz, den unsere Politiker benutzen, um sich Stimmen zu sichern und Geld für Lieferanten von Militärausrüstung zu bekommen. Ihnen ist die psychische und physische Verfassung unserer Veteranen, wenn sie von ihrem Dienst zurückkehren, völlig egal.“

Easleys Tod hat einen Nerv getroffen, weil er die verheerenden sozialen Auswirkungen des permanenten Kriegszustands, der Militarisierung der Polizei und der Gesellschaft als Ganzes aufdeckt, wie auch das Anwachsen von Armut und sozialer Ungleichheit. Die Kriegsverbrechen im Ausland werden von sozialen Verbrechen gegen die Arbeiterklasse zu Hause begleitet.

Dieser brutale und willkürliche Mord entlarvt, dass die rituelle Verehrung von Veteranen nichts anderes ist, als leere Propaganda, mit der die Unterstützung für Kriege gewonnen werden soll, in denen die Armen kämpfen, um die Wohlhabenden zu bereichern.

Seit dem Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ im Jahr 2001 ist der Satz „Gott segne unserer Truppen“ zur nationalen Liturgie geworden, die von Politikern beider Parteien und von unzähligen TV-Sprechern bis zum Erbrechen wiederholt wird. Das Militär bezahlt den Sportveranstaltern viele Millionen Dollar, damit sie riesige Fahnen entrollen, patriotische Lieder spielen und „unsere Veteranen ehren“, indem Düsenbomber und Kampfflugzeuge über die Stadien fliegen. Mehrere bundesstaatliche Feiertage sind der Verherrlichung des Militärs gewidmet und den „Männern und Frauen, die ihre Leben riskieren, um die Nation zu beschützen“.

Die offiziellen Lobeshymnen auf die Veteranen triefen nur so von Verlogenheit und Zynismus. Easleys Tod zeigt, wie die herrschende Klasse die Armen und Jugendlichen aus der Arbeiterklasse, die sie in den Krieg schickt, wirklich sieht. Sie sind das Kanonenfutter für die Konzerne. Wenn sie gekämpft haben und ihre Körper und Seelen dabei schwer verletzt wurden, dann wirft die Regierung sie weg wie Müll. Dem Staat und den Oligarchen ist ihr Leben weniger als die 892 Dollar wert, um die Easley gebeten hat.

Jede Nacht sind 50.000 Veteranen in den Vereinigten Staaten obdachlos. Ein Drittel der invaliden Veteranen im Alter von 35 bis 54 Jahren leben in Armut. Jeden Tag bringen sich zwanzig Veteranen um. Allein seit 2001 haben mehr als 128.000 Veteranen Selbstmord begangen. Das sind mehr als die Einwohner von Topeka in Kansas, von Lansing in Michigan, oder von Santa Clara in Kalifornien.

Was die herrschende Klasse über Veteranen denkt, die mit den Folgen des Kriegs kämpfen, wurde von Generalmajor Dana Pittard zusammengefasst, der 2012 erklärte: „Selbstmord ist völlig egoistisch [...] Ich persönlich habe die Soldaten satt, die sich für Selbstmord entscheiden, sodass andere ihren Dreck aufräumen können. Seid erwachsen, handelt wie Erwachsene und kümmert euch um eure realen Probleme wie der Rest von uns auch!“

Die Ursache der Krise, mit der die Veteranen konfrontiert sind, ist das kapitalistische System, in dem imperialistische Kriege unausweichlich sind. Die US-Regierung hat für die Kriege im Irak und Afghanistan seit 2001 ungefähr 5 Billionen Dollar ausgegeben. Mehr als die Hälfte des Regierungshaushalts geht an das Militär, um die globalen Interessen der US-Banken und -Konzerne zu verteidigen. Die ungeheuren Ressourcen, die die US-Regierung für Tod und Zerstörung verschleudert, müssen umgelenkt werden, um die dringenden sozialen Bedürfnisse nach medizinischer Versorgung, Wohnungen, Verkehrsmitteln, Arbeitsplätzen und psychischer Gesundheitsversorgung für alle zu befriedigen.

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