Perspektive

Die „Befreiung“ von Mossul: Washingtons jüngstes Kriegsverbrechen im Nahen Osten

Am Montag hat US-Präsident Donald Trump in einer Stellungnahme die „Befreiung von Mossul“ stolz als einen „Sieg über Terroristen“ bezeichnet, die „Feinde aller zivilisierten Menschen sind.“

Das Schicksal der zweitgrößten Stadt des Iraks und des ganzen Landes hat allerdings gezeigt, dass der US-Imperialismus ein viel größerer Feind der Menschheit ist, als es der IS je sein könnte.

Vor drei Jahren lebten in Mossul noch fast zwei Millionen Menschen. Doch nach der fast neunmonatigen mörderischen Belagerung lässt sich das Ausmaß der Zerstörungen in der Stadt nur mit der Zerstörung europäischer Städte während des Zweiten Weltkriegs vergleichen. Die Altstadt im westlichen Teil – das Herz dieser antiken Stadt – ist von amerikanischen Raketen, Bomben und Granaten größtenteils zerstört worden. Kaum ein Wohn- oder Geschäftsgebäude ist dort noch intakt.

Die Zivilbevölkerung wurde Opfer von Verbrechen, die auf einer Stufe mit den Taten der Nazis stehen. Fast eine Million Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Diejenigen, die in der Stadt festsaßen, wurden ununterbrochen von amerikanischen Kampfflugzeugen, Hubschraubern und schwerer Artillerie bombardiert. Bereits zu Beginn der Belagerung wurde die grundlegende Infrastruktur zerstört, sodass hunderttausende Männer, Frauen und Kinder keinen Strom, kein sauberes Trinkwasser und keinen Zugang zu ausreichend Nahrung und medizinischer Versorgung hatten.

Vermutlich wird man nie erfahren, wie viele Todesopfer und Verwundete es tatsächlich gab. Bei all den Berichten über die Siegesfeiern der amerikanischen und irakischen Truppen geht völlig unter, dass diese Soldaten auf Trümmern tanzten, aus denen der unverkennbare Gestank verwesender Leichen strömte.

Die Beobachtergruppe Airwars hat 5.805 zivile Todesfälle durch Angriffe der US-geführten „Koalition“ zwischen Februar und Juni 2017 dokumentiert. Allerdings berücksichtigt diese Zahl weder die Todesopfer in den ersten vier Monaten der Belagerung, noch die Opfer der schweren Angriffe der letzten drei Wochen. Damit ist sie deutlich zu niedrig angesetzt. Hinzu kommen noch zehntausende von Verwundeten.

Jungen und Männer, die aus der Stadt entkommen konnten, wurden als potenzielle Anhänger des IS behandelt. Viele von ihnen wurden verhört, brutal gefoltert oder standrechtlich exekutiert. All das geschah unter Zustimmung der amerikanischen Spezialkräfte, die sich als „Berater“ bei den irakischen Truppen aufhielten.

Amnesty International veröffentlichte am Dienstag einen Bericht mit dem Titel „Um jeden Preis: die Katastrophe für die Zivilbevölkerung in West-Mossul“. Dem Bericht zufolge wurden „Waffen, die nie in dicht besiedelten Gebieten eingesetzt werden sollten“, in erschreckendem Ausmaß gegen die Zivilbevölkerung benutzt.

Der Bericht war in der vorsichtigen Sprache formuliert, mit der Amnesty typischerweise über die US-Regierung spricht: „Die Truppen der US-geführten Koalition haben offenbar mehrfach gegen das Völkerrecht verstoßen. Einige dieser Verstöße könnten sich sogar als Kriegsverbrechen herausstellen.“ Die Organisation fordert eine „unabhängige und transparente Untersuchung, um festzustellen, ob es glaubwürdige Beweise für Verstöße gegen das Völkerrecht gibt.“ Sollte dann ein „ausreichender Verdacht für Kriegsverbrechen“ vorliegen, sollten „die Verantwortlichen angeklagt werden.“

Amnesty greift den IS zwar deutlich schärfer an als das US-Militär, stellt aber nicht die Frage, wer für die Entstehung des IS eigentlich verantwortlich ist. Auch auf die historischen Wurzeln der humanitären Katastrophe, die über Mossul hereingebrochen ist, geht die Organisation nicht ein.

Vor drei Jahren hatte der IS Mossul und fast ein Drittel des irakischen Staatsgebiets erobert und damit die verrotteten Fundamente der irakischen Sicherheitskräfte offengelegt, die von den USA ausgebildet worden waren. Der IS war von der CIA und von Washingtons regionalen Verbündeten als Stellvertretermiliz bewaffnet, finanziert und für die Kriege in Libyen und Syrien trainiert worden.

