Pläne für massive militärische Aufrüstung nach Regierungsbildung

Wenige Tage vor dem offiziellen Beginn der Sondierungsgespräche zwischen den Unionsparteien und der SPD macht ein aktuelles Papier der CSU deutlich, was die wirklichen Fragen sind, um die es bei der Regierungsbildung geht. In einer Beschlussvorlage, die die CSU-Bundestagsabgeordneten Anfang Januar auf ihrer Winterklausur in Kloster Seeon verabschieden wollen, heißt es, für „ein sicheres Deutschland, das seiner europäischen und internationalen Verantwortung gerecht wird“, sei „eine schlagkräftige, moderne Bundeswehr“ nötig.

Die „bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung der Soldatinnen und Soldaten“ wie auch die Modernisierung der deutschen Armee kosteten Geld. Investitionen seien unter anderem „in den Bereichen Digitalisierung, Verlege- und Transportfähigkeit, unbemannte Aufklärung und bewaffnungsfähige Drohnen sowie mobile taktische Kommunikation notwendig“. Die Verteidigungsausgaben müssten deshalb massiv erhöht werden. Die CSU orientiere sich „am Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes“.

Auch wenn der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner die CSU-Forderung nach einem derartigen Anstieg am Freitag zurückwies, haben die Sozialdemokraten längst klar gemacht, dass auch sie die Rückkehr des deutschen Militarismus in einer Neuauflage der Großen Koalition aggressiv vorantreiben würden. „Dass unsere Armee besser ausgestattet werden muss, das ist zwingend der Fall,“ erklärte der SPD-Vorsitzende Martin Schulz vor wenigen Tagen auf einer Pressekonferenz in Berlin.

Anfang Dezember hat der Sozialdemokrat Sigmar Gabriel in einer außenpolitischen Grundsatzrede vor der Körber-Stiftung in Berlin gefordert, dass Deutschland nach sieben Jahrzehnten relativer außenpolitischer Zurückhaltung – gestützt auf eine militarisierte Europäische Union unter deutscher Führung – zu einer eigenständigen Außen- und Militärpolitik zurückkehren müsse. „Nun merken wir, dass es selbst bei großer wirtschaftlicher Prosperität in unserem Land keinen bequemen Platz an der Seitenlinie internationaler Politik mehr für uns gibt. Weder für uns Deutsche noch für uns Europäer“, erklärte er provokativ.

Die aggressiven Forderungen nach Aufrüstung und mehr deutscher und europäischer Führung leiten ein neues Stadium der außenpolitischen Wende ein, die die letzte Bundesregierung vor vier Jahren eingeleitet hat. Damals hatten führende Journalisten, Akademiker, Militärs, Wirtschaftsfunktionäre und Vertreter aller Bundestagsparteiendas SWP-Papier „Neue Macht – Neue Verantwortung” ausgearbeitet, dass die Rückkehr Deutschlands zum Militarismus und zu einer aggressiven Weltmachtpolitik ankündigte.

Bezeichnenderweise hat die regierungsnahe Stiftung Wissenschaft und Politik nun erneut ein Papier vorgelegt, das unter dem Titel „Auflösung oder Ablösung? Die internationale Ordnung im Umbruch“ ganz offen für die Etablierung einer neuen Weltordnung unter deutsch-europäischer Führung eintritt. Als internationale Rivalen werden dabei vor allem China und die USA mit oder ohne Trump betrachtet.

„Weder die USA noch die Volksrepublik China bieten die Gewähr dafür, dass eine aus deutscher und europäischer Sicht unumgängliche multilaterale Welt-Ordnungspolitik betrieben wird“, schreiben die Autoren der Studie. Deutschland müsse „deshalb alles in seiner Macht stehende tun, um Europa als eigenständigen weltpolitischen Machtfaktor im Sinne seiner ordnungspolitischen Konzeptionen zu etablieren“.

Dabei geht es wie zur Zeit der beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert um handfeste imperialistische Interessen. Deutsche Außenpolitik sei „durch die Geschichte des Landes und dessen Mittellage in Europa belastet“ und müsse „diese historischen und geopolitischen Hypotheken ... durch eine robuste europäische Friedensordnung kompensieren“, fordert das Papier. „Wegen seiner Exportorientierung“ hingen „Deutschlands Volkswirtschaft und sein gesamtgesellschaftlicher Wohlstand stark von einer offenen, regelbasierten Weltwirtschaftsordnung ab“.

