Perspektive

DreamHost muss Daten von Anti-Trump-Website herausgeben:

Politischer Widerspruch wird kriminalisiert

Am Donnerstag hat ein Richter des Obersten Gerichtshofs des District of Columbia entschieden, dass der Webhoster DreamHost der Trump-Regierung große Mengen von Daten über die Website disruptj20.org zur Verfügung stellen muss. Die Website hatte im Januar Proteste gegen Trumps Amtseinführung organisiert. Das Urteil ist ein beängstigender Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Am 14. August veröffentlichte DreamHost den Inhalt einer Anordnung, die bereits im Juli herausgegeben worden war. Darin fordert die Regierung das Unternehmen auf, alle Daten über disruptj20.org auszuhändigen, darunter die Besuchsprotokolle sowie die IP-Adressen von 1,3 Millionen Menschen, die die Seite besucht haben, sodass einzelne Personen identifiziert werden können. Sie forderte außerdem Zugang zu E-Mails, Fotos und anderen Daten von Personen, die an der Website beteiligt waren und Beiträge verfasst haben.

Nachdem die Anordnung des Justizministeriums bekannt geworden war, stellte die Regierung klar, sie wolle keinen Zugriff auf IP-Adressen. Allerdings fordert sie weiterhin „alle Aufzeichnungen oder andere Informationen über den Account, darunter alle Daten, Datenbanken und Datenbankaufzeichnungen, die DreamHost von dem Account speichert.“

Richter Robert Morin, der von Bill Clinton ernannt wurde, verband die Anordnung mit der bedeutungslosen Klausel, das Gericht werde die Aufsicht darüber führen, mit welchen Methoden die Regierung die Daten durchsucht.

DreamHost, ein Privatunternehmen, das mehr als 1,5 Millionen Websites hostet, hat der Anweisung Folge geleistet und mit der Übergabe der Daten begonnen. Es behauptet, die Entscheidung des Richters sei ein „Sieg für die Privatsphäre“. In Wirklichkeit ist sie das genaue Gegenteil. Der Anwalt des Unternehmens, Raymond Aghaian, erklärte am Donnerstag vor Gericht, die Regierung fordere und erhalte Informationen, die „der Mitgliederliste eines Interessenverbands“ gleichkommt.

Aghaian erklärte, die Anordnung der Regierung sei faktisch ein „genereller Durchsuchungsbefehl“, d.h. eine Forderung nach der Auslieferung umfassender Informationen, die nicht auf ein bestimmtes Delikt oder eine bestimmte Person begrenzt sind. In Großbritannien wurden solche Verfügungen im 18. Jahrhundert verboten. In den USA sind sie durch den 4. Zusatzartikel der Verfassung geächtet, in dem es heißt: „Das Recht des Volkes auf Sicherheit der Person und der Wohnung, der Urkunden und des Eigentums vor willkürlicher Durchsuchung, Festnahme und Beschlagnahme darf nicht verletzt werden, und Haussuchungs- und Haftbefehle dürfen nur bei Vorliegen eines eidlich oder eidesstattlich erhärteten Rechtsgrundes ausgestellt werden und müssen die zu durchsuchende Örtlichkeit und die in Gewahrsam zu nehmenden Personen oder Gegenstände genau bezeichnen.“

Durch das Urteil hat die Regierung nun einen juristischen Präzedenzfall. Sie kann ähnliche Informationen von jeder Website anfordern, die Proteste organisiert oder unterstützt oder sonstige oppositionelle Aktivitäten betreibt. Sie kann angebliche Gewalttaten, die oft von Polizeiprovokateuren verübt werden, als Vorwand benutzen, um politischen Dissens zu kriminalisieren.

Das Urteil in D.C. ergeht vor dem Hintergrund einer koordinierten internationalen Kampagne der herrschenden Klasse, politischen Widerstand zu unterdrücken und zu verbieten. Am Freitag unternahm die deutsche Bundesregierung den außergewöhnlichen Schritt, die deutsche Website linksunten.indymedia.org zu verbieten. Sie behauptete, sie sei an der Organisation der gewalttätigen Proteste in Hamburg während des G20-Gipfels im Juli beteiligt gewesen.

In den Wochen nach dem G20-Gipfel wurden die Behauptungen der Regierung über „gewalttätige Demonstranten“ umfassend widerlegt. In Wirklichkeit wurden die Proteste als Anlass für eine massive Polizeiaktion und für Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen „Linksextremisten“ benutzt. Dieses Vorgehen wurde von allen Seiten des politischen Establishments unterstützt.

