Perspektive

Gesetz der US-Oligarchie beschert den Reichen neue Steuergeschenke

Am 24. Oktober traf sich Donald Trump hinter verschlossenen Türen mit Republikanischen Senatoren, um mit ihnen die endgültige Fassung der Steuerreform zu erörtern. Sein Projekt zielt darauf ab, den Reichen die größten Steuersenkungen der gesamten US-Geschichte zu verschaffen.

Am heutigen Donnerstag soll das Repräsentantenhaus die Haushaltsresolution des Senats billigen, die letzte Woche eingebracht wurde. Mit diesem parlamentarischen Manöver können die Republikaner die Gesetzesvorlage mit einer einfachen Mehrheit im Senat beschließen, ohne auf Stimmen der Demokraten angewiesen zu sein. Am 1. November wird die Gesetzesvorlage eingebracht werden, um die Verabschiedung zum Jahresende zu sichern.

An der Wall Street herrscht Hochstimmung über die Forcierung der Steuersenkungspläne der Trump-Regierung. Der Dow Jones stieg um 167 Punkte und näherte sich weiter der 24.000-Punkte-Marke. Seit dem Amtsantritt von Trump im November hat der Dow um mehr als 25 Prozent zugelegt. Dank der Billionen schweren Bankenrettung und anderer Geschenke Obamas an die Unternehmen hat er inzwischen das Vierfache seines Niveaus von 2009 erreicht.

Doch mit dem neuen Steuergesetz wird die Plünderung der gesellschaftlichen Ressourcen durch die herrschende Klasse eine nie dagewesene Dimension erreichen.

Es liest sich wie eine Wunschliste der Reichen. Die Körperschaftssteuer sinkt von 35 Prozent auf 20 Prozent, wodurch die Unternehmen bis 2037 6.7 Billionen US-Dollar an zusätzlichen Gewinnen einstreichen. Der Spitzensteuersatz für Einkommen sinkt von 39.6 auf 35 Prozent. Die Alternative Minimum Tax, eine Mindeststeuer, die nur für Reiche gilt, fällt ganz weg, und der Satz, zu dem Geschäftsleute „verrechnetes Einkommen“ versteuern müssen, sinkt auf 25 Prozent.

Auch die Erbschaftssteuer, die für Beträge über 5 Millionen Dollar anfällt, wovon nur 0.02 Prozent der Bevölkerung betroffen sind, wird gestrichen. Die Unternehmensoligarchie verfolgt dieses Ziel seit Langem. Es erlaubt ihr, den gesamten Reichtum, den sie durch Betrug und Spekulation erzielt hat, an ihre Kinder weiterzugeben und damit praktisch eine Dynastie zu begründen.

Wenn alle diese Maßnahmen in Kraft treten, wird das Einkommen des obersten Prozents nach Steuern um 8.5 Prozent steigen. Das Center for Budget and Policy Priorities schätzt, dass die Hälfte der Steuersenkungen dem obersten Prozent der Haushalte zugutekommen wird, dessen Einkommen je 700.000 Dollar im Jahr übersteigt. Innerhalb dieser Gruppe wird das oberste 0.1 Prozent mit 30 Prozent von den Steuersenkungen profitieren.

Die Arbeiterklasse und die untere Mittelklasse, also 90 Prozent der Bevölkerung, werden dagegen von dem Gesetz gar keinen oder nur einen geringen Vorteil haben. Ein Ehepaar mit einem Kind, das weniger als 24.850 Dollar jährlich verdient, erhält keine Steuererleichterung, während eine Familie mit 48.700 Dollar Einkommen gerade einmal 180 Dollar einspart. Das Loch im Staatshaushalt, das durch die Steuersenkungen entsteht, wird von beiden Parteien als Argument für massive Einsparungen bei den Sozialausgaben, unter anderem bei Social Security und Medicare, angeführt werden.

Trump und die Republikaner bewerben die geplanten Steuersenkungen erwartungsgemäß mit schamlosen Lügen. Sie bestreiten, dass die Reichen davon profitieren sollen, und behaupten steif und fest, damit würden „hart arbeitende Amerikaner“ Steuern sparen, sowie Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Demokraten unterstützen drastische Steuersenkungen für die Wirtschaft und leisten gegen die weiteren Geschenke an die Unternehmen lediglich symbolischen Widerstand. Charles Schumer, Führer der Demokratischen Minderheit im Senat, und andere Demokratische Senatoren gaben am 24. Oktober eine Pressekonferenz. Schumer, ein Mann der Wall Street, bezichtigte Trump, über das geplante Gesetz Lügen zu verbreiten, sagte aber kein Wort über die Unternehmenssteuern. Andere Demokraten kritisierten es als haushaltspolitisch verantwortungslos.

Die Republikaner geben wie gewohnt reaktionäre politische Maßnahmen vor, und die Demokraten sorgen dafür, dass sie praktisch unverändert umgesetzt werden. Ihre Hauptfunktion besteht darin, die Arbeiterklasse zu entwaffnen, indem sie ihr vorgaukeln, es finde eine demokratische Debatte statt und es gebe Opposition.

