SGP-Wahlveranstaltung in Duisburg: Diskussion über die Rolle der IG Metall bei ThyssenKrupp

Am vergangenen Samstag fand in Duisburg-Hamborn eine Wahlveranstaltung der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) statt. Es sprachen Elisabeth Zimmermann-Modler und Dietmar Gaisenkersting, die beide in Nordrhein-Westfalen für den Bundestag kandidieren.

Während sich Gaisenkersting auf die drohende Kriegsgefahr und die aktuelle poltische Lage konzentrierte, sprach Zimmermann-Modler zur Entwicklung bei ThyssenKrupp Steel, dem größten deutschen Stahlkonzern. Durch die geplante Fusion mit der britisch-indischen Tata-Steel sind nicht nur in Duisburg, sondern auch in Großbritannien und den Niederlanden Tausende von Arbeitsplätzen gefährdet.

Bei ThyssenKrupp Steel in Nordrhein-Westfalen arbeiten über 20.000 Beschäftigte, davon allein 13.000 in Duisburg. Insgesamt beschäftigt der Stahlbereich von ThyssenKrupp Steel in Europa noch 27.000 Menschen. Seit fast zwei Jahren verhandelt der Konzernvorstand hinter dem Rücken der Arbeiter über eine Fusion mit dem europäischen Stahlbereich von Tata Steel.

Inzwischen seien die Verhandlungen über eine Fusion unterschriftsreif, berichtete Zimmermann-Modler. Während sich beide Unternehmensvorstände hohe Einsparungen erhoffen, droht den Arbeitern in den betroffenen Ländern der Verlust von mindestens 10.000 Arbeitsplätzen.

IG Metall und Betriebsrat haben sich immer wieder gegen eine Fusion mit Tata ausgesprochen und dies mit nationalistischen Argumenten begründet. Zimmermann zitierte den Konzern-Betriebsratsvorsitzenden von ThyssenKrupp, Wilhelm Segerath, der eine fünfjährige Standortgarantie für das Tata-Stahlwerk im britischen Port Talbot mit den Worten kommentierte: „Wenn die fünf Jahre bekommen, wollen wir mindestens zehn Jahre.“ Die britischen Arbeiter hatten für die Garantie mit der Schließung ihres Pensionsfonds bezahlt.

Segeraths Äußerung zeige, „dass Gewerkschaft und Betriebsrat nicht gegen eine Fusion sind, sondern wollen, dass die britischen Arbeiter dafür mit ihren Arbeitsplätzen bezahlen“, kommentierte Zimmermann. Bereits im letzten Jahr habe eine Hetzkampagne gegen „chinesischen Dumpingstahl“ die üble Rolle von Gewerkschaft, SPD und Linkspartei gezeigt, die die Schuld für die Probleme den chinesischen Arbeitern zuschieben und Handelskriegsmaßnahmen gegen China fordern. Es gehe ihnen nicht um die Verteidigung von Arbeitsplätzen, sondern um „deutsche Wirtschaftsinteressen und die Wahrung der Konzernprofite“. Beim Aktionstag „Stahl ist Zukunft“ 2016 hätten sämtliche Redner Strafmaßnahmen gegen China sowie den Abbau von geplanten Umweltschutzauflagen gefordert.

Inzwischen stehen die Vertreter von IG Metall und Betriebsrat im Aufsichtsrat auf der Seite des Hedgefonds Cevian, der mit einem Anteil von 15 Prozent der zweitgrößte Aktionär von ThyssenKrupp ist. Cevian hatte lange Zeit die Fusion mit Tata Steel befürwortet, gibt aber jetzt einer Abspaltung des Stahlgeschäfts, einem sogenannten Spin-off, den Vorzug.

2005 hatte der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering das Geschäftsgebaren von Hedgefonds mit einer Heuschreckenplage verglichen. Nun machen die Gewerkschaft und ihre betrieblichen Vertreter mit der „Heuschrecke“ Cevian gemeinsame Sache. Das zeige, welche reaktionäre Politik aus dem Schulterschluss der Gewerkschaften mit den Stahlkonzernen hervorgehe, sagte Zimmermann-Modler. Er „rettet keinen einzigen Arbeitsplatz, sondern dient dem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen, Löhnen und Sozialleistungen“.

