Katalonien-Krise: Rajoy und Trump fordern ein vereintes Spanien

Nach einem Treffen mit Spaniens Premierminister Mariano Rajoy am Montag im Weißen Haus äußerte sich US-Präsident Donald Trump zum Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens, das am 1. Oktober stattfinden soll.

Er erklärte seine Unterstützung für ein vereintes Spanien: „Spanien ist ein großartiges Land und sollte vereint bleiben. Wir haben es hier mit einem wirklich großartigen Land zu tun, und es sollte vereint bleiben.“

Mit Bezug auf die Unterdrückung des geplanten Referendums durch Rajoy sagte Trump: „Ich habe beobachtet, wie sich das entwickelt. Das hat sich eigentlich schon seit Jahrhunderten entwickelt, und ich glaube, dass niemand weiß, ob die Abstimmung stattfindet. Der Präsident [Rajoy] sagt, es gibt kein Referendum. Ich glaube jedoch, dass die Bevölkerung dem sehr ablehnend gegenüberstehen würde.

Ich denke, die Bevölkerung von Katalonien hat darüber schon sehr lange diskutiert. Aber ich wette, wenn es genaue Zahlen gäbe und eine korrekte Umfrage, dann würde dabei herauskommen, dass sie ihr Land liebt, sie liebt Spanien und würde es nicht verlassen. Deshalb bin ich einfach für ein vereintes Spanien.“

Trumps Äußerungen stehen im Einklang mit der bisherigen US-Politik, die darin bestand, Rajoy und seine Regierung der rechten Volkspartei (Partido Popular, PP) wegen ihrer Unnachgiebigkeit hinsichtlich Kataloniens höflich zu kritisieren und gleichzeitig die Einheit Spaniens zu verteidigen, das ein wichtiger Nato-Partner und ein Mitgliedsstaat in der Europäischen Union ist.

Diese Position wird von beiden Parteien in den USA vertreten. Im Juli hatte die New York Times vorgeschlagen, man solle das Referendum stattfinden lassen, und erklärt: „Die beste Lösung wäre, man lässt das Referendum stattfinden und die katalanischen Wähler lehnen die Unabhängigkeit ab – so wie die Wähler in Quebec und Schottland es getan haben.“

Ein Auseinanderbrechen Spaniens hätte enorme geopolitische Folgen.

Die herrschende Elite in den Vereinigten Staaten ist genauso wie die Regierungen in Europa besorgt, dass die Spannungen zwischen Madrid und Barcelona vor dem Hintergrund anhaltender Arbeitslosigkeit, weit verbreiteter Armut und wachsender sozialer Ungleichheit zu einer explosiven Situation führen könnten.

Nach dem Treffen mit Trump erklärte Rajoy: „Die Entscheidung, einseitig die Unabhängigkeit zu erklären, hängt nicht von mir ab. Das ist eine Entscheidung, die nicht vom Parlament Kataloniens getroffen werden kann. Ehrlich gesagt, denke ich, dass das ein Fehler ist.“

Rajoy sagte, es gebe „keine Stimmzettel, keine Menschen in den Wahllokalen, keinen Wahlausschuss“. Dabei verschwieg er die Tatsache, dass seine Regierung der Polizei befohlen hat, diese Vorbereitungen zur Wahl zu verhindern. Er schloss mit der Bitte: „In dieser Situation wäre es sinnvoll, den gesunden Menschenverstand wieder gelten zu lassen und der ganzen Geschichte ein Ende zu setzen. Sie führt nur zu Spaltungen und Spannungen und verbessert in keiner Weise die Lage der Bürger. Deshalb möchte ich, dass dieser Streit so rasch wie möglich gelöst wird. Und ich möchte, dass wir eine neue Etappe beginnen, in der Rechtsstaatlichkeit, Dialog und der gesunde Menschenverstand sich durchsetzen.“

Niemand in der Pressekonferenz des Weißen Hauses stellte Rajoys Version der Ereignisse in Frage. Er vertuschte die massive Unterdrückung in Katalonien, die seit den Tagen der Franco-Diktatur nicht mehr so große Ausmaße angenommen hat. Bei einer ähnlichen Entwicklung in China, Russland, dem Iran oder der Türkei würde bei westlichen Politikern ein Sturm der Entrüstung losbrechen, der täglich die Titelseiten der Zeitungen füllt. Es ist fast unmöglich, überhaupt Äußerungen zu Katalonien von führenden westlichen Politiker zu finden, ausgenommen solche, die betonen, dass dies eine „interne Angelegenheit“ Spaniens sei.

Während Rajoy sich in Washington aufhielt, wies der Oberste Gerichtshof Kataloniens die Regionalpolizei Mossos d’Esquadra an, die Wahllokale abzusperren, „die Wahlurnen, Stimmzettel und Wahlunterlagen sowie das Werbematerial“ zu beschlagnahmen und Wahlbeamten den Zutritt zu den Wahllokalen zu verweigern. Jeder, der versucht, die Polizeiabsperrungen zu missachten, muss mit Verhaftung und Strafverfolgung rechnen. Für den Fall, dass die Mossos d’Esquadra ihren Pflichten nicht nachkommen sollte, wurden Tausende zusätzliche Polizisten und Mitglieder der Guardia Civil aus anderen Regionen geholt, um sie zu ersetzen.

