Tiefe politische Krise in Washington

Sonderermittler weitet Untersuchung von Trumps Russland-Kontakten aus

Laut Medienberichten will Sonderermittler Robert Mueller seine Untersuchung der angeblichen russischen Einflussnahme auf die amerikanische Präsidentschaftswahl und der Zusammenarbeit von Trumps Wahlkampfteam mit Russland ausweiten. Gleichzeitig bringt der wachsende Konflikt in der herrschenden Klasse und dem Staat seit langem gärende Konflikte zum Ausbruch.

Am Freitag führte die interne Krise zum Rücktritt von Trumps Pressesprecher Sean Spicer. Einen Tag später trat auch der Sprecher von Trumps externem Anwälteteam Mark Corallo zurück; am gleichen Tag wurde außerdem der Chefanwalt Marc Kasowitz seines Postens enthoben.

Zuvor hatte Trump in einem ungewöhnlichen Interview mit der New York Times seinem eigenen Justizminister Jeff Sessions vorgeworfen, er habe sich bei der Ermittlung um die Russland-Kontakte aus der Affäre gezogen. Im weiteren Verlauf kritisierte er auch den stellvertretenden Justizminister und amtierenden Chef des FBI. Er warf Mueller Interessenkonflikte vor und kritisierte dessen Entscheidung, die Geschäftsbeziehungen von Trump, seiner Familie und engen Verbündeten zu untersuchen. Dies sei „Verstoß“ gegen sein Mandat als Sonderermittler, so Trump.

Insider aus Washington deuteten an, dass Trump einen Vorwand für Muellers Entlassung schaffen will. Die Los Angeles Times sprach sich in diesem Fall für ein Amtsenthebungsverfahren aus.

Der Anlass für Spicers Rücktritt war die Ernennung Anthony Scaramuccis zum Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses. Der Multimillionär war zuvor Wall Street-Hedgefondsunternehmer, Banker bei Goldman Sachs und Lehman Brothers sowie Kommentator bei Fox News. Spicer, der seinen Posten seit dem Rücktritt von Mike Dubke im letzten Mai innehatte, lehnte Scaramuccis Ernennung laut mehreren Medienberichten entschieden ab und wurde dabei von Stabschef Reince Priebus und Trumps oberstem Politikberater Stephen Bannon unterstützt.

Für Scaramuccis Ernennung hatten sich Trumps Tochter Ivanka und ihr Ehemann Jared Kushner eingesetzt, der allgemein als Trumps wichtigster Berater gilt.

Priebus war zuvor der Vorsitzende des Nationalkomitees der Republikaner (RNC) und pflegt seit langem Beziehungen zu dessen ehemaligen Sprecher Spicer. Er hat ihm auch seinen Posten im Weißen Haus verschafft. Priebus erklärte zwar nach der Ankündigung von Scaramuccis Ernennung seine Unterstützung für ihn, doch seine eigene Stellung wird immer prekärer und sein Rücktritt gilt allgemein als sicher.

Durch die Ernennung eines ehemaligen Kollegen aus der Wall Street-Kleptokratie zum Kommunikationschef des Weißen Hauses schränkt Trump den Kreis seiner Getreuen zunehmend auf milliardenschwere Oligarchen wie sich selbst und enge Familienmitglieder ein und distanziert sich vom Republikanischen Parteiapparat.

Dies scheint im Zusammenhang mit der Entscheidung zu einer aggressiveren Haltung gegenüber Mueller zu stehen. Der Rechtsberater Mark Corralo, der am Dienstag zurückgetreten war, hatte sich nachweislich dagegen ausgesprochen, den Sonderermittler öffentlich zu kritisieren.

Am Freitag veröffentlichten die Washington Post und die New York Times Titelgeschichten, die den Fraktionskampf gegen das Weiße Haus verschärfen sollten. Darin schrieben sie unter Berufung auf anonyme Quellen, Trumps Anwälte versuchten, Interessenkonflikte in Muellers Team von Staatsanwälten zu dokumentieren. Die Post berichtete außerdem, Trump würde prüfen, ob er die Befugnis hat, potenzielle Ziele der Ermittlung zu begnadigen, darunter auch sich selbst.

Dieses Verhalten ist eine Reaktion auf Muellers aggressive Ausweitung seiner Untersuchung. Am Donnerstag meldete Bloomberg News, dass Muellers Team Trumps Geschäftsaktivitäten der letzten paar Jahre überprüft und bei mehreren Banken Einblick in Trumps Finanzdaten beantragt hat. Laut Medienberichten ist Trump besonders beunruhigt, dass Mueller möglicherweise seine Steuererklärungen in die Hände bekommen könnte. Er hatte sich zuvor geweigert, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Auch Ausschüsse des Kongresses weiten ihre Untersuchungen aus. Am Montag soll Kushner in einem Privatgespräch mit dem Geheimdienstausschuss des Senats über das Treffen zwischen ihm, Trumps Sohn, seinem damaligen Wahlkampfchef Paul Manafort, einer russischen Anwältin mit Beziehungen zum Kreml und anderen bekannten Russen im Juni 2016 aussagen. Für nächsten Mittwoch hat der Justizausschuss des Senats Trumps Sohn und Manafort zu einer öffentlichen Sitzung einbestellt, bei der sie über das Treffen aussagen sollen. Der republikanische Vorsitzende Charles Grassley erklärte, falls sie nicht auftauchen, würden sie vorgeladen werden.