„Die Verbündeten der Stahlarbeiter in Deutschland sind die Stahlarbeiter in China, Großbritannien, den Niederlanden und auf der gesamten Welt – und nicht der jeweilige Konzernvorstand“, betonte Zimmermann-Modler. „Den Preis für die Politik der Klassenzusammenarbeit zahlen die Arbeiter – mit ihren Arbeitsplätzen und einer ständig wachsenden Arbeitshetze.“

Die nationalistische Politik von Betriebsrat, IG Metall und SPD und ihre Forderung nach einer deutschen Stahl-AG – einem Zusammenschluss der verbliebenen deutschen Stahlkonzerne – sei auch im Hinblick auf den wachsenden Militarismus bedeutsam: „Die SPD setzt sich von allen Parteien am heftigsten für eine massive Aufrüstung und Vergrößerung der deutschen Armee ein.“

Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz hatte vor kurzem erklärt, es sei klar, „dass die Bundeswehr mehr Geld brauchen wird, in Milliardenhöhe“, und „dass sie gut ausgestattet werden müsse, sowohl mit Material wie Personal“. Die Deutsche Stahl AG solle ihre Profite mithilfe dieser militärischen Aufrüstung sichern und gleichzeitig für die wirtschaftliche Unabhängigkeit Deutschlands bei der Aufrüstung sorgen.

Dieser militaristischen und nationalistischen Politik setzte die SGP-Kandidatin die internationale Perspektive der Sozialistischen Gleichheitspartei, der deutschen Sektion der Vierten Internationale entgegen.

Im Anschluss daran ging Dietmar Gaisenkersting auf die wachsende Kriegsgefahr ein und erläuterte die Antwort der SGP: „Seit dem Zweiten Weltkrieg stand die Menschheit noch nie so nah vor einem neuen Weltkrieg.“

Er zitierte die jüngsten Drohungen gegen Nordkorea, die US-Präsident Donald Trump kürzlich auf einem Luftwaffenstützpunkt ausgestoßen hatte. Auch US-Verteidigungsminister James Mattis hatte gedroht, das Pentagon habe „viele Optionen“, um „ein Land, nämlich Nordkorea, völlig auszulöschen“.

„Nordkorea hat fast 25 Millionen Einwohner,“ betonte Gaisenkersting. „In Südkorea, das unmittelbar durch Gegenschläge betroffen wäre, leben mehr als 50 Millionen Menschen. Und die US-Militärs sprechen von ‚auslöschen‘!“

Die Drohungen richteten sich nicht nur gegen das kleine Land, sondern in erster Linie gegen Russland und gegen China, das die Vereinigten Staaten als Hauptbedrohung für ihre weltweite Vorherrschaft ansehen.

Die europäischen Mächte reagierten ihrerseits mit Militarismus und massiver Aufrüstung. Die herrschende Klasse Deutschlands strebe eine von ihr dominierte „europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik“ an, die sich auch gegen die USA richte.

Gaisenkersting zitierte dazu einen Gastbeitrag von Eckhard Lübkemeier in der Süddeutschen Zeitung. Der 66-jährige war früher deutscher Botschafter und führender Mitarbeiter der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung und arbeitet heute für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Er schrieb: „Europa kann nicht nur zivile Friedensmacht sein, es muss auch Militärmacht sein.“ Dabei gehe es vor allem darum, sich von den USA zu „emanzipieren“. Europa, geführt von Deutschland, müsse die Fähigkeit haben, „militärisch eingreifen zu können – zum Schutz Dritter und der eigenen Interessen“, so wie derzeit in Mali, im Kongo oder in Tschad.

Alle Parteien unterstützten diese Politik des Militarismus, betonte Gaisenkersting. Der wachsenden Kriegsgefahr könne nur eine internationale, sozialistische Anti-Kriegsbewegung, die sich auf die Arbeiterklasse stützt, Einhalt gebieten.

In der anschließenden Diskussion sprach ein Teilnehmer aus eigener Erfahrung über die Rolle der Gewerkschaften. „Es ist positiv, dass ihr euch so eindeutig von den Gewerkschaften und ihrer Politik abgrenzt“, meinte er. Er sei zur Zeit des großen britischen Bergarbeiterstreiks 1984/85 in Großbritannien gewesen, als die Regierung von Margaret Thatcher die Zechen schließen wollte. Damals habe die Gewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) unter Arthur Scargill alles getan, um den Streik zu isolieren und in eine Niederlage zu führen. Die sei der Anfang vom Ende des britischen Kohlebergbaus gewesen.

Auch von der Bergarbeitergewerkschaft in Deutschland, die damals IGBE hieß, konnte er aus eigener Erfahrung über ähnliche Manöver berichten. Mit der nationalistischen Politik, die angeblich der Verteidigung der Arbeitsplätze dienen sollten, wurde in Wirklichkeit die Stilllegung des Bergbaus betrieben.

Auch andere Teilnehmer teilten diese Einschätzung und lobten, dass sich die Politik der SGP deutlich von den Allgemeinplätzen anderer Parteien abhebe.

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