Die Ursachen für die Entstehung al-Qaida-naher sunnitischer Milizen im Irak liegen jedoch in den Kriegen, Sanktionen, Invasionen und Besetzungen durch die USA, die das ölreiche Land im letzten Vierteljahrhundert erlitten hat. Die Folgen waren die Zerstörung einer ganzen Gesellschaft, mehr als eine Million Todesopfer und weitere Millionen von heimatlosen Flüchtlingen.

Das amerikanische Besatzungsregime hatte im Irak bewusst religiöse Spannungen geschürt. In Mossul, wo zahlreiche ethnische und religiöse Gruppen zusammenleben, hatte diese Strategie des „Teile-und-Herrsche“ besonders blutige Folgen. Die schiitisch dominierte Regierung, die in Bagdad eingesetzt worden war, schuf durch ihre Diskriminierung der sunnitischen Mehrheit der Provinzen Mossul und Anbar einen fruchtbaren Boden für die Entstehung des IS.

Der Ursprung der Katastrophen, die über die Bevölkerung von Mossul, des Irak und des ganzen Nahen Ostens hereingebrochen sind, liegt in dem nicht provozierten Angriffskrieg der USA, der mit Lügen über Massenvernichtungswaffen begründet wurde. Damals versuchten die Verteidiger des US-Imperialismus, den Krieg mit dem Vorwurf zu rechtfertigen, Saddam Hussein würde „sein eigenes Volk umbringen.“ Doch der mittlerweile hingerichtete irakische Herrscher wäre erstaunt darüber, wie viel Tod und Zerstörung Washington in den letzten vierzehn Jahren über sein Land gebracht hat.

Wenn man heute die gleichen juristischen Prinzipien und Kriterien anwenden würde wie die Ankläger bei den Nürnberger Prozessen, würde vielen Politikern aus Washington eine lebenslange Freiheitsstrafe oder sogar die Hinrichtung drohen. Das gilt u.a. für George W. Bush, Dick Cheney, Donald Rumsfeld und den Rest ihrer Regierung, die einen nicht provozierten Angriffskrieg begonnen haben – der Hauptanklagepunkt gegen die überlebenden Führer des Dritten Reichs.

Ebenso gilt dies für Barack Obama und die führenden Köpfe seiner Regierung und seines Militär- und Geheimdienstapparats. Obama wurde hauptsächlich aufgrund der verfehlten Hoffnung gewählt, er würde die Kriege der USA beenden, setzte dann aber die Kriege im Irak und in Afghanistan fort und begann Interventionen in Libyen und Syrien. Die Belagerung von Mossul begann in seiner Amtszeit.

Schließlich würde das auch für die Verbrecher der Trump-Regierung gelten: angefangen vom Präsidenten über seinen Verteidigungsminister General James „Mad Dog“ Mattis, der im Irak und Syrien eine Politik der „Vernichtung“ ausgerufen hat, bis hin zu den Generälen und CIA-Chefs, die diesen geplanten Massenmord umgesetzt haben.

Die beiden großen Parteien in den USA; die Medien, die zu schamlosen Propagandaorganen heruntergekommen sind; die Konzerne und Banken, die den Niedergang des amerikanischen Kapitalismus durch Militarismus und Krieg ausgleichen wollen, und alle anderen maßgeblichen amerikanischen Institutionen sind mitverantwortlich für die Kriegsverbrechen in Mossul, im Irak und der übrigen Region in den letzten eineinhalb Jahrzehnten.

Auch die amerikanischen Akademiker, die sich diskret über die Verbrechen und Lügen ausschweigen, von denen die Politik der USA geprägt ist, sind ebenso mitverantwortlich. Dazu gehören ebenfalls die diversen pseudolinken Organisationen, die sich unter dem verlogenen Banner der „Menschenrechte“ zu Unterstützern des Imperialismus gemacht haben.

Wenn man den Vorschlag von Amnesty umsetzen würde, die „Verantwortlichen wegen Kriegsverbrechen“ anzuklagen, wären die Anklagebänke in Washington wirklich dicht besetzt. Doch bisher ist niemand für diese Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden.

Die Aufgabe, die Kriegsverbrecher in Washington zur Verantwortung zu ziehen, fällt der amerikanischen Arbeiterklasse zu, unterstützt von der arbeitenden Bevölkerung des Irak, des Nahen Ostens und der ganzen Welt. Die Eskalation des Militarismus im Nahen Osten und auf dem den gesamten Globus droht in einen neuen Weltkrieg auszuarten. Vor diesem Hintergrund wird der Kampf zum Aufbau einer neuen Massenbewegung innerhalb der Arbeiterklasse und der Jugend gegen den Krieg und das kapitalistische System zu einer immer dringenderen Aufgabe.

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