Innenminister Thomas de Maizière erklärte im Duktus eines autoritären Regimes, die Seite sei vom Netz genommen worden, weil sie benutzt worden sei, um „um Hass gegen Andersdenkende und Repräsentanten des Landes zu säen“ – d.h. weil sie zu politischem Widerstand gegen die Regierung aufgerufen hatte.

In den USA stehen die weitreichenden Folgen des Urteils in D.C. in scharfem Kontrast zum fast völligen Schweigen der Mainstreammedien und des politischen Establishments über dieses Urteil. Kein führender Demokrat hat sich gegen das Urteil ausgesprochen.

Als eine der wenigen Zeitungen veröffentlichte am Freitag die Washington Post einen Leitartikel über das Urteil unter dem Titel: „Glaubt dem Hype nicht: Das Justizministerium geht nicht gegen Trump-Gegner vor“. Die Post akzeptiert die Behauptung der Regierung, die Staatsanwaltschaft werde nur gegen „ernsthafte Verstöße gegen die öffentliche Ordnung“ ermitteln und sie verteidigt die Durchsuchung. Sie kritisiert nur den umfassenden Charakter der ursprünglichen Anordnung. Weiter argumentiert sie, die Regierung habe ihre Position durch ihre Klarstellung „deutlich gestärkt“.

Der Leitartikel schließt mit der Forderung nach einer Institutionalisierung von Durchsuchungen, wie sie die Regierung fordert: „Die Gerichte und der Kongress sollten sich überlegen, wie sie [die vom Gericht genehmigten Verfahren] verallgemeinern können.“

Die Trump-Regierung stellt eine ernsthafte Gefahr für die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse dar. Sie ist aber selbst nur ein Produkt des lang anhaltenden Niedergangs demokratischer Herrschaftsformen in den USA. Dieser Niedergang ist derart weitreichend, dass er selbst bei eindeutigen und erheblichen Verstößen gegen die Verfassung nicht einmal mehr Kommentare seitens des Establishments hervorruft, geschweige denn Widerstand.

Seit Trumps Wahlsieg wurde in der offiziellen politischen „Debatte“ mit keinem Wort auf das massive Anwachsen des Geheimdienstapparats eingegangen, z.B. des illegalen und verfassungswidrigen Überwachungsapparats der NSA, der vor vier Jahren von Edward Snowden aufgedeckt wurde. Die Forderungen des Justizministeriums im Fall DreamHost sind ein Ausdruck der wesentlichen Funktion des Überwachungsapparats, den die Obama-Regierung unterstützt und ausgeweitet hat: der Unterdrückung von Widerstand im Inneren.

In den sieben Monaten seit Trumps Amtsübernahme haben die Demokratische Partei und die Medien versucht, den wahren Charakter und die soziale Basis seiner Regierung zu verschleiern. Es handelt sich um eine Regierung der Wirtschafts- und Finanzoligarchie, die entschlossen ist, Kriege im Ausland und die soziale Konterrevolution in den USA selbst zu verschärfen. Bei ihrer Kritik an Trump konzentrieren sie sich auf außenpolitische Fragen und attackieren Trump, weil er mit Teilen des Militärs und der Geheimdienste in Konflikt geraten war.

Nach den Neonazi-Ausschreitungen in Charlottesville vor zwei Wochen haben sich die Demokraten für die Umgestaltung der Trump-Regierung ausgesprochen, die seither noch direkter vom Militär und der Finanzaristokratie kontrolliert wird.

Trumps Vorgehen gegen politische Proteste liegt zudem völlig auf einer Linie mit der Kampagne von Internetkonzernen, der Demokratischen Partei und ihnen nahestehenden Medien, unter dem Vorwand eines Kampfes gegen „Fake News“ ein umfangreiches Internetzensurprogramm einzuführen. Am bekanntesten ist dabei die Manipulation der Suchergebnisse durch Google, die dazu führt, dass linke Websites, allen voran die World Socialist Web Site, auf die schwarze Liste gesetzt werden.

Die eigentliche Bedrohung für die Interessen der herrschenden Elite in den USA und weltweit ist die Entstehung einer politisch unabhängigen und organisierten Arbeiterklasse, die mit einem sozialistischen Programm bewaffnet ist. Die repressiven Maßnahmen des Staates sollen der Entstehung einer solchen Bewegung zuvorkommen und sie verhindern.

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