Demonstranten blockieren Neonazi-Aufmarsch in Berlin-Spandau

Am Samstag blockierten rund 1500 Demonstranten erfolgreich einen Demonstrationszug von etwa 700 Neonazis, die im Nordberliner Stadtteil Spandau zum ehemaligen Kriegsverbrechergefängnis der Alliierten ziehen wollten, um Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß zu ehren. Heß, der in den Nürnberger Prozessen zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, hatte dort vor 30 Jahren, am 17. August 1987, Selbstmord begangen.

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte den Gedenkmarsch der Neonazis genehmigt. Mehrfache Forderungen nach einem Verbot der faschistischen Demo wies Geisel mit dem Verweis auf die Meinungsfreiheit zurück.

Die Neonazis wurden verpflichtet, bestimmte Auflagen zu befolgen. Doch trotz der gerichtlichen Anweisung, jegliche Verherrlichung von Heß in Wort, Schrift und Bild zu unterlassen, trugen sie ein großes Banner mit dem Heß-Zitat: „Ich bereue nichts.“ Die Polizei, die mit einem Großaufgebot von mehr als tausend Beamten vor Ort war, um den Marsch abzusichern und die Rechten vor Gegendemonstranten zu schützen, schritt nicht dagegen ein.

Stattdessen schikanierte sie Gegendemonstranten und verhinderte, dass sie zur Kundgebung vor dem Ort des ehemaligen Gefängnisses gelangen konnten. „Reine Verhinderungsblockaden dulden wir nicht und unterbinden diese“, drohte die Polizei über Twitter und ging gegen Gegendemonstranten vor, die sich den Neonazis entgegenstellten.

Polizei trifft auf Gegendemonstranten

Doch die Gegendemonstranten ließen sich nicht einschüchtern. Dank mehrerer Sitzblockaden und des großen Widerstands gegen die rechten Hetzer musste die Polizei den Neonazi-Marsch schließlich auflösen.

Zur Gegendemonstration und Kundgebung hatte ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Vereinen wie der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ aufgerufen. Besorgt über den internationalen Aufstieg rechtsradikaler Kräfte und den wachsenden Nationalismus kamen aber auch zahlreiche, vorwiegend jugendliche Demonstranten, die keiner dieser Organisationen angehörten.

Ihr Protest ist Ausdruck von wachsendem internationalen Widerstand gegen Nationalismus und Rechtsextremismus. Viele sind schockiert über die jüngste Entwicklung in den USA, wo Präsident Trump den faschistischen Bodensatz mobilisiert.

Mitglieder der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) verteilten auf der Gegendemonstration Hunderte Wahlaufrufe und das Flugblatt „Faschistischer Terror in Charlottesville: Die Komplizenschaft deutscher Politiker und Medien“ und stießen damit auf großes Interesse.

Während ein großer Teil der Gegendemonstranten gekommen waren, um den Neonazis entschlossen entgegenzutreten, nutzten die etablierten Parteien die Proteste für ihre abstoßende Wahlkampfpropaganda und versuchten, sich als Gegner der Rechtsextremen darzustellen.

Auf der Gegenkundgebung waren allerdings nur noch etwa 200 Teilnehmer anwesend, davon die Mehrheit fahnenschwingende SPD-Anhänger. Das lag zum Teil an den polizeilichen Schikanen, die Gegendemonstranten daran hinderten, zum Kundgebungsort zu gelangen. Viele von ihnen waren aber auch gekommen, um die Neonazis zu stoppen, und nicht um sich die Reden von Parteivertretern anzuhören, die mit ihrer Politik die Rechtsextremen jahrelang ermutigt und gestärkt haben.

Als erste sprach die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbund in Berlin-Brandenburg, Doro Zinke, die sich auf ein paar Floskeln und kritische Worte über das Vorgehen der Polizei beschränkte. Dann sprachen unter anderem Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und Spitzenkandidatin der Linkspartei für die Bundestagswahl, Renate Künast von Bündnis 90/Die Grünen und Hubertus Heil, Generalsekretär der SPD.