Der Oberste Gerichtshof Kataloniens zieht Anklagen gegen das katalanische Kabinett unter Führung von Präsident Carles Puigdemont von der PDeCAT (Katalanische Europäische Demokratische Partei) wegen Gehorsamsverweigerung und Veruntreuung von Staatsgeldern in Erwägung. Die PDeCAT ist die größere Partei in der regierenden „Gemeinsam für Ja“-Koalition. Bei einer Verurteilung könnten Gefängnisstrafen von bis zu acht Jahren verhängt werden.

Der Oberste Gerichtshof prüft Anklagen wegen Aufruhrs gegen diejenigen, die letzte Woche gegen die Polizeirazzien und Verhaftungen demonstriert hatten. Gegen sie könnten Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren verhängt werden. Auch die Ermittlungen gegen mehr als 700 katalanische Bürgermeister, die das Referendum unterstützen, gehen weiter. Die Medien wurden gewarnt, keine Werbung für die Referendumskampagne zu veröffentlichen. Webseiten wurden gesperrt und die regionale Finanzverwaltung von Madrid übernommen.

Puigdemont hat die Maßnahmen der PP als „totalitäres“ Vorgehen bezeichnet. Am Montag schien er jedoch einen Rückzieher zu machen. Er hatte versprochen, die Unabhängigkeit auszurufen, wenn eine Mehrheit – unabhängig von der Höhe der Wahlbeteiligung – für „Ja“ stimmt. Jetzt sagte er, er werde eine Übergangsperiode für Verhandlungen mit Spanien und der Europäischen Union anstreben.

Puigdemont erklärte: „Natürlich sind wir verpflichtet, das Ergebnis umzusetzen. Wenn es der Wille Kataloniens ist, ein unabhängiges Land zu sein, dann wird Katalonien seine Reise als unabhängiges Land beginnen. Aber vor allem wollen wir, dass dieser Prozess verhandelt wird, dass ihm zugestimmt wird, vor allem von Spanien. Es wird unerlässlich sein, dass der spanische Staat am 2. Oktober bereit ist, sich darauf zu einigen, wie dieser Übergang bewältigt wird.“

Der Fraktionssprecher der PDeCAT, Carles Campuzano, äußerte sich energischer. Er sagte, die Erklärung der Unabhängigkeit sei im Programm der PDeCAT nicht vorgesehen und auch unabhängig vom Ergebnis am 1. Oktober „grundsätzlich ausgeschlossen“.

Diesen Standpunkten widersprach Joan Tardà von der ERC (Republikanische Linke Kataloniens), der in einem Tweet schrieb, „das erste und letzte Wort“ über die Unabhängigkeit haben der Kongress und die Regierung Kataloniens.

Die größte pseudolinke Partei Spaniens, Podemos, schlug am Montag einen anderen Weg aus dieser tiefen politischen Krise vor. Podemos, die der spanischen herrschenden Elite unbedingt ihre Regierungstauglichkeit beweisen will, hat versucht in der Katalonien-Krise zu vermitteln. Die Kongressabgeordnete Noelia Vera von Podemos in Andalusien erklärte, die Partei „unterstütze keine einseitige Unabhängigkeitserklärung“ und fügte hinzu: „Es ist aber auch ein Fehler, Druckereien zu stürmen und Wahlzettel zu beschlagnahmen. Das schüttet nur Öl ins Feuer.“

Podemos-Politiker Pablo Echenique erklärte: „Der erste Schritt zu einem Referendum wie in Quebec oder Schottland ist die Absetzung Rajoys.“

Die CUP (Kandidatur der Volkseinheit), eine besonders nationalistische Partei, die für die Unabhängigkeit eintritt und sich als „links“ ausgibt, hat diese Äußerungen kritisiert. Die CUP hat dafür gesorgt, dass die Koalition „Gemeinsam für Ja“ aus PDeCAT und ERC nach den Regionalwahlen von 2015 an der Macht geblieben ist, obwohl sie die absolute Mehrheit verpasst hatte. Die CUP-Abgeordnete Mireia Boya betonte, der 1. Oktober sei nicht einfach „eine Mobilisierung gegen die PP und auch kein Partizipationsprozess“, sondern ein „Referendum über die Selbstbestimmung, und wenn wir die Zustimmung bekommen, werden wir die Unabhängigkeit erklären. Es gibt keinen anderen Ausweg“.

Die CUP hat die Mossos d’Esquadra dazu aufgerufen, sich den Befehlen zu widersetzen und die Schlösser an den Wahllokalen aufzubrechen. Sie hat für Sonntag zu Massendemonstrationen aufgerufen, die den meisten Beobachtern zufolge tatsächlich stattfinden werden.

Am Dienstag erklärten die Arbeitervertreter der Feuerwehr von Barcelona, die zur Gewerkschaft CC.OO (Comisiones Obreras) gehören, sie seien darauf vorbereitet, „als Sicherheitskordon zu fungieren, um einen friedlichen Ablauf“ der Abstimmung „zu garantieren“. Am Donnerstag marschierten Feuerwehrleute in Uniform unter Missachtung der Befehle durch die Straßen von Barcelona. Die CC.OO hat zusammen mit anderen Gewerkschaften und Studenten Straßenstände errichtet, an denen den Passanten der Ablauf der Abstimmung und die Wahllokale erklärt werden.

Laut der Zeitung El Confidencial wurden in anderen Teilen Spaniens Busse angemietet, um Rechtsextreme von der faschistischen Falange und den Nationaldemokraten zu einer Demonstration am 1. Oktober in Barcelona zu bringen. „Gefährliche“ Elemente des Front National aus dem Süden Frankreichs werden ebenfalls mobilisiert.

Die Weichen für eine scharfe Konfrontation sind gestellt, und damit wächst die Gefahr eines Bürgerkriegs.

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