Perspektive

Verschwörung zur Zensur des Internets

Vertreter der herrschenden Klasse in den USA betreiben eine Verschwörung, um die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Unter dem Deckmantel des Kampfs gegen angeblich von Russland kontrollierte „Trolle“ und „Fake News“ stellen sie grundlegende Rechte in Frage und verletzen damit den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung.

Die treibende politische Kraft in dieser Kampagne ist die Demokratische Partei. Unterstützt wird sie dabei von einem Teil der Republikaner, den Massenmedien und dem Militär- und Geheimdienstapparat.

Die Trump-Regierung droht mit einem Atomkrieg gegen Nordkorea, verschärft den Angriff auf das öffentliche Gesundheitswesen, fordert neue Steuersenkungen für die Reichen, führt einen Krieg gegen Immigranten und höhlt die Rechtsvorschriften für Unternehmen und die Umweltauflagen aus. Aber die Demokratische Partei konzentriert sich nicht etwa auf den Kampf gegen diese reaktionäre Agenda, sondern klagt immer hysterischer Russland an, das angeblich dabei sei, in den USA „Zwietracht zu säen“.

Die Medienberichte über das Thema werden immer haarsträubender. Zuerst wurde behauptet, Russland habe die amerikanische Präsidentschaftswahl durch Werbeanzeigen auf Facebook und Twitter im Wert von 100.000 Dollar beeinflusst. Darauf folgten atemlose Berichte, die Putin-Regierung habe auch andere Kommunikationsformen manipuliert.

CNN präsentierte letzte Woche einen „Exklusivbericht“ über die Organisation „Don't Shoot Us“ und unterstellte ihr ohne jeden Beweis eine Beziehung zu Russland. Laut dem Bericht soll sie versucht haben, auf Instagram, Twitter, YouTube, Tumblr und sogar dem Handy-Spiel Pokémon Go „rassistische Spannungen auszunutzen und Zwietracht zu säen“.

Laut einem weiteren CNN-Bericht vom Montag war eine russische „Trollfabrik“ an der Veröffentlichung von kritischen Kommentaren zu Hillary Clinton beteiligt. Diese Aktion soll ein Teil von „Präsident Wladimir Putins Kampagne zur Beeinflussung der Wahl 2016“ gewesen sein. Nach dieser Logik sollen alle Kommentare in den Nachrichtenmedien und anderen Publikationen, die negativen Inhalt gegen Clinton enthielten, das Werk russischer Agenten oder von Leuten sein, die von diesen benutzt wurden.

Genau wie in der McCarthy-Ära im Kalten Krieg werden die absurden Vorwürfe für bare Münze genommen. Journalisten und Politiker greifen sie kritiklos auf und verbreiten sie weiter, um damit zu zeigen, wie weitreichend die Kanäle des heimtückischen „äußeren Feindes“ wirklich seien.

Ein Ziel dieser Kampagne besteht darin, den außenpolitischen Kurs gegen Russland fortzusetzen und zu verschärfen. Allerdings geht es mehr und mehr hauptsächlich um was Anderes, nämlich den politischen Dissens im Inland zu kriminalisieren.

Die Verschwörung gegen die freie Meinungsäußerung kommt besonders offen in einem Text der Washington Post zum Ausdruck. Dort veröffentlichte die antikommunistische Ideologin Anne Applebaum am 17. Oktober eine Kolumne mit dem Titel: „Wenn Russland falsche ‚Black Lives Matter‘-Accounts erstellen kann, wer wird das als nächstes tun?“

Ihre Antwort lautet: die amerikanische Bevölkerung: „Ich kann mir mehrere Gruppen vorstellen, viele davon stolze Amerikaner, die im Verlauf von Unruhen oder Katastrophen gefälschte Accounts manipulieren würden, um Aufregung oder Angst zu schüren.“ Sie warnt: „Politische Gruppen – egal ob links oder rechts – werden sehr schnell herausfinden“, wie man die sozialen Netzwerke nutzen kann, um „Desinformation“ und „Demoralisierung“ zu verbreiten.

Applebaum attackiert alle, die ihre Identität im Internet verbergen. Sie schreibt: „Heute mehr denn je spricht vieles dafür, in den öffentlichen Foren der sozialen Medien und in den Kommentarbereichen die Anonymität abzuschaffen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt für Menschen, nicht für Computercode-Bits.“ In Wirklichkeit richten sich ihre Angriffe nicht gegen Bots, die „Fake-Accounts“ betreiben, sondern gegen jeden, der aus Angst vor staatlicher Unterdrückung oder vor dem Arbeitgeber seine Meinung anonym äußert. Es ist nur der Anfang einer Kampagne mit dem Ziel, abweichende politische Meinungen mundtot zu machen.

