Bannons Angriff auf das Weiße Haus heizt die politischen Grabenkämpfe an

In Washington wird mit der bevorstehenden Veröffentlichung eines Buchs eine neue Runde politischer Grabenkämpfe angestoßen. Das Buch des Journalisten Michael Wolff, das angeblich alles aufdeckt, was hinter den Kulissen vor sich geht, basiert im Wesentlichen auf Interviews mit dem ehemaligen Trump-Berater Stephen Bannon.

Mehrere gegen Trump agierende Medien haben vorab Auszüge aus dem Buch Fire and Fury: Inside the Trump White House [Feuer und Wut. In Trumps Weißem Haus] veröffentlicht., das nächste Woche herauskommen soll. Der Guardian hat insbesondere Bannons Bemerkung hervorgehoben, das Treffen zwischen Wahlkampfhelfern und einer russischen Delegation im Juni 2016 im Trump Tower sei sowohl „landesverräterisch“ und „unpatriotisch“ als auch ungeheuer dumm gewesen.

Das Magazin New York hat ein ganzes Kapitel des Buchs veröffentlicht, in dem ausführlich beschrieben wird, wie geschockt Trump, seine Frau und seine engsten Mitarbeiter in der Wahlnacht waren, als die Republikaner so unerwartet gegen die stark favorisierte Demokratin Hillary Clinton gewannen. Trump hatte erwartet, auf jeden Fall zu verlieren, wollte aber von seiner gesteigerten Prominenz profitieren, um einen neuen Fernsehsender auf den Markt zu bringen. Seine engsten Mitarbeiter hatten eigene Unternehmungen geplant und das Fiasko der demokratischen Wahlkampagne nicht vorhergesehen.

Die Reaktion des Weißen Hauses auf die Veröffentlichung von Fire and Fury war vollkommen hysterisch. Trump beschimpfte Bannon persönlich, er habe „seinen Verstand verloren“. Er erklärte, sein ehemaliger Wahlkampfleiter und Berater im Weißen Haus habe sowieso höchst selten Einzelgespräche mit ihm geführt.

Trumps Anwälte haben Bannon und dem Buchverlag, Henry Holt & Co, „Unterlassungserklärungen“ geschickt. In dem Brief an Bannon wird gefordert, er solle es unterlassen, gegen die Vertraulichkeitsvereinbarung zu verstoßen, die er unterschrieben habe, als er im August 2016 Mitarbeiter des Wahlkampfteams von Trump wurde. Die eindeutige Schlussfolgerung aus einer solchen Forderung ist jedoch, dass Bannon in den von Wolff zitierten Aussagen die Wahrheit sagt.

In dem Brief an Holt wird gefordert, dass das Buch – das bereits gedruckt und auf dem Weg in den Buchhandel ist – nicht in den Verkauf gelangt. Als Reaktion darauf hat der Verlag das Datum für den Verkauf vom 9. Januar auf Freitag den 5. Januar vorgezogen. Das Buch steht laut Amazon bereits auf Platz eins der Vorverkaufsliste in den USA, und Trumps öffentliche Angriffe werden ihm eine hohe Auflage garantieren.

Bannon hat auf Trumps gehässigen Angriff versöhnlich reagiert. Während eines Auftritts im Nachrichtenprogramm seines Radiosenders Breitbart lobte er Trumps politische Leistungen und erklärte gegenüber einem Anrufer, er unterstütze den Präsidenten auch weiterhin. Trotz dieser Beteuerungen gibt es keinen Zweifel daran, dass das neue Buch dem Weißen Haus einen harten politischen Schlag versetzt, den Trump möglicherweise nicht überlebt.

Trumps Gegner unter den Demokraten und Republikanern im Senat und in den Leitmedien benutzen das Buch, um der Untersuchung über Russlands Rolle neuen Schub zu verleihen. Hinter dieser Untersuchung stehen vor allem Meinungsverschiedenheiten in der herrschenden Elite der USA über Fragen der Außenpolitik.

Trumps Gegner im Kongress stützen sich auf das Bild des Präsidenten, das Wolff in dem gesamten Buch von ihm zeichnet. Sie wollen damit belegen, dass Trump psychisch untauglich ist und entweder durch ein Amtsenthebungsverfahren oder die Anwendung des 25. Zusatzartikels der Verfassung aus dem Amt entfernt werden kann.

Diese Vorschläge haben allerdings nichts gemein mit der tiefgreifenden Opposition gegen die Politik der Trump-Regierung in der Arbeiterklasse und unter Jugendlichen und Einwanderern. Sie reflektieren vielmehr Befürchtungen von Teilen der herrschenden Elite. Sowohl Demokraten als auch eine wachsende Zahl von Republikanern fürchten, Trumps unberechenbares und provokatives Verhalten könne eine Massenbewegung im Volk auslösen, welche die gesamte bürgerliche Ordnung gefährdet.

Bannons Opposition gegen Trump ist etwas anders gelagert als die anderer Fraktionen der herrschenden Elite. Er steht seit Langem für das Projekt des Aufbaus einer faschistischen Massenbewegung in den Vereinigten Staaten. Über mehrere Jahre hinweg hat er seine Anstrengungen darauf konzentriert, die Republikanische Partei in eine rechtsradikale nationalistische Organisation nach dem Vorbild des französischen Front National oder der Alternative für Deutschland zu verwandeln.