Alle drei gebärdeten sich als linke Demokraten und Antifaschisten, gaben scheinheilige Plattitüden über die „Würde des Menschen“ von sich und erinnerten an die Weimarer Republik, die an einem fehlenden Bündnis aller „Demokraten“ gescheitert sei. In Wirklichkeit hatten die damaligen „Demokraten“, einschließlich der SPD, einhellig zur Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten aufgerufen, der schließlich Hitler um Kanzler ernannte.

Auch Pau beschwor die „Einheit aller Demokraten“. Es ist „schön“, schwadronierte sie, „dass wir heute unter Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschem Bundestag, aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, aus den Bezirksverordnetenversammlungen, den Gewerkschaften, den Kirchen und demokratischen Organisationen hier versammelt sind.“ Man könne in Wahlkampfzeiten „über Gott und die Welt streiten, über Einsätze der Bundeswehr, über die Ursachen von Altersarmut oder auch über Dieselkriminelle. Aber wenn es um Bürgerrechte und Demokratie geht, dann müssen wir sie gemeinsam verteidigen.“

Sie verlor keine Silbe über die politische Rechtswende in Deutschland, wo mittlerweile alle Parteien einhellig gegen Flüchtlinge hetzen. Auch die NSU-Morde erwähnte sie nicht, obwohl sie als Obfrau des NSU-Untersuchungsausschusses bestens über die Verstrickung des Verfassungsschutzes in die rechtsextreme Mordserie informiert ist.

Künast warnte vor einem „Rechtsruck“ in Deutschland, der auch von der AfD und Pegida ausgehe. Zu den Ausschreitungen in Charlottesville erklärte sie: „Wir wollen keine US-amerikanischen Verhältnisse, sondern unsere Demokratie bewahren, die mit der Würde anfängt.“

Hubertus Heil (SPD) stimmte seinen Vorrednerinnen „Petra“ und „Renate“ zu. Im Kampf gegen die Nazis müsse man trotz der politischen Unstimmigkeiten zusammenstehen. Im selben Atemzug nahm Heil die Polizei vor Kritik in Schutz und behauptete, auch sie sei gegen die Nazis.

Das ist so zynisch wie verlogen. Tatsächlich toleriert und schützt die Polizei regelmäßig rechtsextreme Zusammenkünfte wie jüngst das Festival „Rock gegen Überfremdung“ in Thüringen. Und im Bundestagswahlkampf vergeht kaum ein Tag, an dem nicht führende Politiker von SPD, Linkspartei und Grünen in bester AfD-Manier gegen Flüchtlinge hetzen, Nationalismus schüren und an den braunen Bodensatz der Gesellschaft appellieren, um ihre Politik des Militarismus, der inneren Aufrüstung und des Sozialabbaus durchzusetzen.

Vor allem die SPD reagiert auf die wachsende Opposition in der Bevölkerung, indem sie offen die ausländerfeindliche Rhetorik der AfD übernimmt. Wenige Tage vor der Demonstration forderte SPD-Kandidat Martin Schulz ein brutales Vorgehen des Polizeiapparats gegen angeblich kriminelle Immigranten. Und auch der Grüne Boris Palmer oder Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine von der Linkspartei hetzen seit langem gegen Migranten und Flüchtlinge. Überall wo Linkspartei, SPD und Grüne gemeinsam regieren, organisieren sie brutale Abschiebungen und rüsten die Polizei auf.

Alle rot-rot-grünen Parolen gegen Rechts können die Tatsache nicht verschleiern, dass sie selbst „rassistische Stimmungsmache“ betreiben und „Verfechter nationalistischer Denkweisen und Geschichtsfälscher“ sind, gegen die sich der offizielle Demo-Aufruf ausspricht. Sehr deutlich macht das auch die Verteidigung des rechtsradikalen Professors Jörg Baberowski („Hitler war nicht grausam“) durch die sozialdemokratische Präsidentin der Humboldt-Universität im rot-rot-grün regierten Berlin.

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