Applebaum unterhält enge Beziehungen zu den höchsten Ebenen des kapitalistischen Staats. Sie gehört bedeutenden außenpolitischen Denkfabriken an und sitzt zum Beispiel im Vorstand der CIA-nahen National Endowment for Democracy. Ihr Ehemann ist der ehemalige polnische Außenminister Sikorski. Nach der russischen Angliederung der Krim forderte sie in der Washington Post den „totalen Krieg“ gegen die Atommacht Russland. Sie ist die Verkörperung von Militarismus, verbunden mit politischer Unterdrückung.

Am Dienstag erschien in der New York Times ein Artikel mit dem Titel, „Kampf der USA gegen Störungen im Internet: China fühlt sich bestätigt“. Er verdeutlicht, worauf Applebaums Argumente hinauslaufen. Der Artikel äußert sich positiv über Chinas aggressive Internetzensur und deutet an, dass in den USA ein ebenso strenges Regime entsteht.

Die Times schreibt: „Die USA und andere Staaten haben Chinas umfassende Zensur jahrelang als Zeichen politischer Schwäche und als Hindernis für Chinas wirtschaftliche Entwicklung betrachtet. Doch angesichts der Diskussionen über mögliche Einschränkungen im Internet und dem Händeringen über Fake News im Westen sehen einige Elemente in China ihre Vision für das Internet eindrucksvoll bestätigt.“

Weiter heißt es, zwar „würde kaum jemand behaupten, Chinas Internetkontrolle sei ein Vorbild für demokratische Gesellschaften … Aber gleichzeitig hat China viele Fragen vorweggenommen, die heute Regierungen von den USA über Deutschland bis nach Indonesien beschäftigen.“

Weder die Times, noch Anne Applebaum, noch all die andern, die ein Durchgreifen in den sozialen Medien fordern, erwähnen auch nur die demokratischen Grundrechte, die freie Meinungsäußerung oder den Ersten Zusatzartikel der Verfassung.

Laut dem Ersten Zusatzartikel darf der Kongress kein Gesetz erlassen, das die Redefreiheit einschränkt. Es ist der wichtigste Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung. Entgegen Applebaums Behauptungen gibt es keinen Vorbehalt, der anonymen Meinungsäußerungen den Schutz durch die Verfassung vorenthält. Es ist eine historische Tatsache, dass die Führer der amerikanischen Revolution und die Autoren der Verfassung ihre Artikel unter Pseudonym geschrieben haben, um der Unterdrückung durch die britischen Behörden zu entgehen.

Die Verfassung gibt weder der Regierung, noch mächtigen Konzernen das Recht, darüber zu entscheiden, was „Fake News“ sind, was eine „Verschwörungstheorie“ ist oder was „zuverlässige“ Informationen sind. Mit den gleichen Argumenten, die sich heute auf soziale Netzwerke beziehen, könnte man auch Bücher und Massenzeitungen unterdrücken, die seit Erfindung der Druckerpresse bestehen.

Der Weg zur Internetzensur in den USA ist bereits weit fortgeschritten. Seit Google Anfang des Jahres bekannt gegeben hat, „alternative Ansichten“ in den Suchergebnissen auf die hinteren Plätze zu verbannen, ist der Traffic führender linker Websites um mehr als 50 Prozent eingebrochen, bei der World Socialist Web Site sogar um 75 Prozent.

Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke haben ähnliche Maßnahmen eingeführt. Die Kampagne gegen Russlands Online-Aktivitäten wird als Rechtfertigung für noch weitergehende Maßnahmen benutzt werden.

Zeitgleich erlauben Universitäten der Polizei, Veranstaltungen auf dem Campus zu kontrollieren. Es wird versucht, die „Netzneutralität“ abzuschaffen, sodass Großkonzerne den Internet-Traffic regulieren können. Die Geheimdienste fordern die Möglichkeit, Verschlüsselungen zu umgehen, nachdem schon bekannt wurde, dass sie rechtswidrig die Telefongespräche und die Internetaktivitäten der gesamten Weltbevölkerung überwachen.

In einem „demokratischen“ Land nach dem anderen übernehmen die Regierungen Herrschaftsformen des Polizeistaats. In Frankreich beispielsweise ist seit fast zwei Jahren der Ausnahmezustand in Kraft und soll dauerhaft beibehalten werden; in Deutschland wurde letzten Monat ein Ableger der linken Website Indymedia abgeschaltet; in Spanien geht die Polizei mit brutaler Gewalt gegen das separatistische Referendum in Katalonien vor, und die Anführer der Separatisten werden verhaftet.

Mit der Zerstörung demokratischer Rechte reagiert die Wirtschafts- und Finanzaristokratie auf die wachsende Unzufriedenheit der Arbeiterklasse mit der beispiellosen sozialen Ungleichheit. Sie ist Bestandteil der Vorbereitungen auf eine deutliche Eskalation der imperialistischen Gewalt auf der ganzen Welt. Die herrschende Elite befürchtet vor allem die Entstehung einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse, und um dies zu verhindern, aktiviert sie den Staat.

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