Am Freitag berichteten die Medien außerdem, Mueller habe das Weiße Haus und Mitglieder von Trumps Wahlkampfteam, die bei dem Treffen im Juni 2016 anwesend waren, angewiesen, alle Aufzeichnungen darüber aufzubewahren.

Es wird immer unwahrscheinlicher, dass der Fraktionskampf in der herrschenden Klasse mit einem friedlichen Kompromiss endet. Einflussreiche Teile der Wirtschafts- und Finanzelite wollen Trump seines Amtes entheben, aber sie wissen nicht, wie sie es bewerkstelligen sollen, und sie haben Angst vor den Nachwirkungen. Doch je länger die Pattsituation anhält, desto größer werden die Gefahren.

Früher oder später wird die politische Krise eine Implosion der stark aufgeblähten Finanzmärkte auslösen. Der amerikanische- und der Weltkapitalismus werden in eine noch tiefere Krise stürzen als im September 2008. Und je länger der politische Krieg in Washington andauert, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich die aufgestaute Wut und Frustration der Arbeiterklasse in Massenkämpfen entlädt.

Das ist eine historisch beispiellose Krise der Klassenherrschaft in den USA. Die zunehmenden wirtschaftlichen, sozialen und geopolitischen Krisen fachen sie weiter an. Der amerikanische und der internationale Kapitalismus befinden sich weiterhin tief in wirtschaftlicher Stagnation, welche den Kurs auf Handelskrieg und letztlich auf militärische Konflikte zwischen den Großmächten verschärft. Die Gefahr von Militarismus und Krieg im Nahen Osten, Afrika und Asien wächst, und das amerikanische Militär operiert ohne jede Einschränkung durch zivile Kontrolle. Die Klassenspannungen verschärfen sich im gleichen Ausmaß wie der unablässige Sparkurs und die soziale Ungleichheit.

Amerikas globale Hegemonie bricht zusammen. Große Teile der herrschenden Elite sind erschrocken und verängstigt über die zunehmende Isolation der USA auf der Bühne des Weltimperialismus, die sich vor kurzem auf dem G20-Gipfel in Deutschland zeigte.

An der Spitze des Staates sitzt ein offen krimineller Präsident. Er ist das Produkt des verkommenen und kriminellen Zustandes der bürgerlichen politischen Kultur in Amerika. Mit Trump hat die herrschende Klasse einen Albtraum vor sich, den sie selbst geschaffen hat – ein Frankenstein-Monster und einen Möchtegern-Bonaparte, der als Präsident die gleichen mafiösen Methoden einsetzt wie bei seinen Geschäften.

Scaramucci fasste in seiner ersten Pressekonferenz im Weißen Haus die Perspektive der Oligarchie zusammen, die er ebenso vertritt wie Trump. Er wünschte Spicer viel Glück und erklärte: „Ich hoffe, er wird noch viel Geld verdienen.“

Auch der Widerstand der Demokratischen Partei, der großen Medien und der Geheimdienste gegen Trump hat nichts Fortschrittliches oder Demokratisches an sich. Die Demokraten leisten keinen Widerstand gegen Trumps brutale Sozialangriffe oder seine Angriffe gegen Immigranten und demokratische Rechte. Sie konzentrieren sich ausschließlich auf ihre hysterische Kampagne gegen Russland und attackieren Trump, weil er sich weigert, die Kriegstreiberei gegen Moskau zu verschärfen, die unter der Obama-Regierung begann. Sie fordern eine Eskalation des Kriegs für einen Regimewechsel in Syrien und die militärische Konfrontation mit der Atommacht Russland in Osteuropa.

Gleichzeitig sind Trumps Gegner aus der herrschenden Klasse besorgt über die offene und hemmungslose Korruption der neuen Regierung. Sie befürchten, dass Trump die grundlegenden geopolitischen Interessen des amerikanischen Imperialismus seinen eigenen Geschäftsinteressen und denen seiner Familie unterordnet.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeiterklasse die politische Krise benutzt, um unabhängig zur Verteidigung ihrer eigenen Interessen aktiv zu werden. Sie muss gegen beide Fraktionen der herrschenden Elite für Arbeitsplätze, ein funktionierendes Bildungs- und Gesundheitswesen, demokratische Rechte, die Rechte von Immigranten und Frieden kämpfen. Der Widerstand gegen Trump darf nicht in die Kanäle der Demokratischen Partei gelenkt werden.

Es besteht durchaus die Gefahr, dass Trump als Reaktion auf die Isolation seiner Regierung die Kriege im Nahen Osten und Afghanistan verschärft oder neue beginnt, um den politischen und sozialen Widerstand gegen einen ausländischen „Feind“ zu konzentrieren und seine Gegner in der herrschenden Klasse zu schwächen.

Ohne ein Wiederaufleben des Kampfs der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms gegen das gesamte wirtschaftliche und politische System wird das Ergebnis dieser Krise ein weiterer Schritt zu diktatorischen Herrschaftsformen und eine Ausweitung von Militarismus und Krieg sein, egal wer bis dahin Präsident sein wird.

Die Bedingungen für einen solchen Kampf reifen zusehends heran. Die wichtigste Aufgabe ist es jetzt, diese Bewegung durch den Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) als neue politische Führung der Arbeiterklasse bewusst vorzubereiten.

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