Bombardier: Wie IG Metall und Betriebsrat den Arbeitsplatzabbau organisieren

Als Ende Juni die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat dem „Transformationskonzept“ der Geschäftsführung von Bombardier Transportation zustimmten und damit den massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen absegneten, erklärten sie, es sei gelungen betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2019 zu verhindern. Jetzt wird klar, dass das nicht stimmt.

Betriebsbedingte Entlassungen stehen bei Bombardier wieder auf der Tagesordnung. Das bestätigte die Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Potsdam und Oranienburg, Stefanie Jahn, gegenüber der Märkischen Onlinezeitung. Auch der Betriebsrat des Hennigsdorfer Standortes des Schienenfahrzeugherstellers, Volkmar Pohl, musste bekennen, dass seitens der Geschäftsführung „man einiges anders verstanden habe".

Damit entpuppt sich die großspurige Ankündigung des IG Metall-Bezirksvorsitzenden Olivier Höbel nach der Aufsichtsratssitzung über den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen als Schall und Rauch – um nicht zu sagen, als Betrug. Das war schon auf der Betriebsversammlung des Herstellers von Schienenfahrzeugen am 7. Juli in Hennigsdorf klar geworden, als der Deutschland-Chef, Michael Fohrer, die Einhaltung des Kündigungsschutzes vom Erfolg der noch zu definierenden Sparmaßnahmen abhängig machte.

Stefanie Jahn, die auf der Betriebsversammlung in der ersten Reihe nicht weit von Herrn Fohrer saß, hatte während der ganzen Veranstaltung zu der fehlenden Garantie des Kündigungsschutzes bis Ende 2019 keinen Ton von sich gegeben.

Somit ist das ganze vom Aufsichtsrat abgesegnete „Transformationskonzept“ ein reines Täuschungsmanöver für die Belegschaft. Es öffnet Tür und Tor für eine regelrechte Erpressung der Beschäftigten, denen immer noch mit Entlassungen gedroht werden kann, wenn sie sich den Sparmaßnahmen der Geschäftsführung nicht beugen.

Seit eineinhalb Jahren setzt der kanadische Konzern ein Sparprogramm nach dem anderen um. Nach dem Abbau von 7000 Arbeitsplätzen im Jahr 2016, wovon 1.430 Stellen die deutschen Standorte betrafen, kündigte der Konzern im Oktober desselben Jahres weitere 7.500 Stellenstreichungen an, davon 2.500 in Deutschland, wovon die Standorte Hennigsdorf und Görlitz am stärksten betroffen sind. Darin enthalten sind 700 Arbeitsplätze von Leiharbeitern, die aus Polen, Rumänien und anderen osteuropäischen Staaten rekrutiert werden und zu erbärmlichen Lohnbedingungen eingesetzt werden.

IG Metall Vertreter zeigten sich überrascht. „Wir werden uns das so nicht gefallen lassen“, sagte Ostsachsens IG-Metall-Chef Jan Otto. Lauthals kündigte die IG Metall im Herbst 2016 Widerstand gegen den Stellenabbau an. Doch was kam, war heiße Luft.

Als die Belegschaften in Hennigsdorf und Görlitz spontane Arbeitsniederlegungen und Proteste vor den Werkstoren durchführten, reagierten die IG Metall nervös und appellierte an die Bundesregierung, um die deutschen Standorte zu vereidigen. Der damalige SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel lud daraufhin die IGM- und Betriebsratsspitzen gemeinsam mit den Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen und die Konzernleitung Anfang Januar zu einem Gipfeltreffen ins Wirtschaftsministerium in Berlin ein.

Im Anschluss bot die sächsische Landesregierung dem Konzern finanzielle Unterstützung für die Werke in Görlitz und Bautzen an, im Gespräch waren Gelder in Millionenhöhe für „Technologieförderung“. Ähnliche Versprechen kamen von der brandenburgischen SPD-Linke-Regierung.

Parallel dazu legte die IG Metall ihr eigenes Rationalisierungsprogramm unter der Überschrift „Fahrplan Zu(g)kunft“ vor. Wie die Konzernleitung forderte auch das Gewerkschaftspapier Rationalisierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Das Gewerkschaftskonzept unterschied sich nur in zwei Punkten. Erstens hatte es eine deutlich nationalistische Orientierung, verlangte eine stärkere Berücksichtigung der deutschen Standorte und die „Erarbeitung einer Deutschlandstrategie“. Zweitens verlangte es, dass alle Rationalisierungsmaßnahmen in enger Zusammenarbeit mit IG Metall und Betriebsrat vorbereitet und durchgeführt werden.

Viele Arbeiter lehnten die Hinhaltetaktik von Betriebsrat und IG Metall ab. Auf einer Mitgliederversammlung der IG-Metall am 17. Januar in Görlitz konfrontierten aufgebrachte Arbeiter den Betriebsratsvorsitzenden, Rene Straube, und den IG-Metall-Chef, Jan Otto, mit ihrer eigenen Auffassung, was zu tun sei. Sie seien schon im letzten Jahr bereit gewesen zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu streiken. Wenn man so lange damit warte, bis die vorliegenden Aufträge abgearbeitet seien, hätten Streiks keine Kraft mehr. Spätestens im März sollte „etwas passieren“.