Das geplante Steuergesetz steht am Ende einer jahrzehntelangen sozialen Konterrevolution, die für einen dramatischen Transfer des gesellschaftlichen Reichtums von der Arbeiterklasse zu den Reichen und Superreichen sorgt. Die soziale Ungleichheit hat ein Ausmaß erreicht wie zuletzt in den 1920er Jahren, und in den USA ist es zu einer Herrschaft der Wenigen, einer Oligarchie, gekommen.

Der Sechzehnte Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung, der dem Kongress das Recht gibt, Einkommen zu besteuern, wurde 1913 verabschiedet. Er resultierte aus den Bemühungen einer progressiven Bewegung, die Räuberbarone in die Schranken zu weisen. Zu dieser Zeit wurde auch die Erbschaftssteuer zum Gesetz.

Während der Großen Depression hob die Roosevelt-Regierung im Rahmen ihrer Reformpolitik (New Deal) den Spitzensteuersatz von 25 auf 63 Prozent an, um einer sozialistischen Revolution zuvorzukommen. Während des Zweiten Weltkriegs stieg der Spitzensatz sogar bis auf 94 Prozent. In den darauf folgenden dreißig Jahren fiel er nie unter 70 Prozent.

Nach dem Krieg wurde der Spitzensatz zum ersten Mal von John F. Kennedy gesenkt. Es war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch bevorstand, als die herrschende Klasse unter Ronald Reagan einen Kurs der sozialen Konterrevolution einschlug. Im Jahr 1981 kapitulierten die Demokraten, die im Kongress die Mehrheit hatten, vor Reagan und senkten den Spitzensatz zunächst von 70 auf 50 Prozent und dann auf 28 Prozent. Im Lauf der folgenden Jahre stieg er dann wieder auf den heutigen Stand von 39.6 Prozent.

Im Zuge der ständig fortschreitenden Aufblähung des Aktienmarktes seit den 1980er Jahren wurden auch die Steuern auf Kapitalerträge durch Aktien- und Wertpapierspekulation auf 25 Prozent gesenkt. Steuersenkungen zugunsten der Reichen sind seither ein wichtiges Mittel, um hauptsächlich durch Aktien- und andere Formen der Finanzspekulation den Reichtum der Finanzaristokratie ununterbrochen zu mehren.

Anteil der unterschiedlichen Prozentgruppen am Reichtum, 1989–2016

Die Auswirkungen sind deutlich zu sehen. Seit den 1980er Jahren ist der Anteil des Volkseinkommens, das an das oberste Prozent geht, von 12 Prozent auf 20 Prozent gestiegen, dagegen ist der Anteil der unteren 50 Prozent von 20 auf 12 Prozent gefallen.

Nach der jüngsten Erhebung der US-Notenbank über die Haushaltseinkommen besitzen die obersten 10 Prozent der Amerikaner inzwischen 77 Prozent des gesamten gesellschaftlichen Reichtums. Das oberste Prozent besitzt 38.5 Prozent, das ist eine weitere Steigerung seit 2013.Der Anteil der unteren 90 Prozent ist um mehr als zwei Prozentpunkte auf 22.9 Prozent gesunken.

Die Auswirkungen dieser Verschiebungen bei Reichtum und Einkommen auf das Leben von Millionen von Menschen zeigen sich in vielfältiger Form: sinkende Lebenserwartung, steigende Säuglings- und Müttersterblichkeit, grassierende Drogensucht und eine steigende Selbstmordrate.

Mit dem Anwachsen des Parasitismus geht seit Langem die Zerstörung großer Bereiche der Industrie, die Verwüstung ehemaliger Industriezentren im ganzen Land und die Verarmung breiter Schichten der Arbeiterklasse einher. Mit den jetzt geplanten Steuersenkungen, ausgearbeitet von Finanzminister Steven Mnuchin (Nettovermögen 500 Millionen Dollar), ein ehemaliger Goldman-Sachs-Banker, und Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn (Nettovermögen 610 Millionen Dollar) beginnt die Oligarchie einen beispiellosen Bereicherungsfeldzug. Er wird die Ungleichheit ins Unermessliche steigern und die heutige Situation vergleichsweise komfortabel erscheinen lassen.

Die Bedingungen für soziale Aufstände reifen heran. Wenn die Arbeiterklasse den Kampf aufnimmt, muss sie als erstes eine massive Reform der Steuergesetzgebung fordern, um den Würgegriff der Finanzoligarchie zu brechen und den Reichtum radikal zugunsten der arbeitenden Bevölkerung umzuverteilen. Der Spitzensteuersatz für privates und Unternehmenseinkommen muss auf das Niveau der 1940er und 1950er Jahre angehoben werden, um den Diebstahl an den gesellschaftlichen Ressourcen zu beenden und die sozialen Bedürfnisse der breiten Bevölkerung zu befriedigen.

Das sind einfache demokratische Forderungen. Doch selbst sie können nicht verwirklicht werden, ohne die Quelle der Macht der Wirtschafts- und Finanzelite anzugreifen, nämlich ihre Kontrolle über das Wirtschaftsleben und dadurch über das gesamte politische System. Die Umverteilung des Reichtums zur Arbeiterklasse muss mit einem Kampf für die Arbeitermacht verbunden werden, für die Überführung der großen Konzerne und Banken in öffentliches Eigentum und für die sozialistische Reorganisation des Wirtschaftslebens.

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