Brand im Grenfell Tower:

Wachsende Wut über Untätigkeit gegenüber den Verantwortlichen

Anwohner und Überlebende des Infernos im Grenfell Tower haben die Lügen und Ausreden zurückgewiesen, mit denen die Londoner Polizei (Metropolitan Police) zu rechtfertigen versucht, dass noch niemand wegen des Brands verhaftet wurde.

Am Mittwoch, einen Monat nach dem Brand, versammelten sich über 200 Mitglieder der lokalen Gemeinde in der Kirche St. Clements in Kensington. Sie erhofften sich Antworten von der als „Gold Command“ bekannten staatlichen Kommission, zu der u.a. der Bezirkspolizeichef der Metropolitan Police, Robyn Williams, der Ermittlungsbeamte Matt Bonner und die Stadtratsvorsitzende des Bezirks Kensington und Chelsea, Elizabeth Campbell, gehören.

Campbell, die ihr Amt nach dem erzwungenen Rücktritt des ehemaligen Stadtratsvorsitzenden Nicholas Paget-Brown angetreten hatte, wurde für ihre Untätigkeit gegenüber den Bewohnern des Grenfell Tower zurecht mit Verachtung behandelt.

Im Vorfeld des Treffens hatte sie sich in zwei Interviews geweigert, sich für das Verhalten der Bezirksverwaltung vor dem Brand zu entschuldigen und zugegeben, dass sie noch nie eine Sozialwohnung von innen gesehen hat. Die gewählte Vertreterin von Sloane Square erklärte arrogant: „Ich weise die Behauptung entschieden zurück, ich wüsste nicht, was im Norden des Stadtbezirks passiert, nur weil ich im Süden lebe. Ebenso weise ich die ganze Vorstellung entschieden zurück, dass die armen Bewohner des Stadtteils den wohlhabenden Bewohnern egal sind.“

Bei dem Treffen sprach Campbell selbstzufreiden über die Maßnahmen zur Reinigung des umliegenden Gebiets. Ein Überlebender fragte daraufhin: „Warum findet dieses Treffen überhaupt statt? Wir sind hier also, um über Gerüste, Hausarbeit und Fensterputzen zu reden, aber was ist mit den Menschen, die in diesem Gebäude gestorben sind?“

Bonners Versuch, die Untätigkeit der Polizei zu rechtfertigen, löste noch größere Wut aus. Er bekräftigte die Behauptungen, es habe nur aufgrund des Ausmaßes der Untersuchung noch keine Verhaftungen gegeben und erklärte: „Hören Sie... Leider geht es bei einer so großen Untersuchung nicht so schnell.“

Dieser sorgfältig geprobte Auftritt überzeugte niemanden.

Als Bonner sagte, das Ausmaß der Untersuchung werde nur von einer Anti-Terror-Operation in den Schatten gestellt, riefen mehrere Anwohner: „Es ist Terrorismus!“

Ein anderer sagte: „Das ist Massenmord. Ihr habt nicht nur das ganze Gebäude niedergebrannt. Ihr habt auch unsere Freunde, unsere Familien und Nachbarn umgebracht.“

Bonner wurde aufgefordert: „Sie sind ein Gesetzeshüter, verhaften Sie jemanden. Seien Sie ein Polizist, verhaften Sie jemanden.“

Ein anderer sagte: „Sie wussten genau, dass [die Fassadenverkleidung] so schnell brennen würde. Damit können Sie den Verantwortlichen finden, der verhaftet werden muss.“

Die Anwohner wiesen auch die Einschätzung der Polizei zurück, die Zahl der Todesopfer werde bei etwa 81 bleiben und dass die tatsächliche Zahl wohl nie geklärt werden könne. Als Bonner erklärte, dass die forensische Untersuchung mindestens bis Ende des Jahres dauern werde, sagte ein Mann: „Das geht zu langsam. Wenn Sie 1.000 Beamte brauchen, die rund um die Uhr arbeiten, dann finden Sie 1.000 Beamte. Das ist eine nationale Katastrophe, eine nationale Schande, eine nationale Tragödie.“

Ein anderer fragte: „Was ist das für ein Zeitrahmen? Wird es wieder wie beim Hillsborough-Stadion? [Er nahm Bezug auf die Katastrophe im Hillsborough-Fußballstadion von 1989, bei der 96 Liverpool-Fans zerquetscht wurden. Gegen die Verantwortlichen wurde erst nach 27 Jahren Anklage erhoben] Wann sollen wir Gerechtigkeit bekommen? Wann werden wir Gerechtigkeit bekommen? Wir wollen es wissen.“

Vor der Versammlung erklärte der Anwohner John Gregory gegenüber Sky News: „Es gibt absolut keine Verbindung zwischen der Oberschicht und der Arbeiterklasse. Die Kluft dazwischen wird immer größer, und in Kensington und Chelsea ist es die größte, die man sich vorstellen kann.“

Einige der Teilnehmer an der Mahnwache

Bei der nahegelegenen Gedenkwand entlang der Bramley Road versammelten sich Menschen zu einer Mahnwache. Die Trauer und die Wut trieb ganzen Familien die Tränen in die Augen. Mrs. Abdo und ihr zwölfjähriger Sohn Abeer sagten der World Socialist Web Site, dass im 24. Stock des Gebäudes eine Frau lebte, mit der ihre Mutter ihr Leben lang befreundet war. Diese Frau, die 70-jährige Fathya, lebte aufgrund der Wohnungsnot in London mit ihrem Sohn, ihrer Tochter und deren Familien in einer Zweizimmerwohnung.