Um die aufgebrachten Arbeiter zu beruhigen, die auch fehlendes Vertrauen in die Unterstützung des Betriebsrates äußerten, versprach Jan Otto auf derselben Versammlung, es werde zum Arbeitskampf kommen, wenn das Unternehmen bis Ende März keine konkreten Zahlen vorlege, dies sei eine „rote Linie“.

Um Dampf abzulassen organisierte die IG Metall Anfang März eine Protestkundgebung in Görlitz, an der 3.000 Demonstranten des Bombardier-Werkes und aus der Bevölkerung teilnahmen. Schon damals gab der Betriebsratsvorsitzende des Werkes Bautzen, Gerd Kaczmarek, zu verstehen, dass die Gewerkschaft nicht gewillt sei, die strategischen Entscheidungen des Managements zu ändern. Stattdessen waren alle Bemühungen der IGM darauf gerichtet, die Kampfbereitschaft der Belegschaft zurückzuhalten und abzuwürgen.

Als die „rote Linie“ sich näherte, wurden die Belegschaften mit der Erklärung hingehalten, dass ein von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat geforderter externer, „neutraler Berater“ das Konzept des Unternehmens prüfen und alternative Vorschläge unterbreitenden werde. Dazu organisierte die IG Metall am 30. April eine Demonstration zur Aufsichtsratssitzung vor der Hauptverwaltung am Schöneberger Ufer in Berlin.

Auf dieser Kundgebung versprach der Gesamtbetriebsratsvorsitzende, Michael Wobst, man werde sich nicht zu „Mittätern des geplanten Deindustrialisierungs- und Massenentlassungskonzeptes der Geschäftsführung“ machen lassen, um gleich darauf zu warnen, er werde sich nicht „gegen notwendige und sinnhafte Veränderungen“ stellen, „auch wenn sie hier und da schmerzhaft sein sollten“.

Nach der Aufsichtsratssitzung vom 29. Juni auf der die gemeinsame Front von Betriebsräten, IG Metall und Geschäftsführung für jedermann sichtbar wurde, war die Rolle von IGM und Betriebsrat völlig entlarvt. Wie in Andersons Märchen stand „der Kaiser ohne Kleider“ da. Seitdem tritt die Betriebsratsführung noch aggressiver auf. Sie hat nun die Möglichkeit, jedem Kritiker zu drohen auf die Entlassungsliste zu kommen.

Wie schon bei zahlreichen anderen Arbeitskämpfen in der Automobil- und Stahlindustrie zeigt sich die IG Metall als Co-Manager der Unternehmen, egal, ob ihre Vertreter der SPD, Linkspartei, den Grünen oder einer pseudolinken Strömung angehören. Dies ist kein deutsches Phänomen sondern spielt sich in anderen Ländern genau so ab.

Anfang März fand in London eine außerordentliche Konferenz der europäischen Betriebsräte von Bombardier Transportation statt, auf der Europa-Chef Philippe Crauste, das Transformationskonzept für die europäischen Standorte vorstellte. Doch anstatt einen gemeinsamen Kampf zum Erhalt der Arbeitsplätze zu organisieren, findet unter den europäischen Betriebsräten und Gewerkschaften ein regelrechtes Hauen und Stechen um Arbeitsplätze statt.

Standort-Patriotismus und Nationalismus gibt es in Frankreich bei der stalinistischen CGT und sozialdemokratischen CFDT genauso wie bei der IG Metall. Anfang Juni protestierten ihre Vertreter beim Bombardier-Werk in Crespin, nahe der belgischen Grenze, gegen die geplante Verlegung der Produktion von Drehgestellen nach Siegen. Der Transfer der Produktion sei nur dazu da, um „den Deutschen zu erleichtern, die bittere Pille der Personalkürzungen zu schlucken“, berichteten sie der französische Zeitung La Voix du Nord.

In Belgien protestierte die Gewerkschaft ABVV METAAL im Mai gegen den Abbau von fast der Hälfte der Stellen im Bombardier-Werk Brügge, wo durch Restrukturierung alle Schweiß- und Lackierungsarbeiten entfallen sollen. Ein Teil davon wird nach Tschechien ausgelagert. Der Standort Brügge soll in Zukunft vom Werk Crespin/Frankreich geleitet werden, was auf eine mittelfristige Schliessung des gesamten Werkes hinweist.

In den Schweizer Werken Zürich und Villeneuve sollen 650 Arbeitsplätze von 1.300 Stellen abgebaut werden, darunter etwa 500 Zeitarbeitsstellen. Auch hier gab es keine Anstalten der Gewerkschaft Unia, für den Erhalt aller Arbeitsplätze zu kämpfen.

Die Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) kämpft gegen den Standort-Patriotismus und Nationalismus der Gewerkschaften, der sich direkt aus ihrer pro-kapitalistischen Orientierung ergibt. Die WSWS und die SGP kämpfen für die prinzipielle Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten. Das erfordert ein sozialistisches Programm und eine internationale Strategie.

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