Aus dem Ausmaß der geplanten Aufrüstung macht auch die SWP kein Geheimnis. Alle „verfügbaren finanziellen Ressourcen in allen Teilbereichen der Außen- und Sicherheitspolitik – Außenpolitik, Verteidigungspolitik, Entwicklungspolitik – [müssen] nicht nur absolut, sondern auch relativ ausgeweitet werden: Der Gesamtanteil der öffentlichen Ausgaben für die Gestaltung der deutschen Außenbeziehungen ist möglichst rasch von derzeit rund 15 wieder auf 20 Prozent des Bundeshaushalts zu erhöhen.“

Um welche gigantischen Summen es geht, unterstreicht der jüngst veröffentlichte Bericht zur Münchner Sicherheitskonferenz 2018. Dort heißt es, dass die 28 Mitgliedsstaaten der EU plus Norwegen ab 2024 114 Milliarden US-Dollar mehr in die Verteidigung stecken müssten, um das angestrebte Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Der größte Teil müsse dabei von Deutschland, Italien und Spanien getragen werden, „da diese Länder über ein großes Bruttoinlandsprodukt, aber im Verhältnis dazu relativ geringe Verteidigungsausgaben verfügen“.

Das gesamte Papier macht deutlich, dass sich die herrschende Klasse in Deutschland und Europa wieder für einen neuen großen Krieg rüstet. Die Kapitel des bislang nur auf Englisch veröffentlichten Dokuments tragen Überschriften wie „Creating the armed forces of the future“, „Consolidate the European industrial base“, „Address the readiness problem“ oder „Prioritize investment in equipment in order to upgrade Europe's armed forces“ – „Aufbau der Streitkräfte der Zukunft“, „Konsolidierung der europäischen Industriebasis“, „Vorrang der Ausrüstungsinvestitionen bei der Modernisierung der europäischen Streitkräfte“.

Maßstab ist die militärische Schlagkraft der USA. Die Streitkräfte der EU-Nato-Staaten verfügten mit 1,38 Millionen Soldaten bereits über etwas mehr Soldaten als die USA. Die Herausforderung sei die Entwicklung ihrer „Fähigkeiten“. Während die USA in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich 26 Prozent ihres Verteidigungsbudgets in neues militärisches Equipment gesteckt hätten, seien es in Europa lediglich 18 Prozent gewesen.

Auch vor dem Ruf nach Atomwaffen schrecken die deutschen Eliten nicht mehr zurück. Im Tagesspiegel greift der Direktor der Berliner Denkfabrik Global Public Policy Institute (GPPi), Thorsten Benner, Gabriels Großmachtrede von rechts an, weil dieser nicht erklärt habe, „wie sich Deutschland ohne den atomaren Schutzschirm der USA positionieren würde“.

„Wenig in Gabriels Äußerungen“ trage „dazu bei, heute eine ehrliche Debatte über die deutsche Position zu Nuklearwaffen zu führen“. Doch der Außenminister müsse „sich eine Antwort auf die deutsche und europäische Nuklearfrage einfallen lassen“, ein Land wie Deutschland könne „unbequemen Fragen nach seiner nuklearpolitischen Positionierung“ nicht „aus dem Wege gehen“. Benner endet mit der Prophezeiung, dass Deutschland 2018 „unweigerlich“ eine „Atomwaffendebatte“ bevorstehen werde. Gabriel müsse dann zeigen, ob es ihm „mit dem ‚politisch-strategischen Denken‘ wirklich ernst ist“.

Die wahnwitzigen Aufrüstungs- und Weltmachtpläne sind eine ernsthafte Warnung und bestätigen die Forderung der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) nach Neuwahlen. Es darf nicht zugelassen werden, dass hinter dem Rücken der Bevölkerung eine extrem rechte und militaristische neue Bundesregierung gebildet wird, die Deutschland und ganz Europa ohne jedes demokratische Mandat hochrüstet und auf Krieg vorbereitet. Die SGP und die World Socialist Web Site werden ihre Arbeit im neuen Jahr intensivieren und rufen all ihre Leser auf, den Aufbau einer sozialistischen Alternative zu Kapitalismus, Militarismus und Krieg aktiv zu unterstützen.

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