Mrs Abdo und ihr zwölfjähriger Sohn Abeer

Fathya schickte eine Videoaufnahme ihrer letzten Minuten, bevor ihre Tochter und ihre beiden Kinder durch die heißen Dämpfe und die Flammen starben. Ihr Sohn sprang aus Angst vor dem Feuer aus dem Fenster der Wohnung in den Tod. Einer von dessen Söhnen versuchte, durchs Treppenhaus zu fliehen, wurde aber später tot aufgefunden. Mrs. Abdo sagte, dass diejenigen, die für die Anbringung der brennbaren Fassadenverkleidung verantwortlich sind, sofort verhaftet werden sollten.

Mahad Egal, der mit seiner Familie im vierten Stock des Grenfell Tower lebte, und sein Kindheitsfreund Karim Mussilh haben selbst Listen von Toten und Vermissten angefertigt. Mahad erklärte gegenüber der Tageszeitung Guardian, er sei täglich von Tür zu Tür gezogen und habe Anwohner um Informationen gebeten: „Meine Liste ist noch nicht fertig, aber es sind viel mehr als die offiziellen 80 Todesopfer, sogar mehr als einhundert.“

Karim fügte hinzu: „Ein Monat ist jetzt vergangen und es gibt immer noch keine Verhaftung und keine Namen von Verdächtigen.“

Diese Kritik ist völlig gerechtfertigt.

Als die Londoner Polizei erstmals erklärte, dass aufgrund des Ausmaßes ihrer Untersuchung nicht mit schnellen Verhaftungen zu rechnen sei, antwortete die World Socialist Web Site: „Das ist nichts anderes als der Versuch der Polizei, die auf der Hand liegende Wahrheit zu vertuschen, indem man die wichtigsten Fakten in einem Berg völlig zweitrangiger Informationen begräbt... Es werden zwar 60 Firmen untersucht und Hunderte von Menschen vernommen, aber die Hauptverantwortlichen dafür, dass der Grenfell Tower zur Todesfalle wurde, bleiben unantastbar.“

Das verstehen alle Betroffenen nur zu gut. Doch die Massenmedien, die Konservative Partei und die Labour Party wollen die Forderung nach wirklicher Gerechtigkeit und einer Bestrafung der Verantwortlichen für den Massenmord im Grenfell Tower abwimmeln. Sie versuchen, die öffentliche Empörung vor den Karren der betrügerischen öffentlichen Untersuchung zu spannen, die von Premierministerin Theresa May angekündigt wurde.

Am 12. Juli gab der Guardian dies in einem Artikel zu, der sich vorgeblich mit den Frage von Anwohnern beschäftigte. Auf die Frage, wann der Gerichtsprozess beginnen werde, antwortete die Zeitung: „Die einfache Antwort lautet: nicht dieses Jahr, vielleicht nächstes Jahr, vielleicht überhaupt nicht.“

Der Guardian wiederholte eins zu eins die Ausreden der Polizei, dass die Untersuchung „beispiellos“ und „komplex“ sei und fügte hinzu: „Die Ruine des Grenfell Tower ist Schauplatz eines Verbrechens, aber die Polizei kann nicht sagen, was für ein Verbrechen begangen wurde. Sie geht von Totschlag aus, darunter Totschlag durch die Konzerne oder aufgrund von grober Fahrlässigkeit.“ Doch diese Anschuldigungen seien „komplex zu ergründen und zu verfolgen... Haben sie gegen ein Gesetz verstoßen, und sind die Gesetze überhaupt eindeutig genug formuliert?“

Der Guardian gibt zu: „Seit der Katastrophe sind vier Wochen vergangen, und die üblichen Ereignisse während einer strafrechtlichen Ermittlung fehlen. Es gab keine Verhaftungen, keine Durchsuchungsbefehle, niemand wurde wegen kriminellen Verhaltens befragt.“ Doch der Artikel endet mit der Feststellung: „Die Londoner Polizei erklärt sich zufrieden mit dem Fortschritt. Unternehmen und Einzelpersonen händigen freiwillig viele Ordner voll Material aus. Die Polizei verspricht, härter vorzugehen, wenn sie der Ansicht ist, dass Beweise zurückgehalten werden.“

Die Londoner Polizei mag in der Tat „zufrieden“ sein, aber nur, weil ihre Aufgabe in Wirklichkeit darin besteht, die Schuldigen auf den höchsten Rängen zu schützen. Der Öffentlichkeit sind zahlreiche Beweise für die kriminellen Praktiken von Politikern und Unternehmern bekannt, und es werden immer mehr. Doch es findet eine abscheuliche Vertuschung statt. Das ist die Realität hinter der Behauptung der Polizei, sie nehme gewaltige Anstrengungen auf sich, und hinter ihren Forderungen, alle müssten still sitzen, während die Räder der Justiz „langsam, aber äußerst fein“ mahlen.

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