Bannon wurde im Rahmen der Reorganisation des Weißen Hauses unter General a. D. John Kelly aus seinem Amt entfernt. Kelly wurde im Juli zum Stabschef gemacht, um eine größere Kontrolle des Militärs über die krisengeschüttelte Regierung zu etablieren. Seitdem hat Bannon die Führung der Republikaner im Kongress offen angeprangert und eine Reihe von rechtsradikalen Herausforderern amtierender republikanischer Senatoren unterstützt, insbesondere Roy Moore in Alabama, der am 12. Dezember bei einer Nachwahl von dem Demokraten Doug Jones geschlagen wurde.

Um eine rechtsradikale „populistische“ Bewegung zu schaffen, hat Bannon sich für etliche rassistische und fremdenfeindliche Provokationen eingesetzt, wie die Ausschreitungen in Charlottesville und die umfangreichen Abschiebungen. Dazu gehören auch seine demagogischen Ausfälle gegen das „Establishment der Ostküste“ und sogar gegen die Wall Street (obwohl Bannon selbst ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldman Sachs ist und der Hedge-Fonds-Milliardär Robert Mercer der wichtigste Unterstützer seiner Breitbart News).

Trump hat Bannons Strategie abgelehnt und stattdessen auf die umfassende Unterstützung von Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche und sogar auf Steuerkürzungen für die Bundesstaaten gesetzt. Gleichzeitig hat er der arbeitenden Bevölkerung nichts zu bieten und plant, Sozialprogramme wie Medicare, Medicaid und Social Security zu kürzen.

Besonders erwähnenswert ist, dass das Buch von Wolff, dessen Hauptquelle Bannon ist, zu einem Zeitpunkt veröffentlicht wird, wo Trump die Steuerkürzungsgesetzgebung gerade unterzeichnet hat.

Ihr gegenwärtiger Konflikt schließt keineswegs aus, dass Trump und Bannon sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder annähern. Das könnte speziell im Falle eines Ausbruchs von sozialen Kämpfen in den Vereinigten Staaten passieren, wenn das Weiße Haus eine neue Runde populistischer Demagogie für notwendig hält.

Davon abgesehen unterstreicht das Buch von Wolff nicht nur die „Untauglichkeit“ von Donald Trump selbst, sondern die der gesamten Klasse, in deren Interesse er über Amerika herrscht.

Aus den bisher veröffentlichten Ausschnitten gewinnt man das Porträt eines Mannes, der vollkommen unwissend ist und bleiben will. Es interessiert ihn allein, wie er noch mehr Geld scheffen und ein persönliches Leben komfortabler gestalten kann. Mit anderen Worten, er ist mit seiner Persönlichkeit durch und durch repräsentativ für die schlimmsten Auswüchse der amerikanischen Unternehmerelite.

Trump verbringt seinen ganzen Tag mit Telefongesprächen in einem engen Kreis von Kumpanen und mit Kabelfernsehen. Unterbrochen wird das Ganze durch gelegentliche Treffen mit seinen Mitarbeitern und dem Kabinett, in denen Trump zumeist redet und nicht zuhört. In einem besonders bemerkenswerten Absatz schreibt Wolff:

„Hier liegt wohl das Kernproblem von Trumps Präsidentschaft, die jeden Aspekt seiner Politik und seiner Führung prägt: Er verarbeitet Informationen nicht in irgendeinem herkömmlichen Sinn. Er liest nicht. Er hat Texte nicht einmal überflogen. Manche glauben, er sei praktisch ein halber Analphabet. Er vertraut seiner eigenen Fachkenntnis, egal wie armselig oder irrelevant sie sein mag, mehr als der von irgendjemand anderem. Er war oft selbstbewusst, aber genauso oft gelähmt, weniger ein Mann von Wissen als einer von großer und gefährlicher Unsicherheit. Seine instinktive Reaktion bestand darin, um sich zu schlagen und so zu tun, als würde ihm sein Instinkt, egal wie verwirrt er ist, tatsächlich auf klare und eindringliche Weise mitteilen, was er tun solle.“

Trumps Anhänger, speziell bei Fox News, verweisen auf Wolffs Eingeständnis, dass viele der von ihm beschriebenen Episoden auf einander widersprechenden Berichten von rivalisierenden Mitarbeitern des Weißen Hauses basieren und nicht unmittelbar auf seinen eigenen Beobachtungen. Sie erklären nicht, was Trump bewogen hat, das Buch von Wolff zu befürworten, von dem er offenbar erwartet hatte, dass es ein enthusiastisches Porträt der ersten 100 Tage der neuen Regierung sein würde.

Wolff ist der Autor eines schon 2008 erschienenen, auf Tratsch basierenden Buchs über Robert Murdoch. Der Besitzer von Fox News hatte wie Trump wohl in der Erwartung zugestimmt, das Buch über ihn werde eine Lobeshymne auf ihn. Als sich herausstellte, dass das Buch wenig schmeichelhaft war, feuerte er einen seiner führenden Mitarbeiter.

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