CSU-Politiker verkündet „finale Lösung der Flüchtlingsfrage“

Während die SPD und die Unionsparteien hinter verschlossenen Türen Sondierungsgespräche über eine neue Regierung führen, zeigen Äußerungen mehrerer Politiker, welche Angriffe auf demokratische Rechte sie planen. Der Angriff auf Flüchtlinge dient ihnen als Dreh- und Angelpunkt, um die demokratischen Grundrechte der gesamten Arbeiterklasse auszuhöhlen.

Wie offen und schamlos sie dabei an Nazi-Traditionen anknüpfen, zeigt eine Äußerung des CSU-Politikers Manfred Weber. Der Fraktionschef der konservativen EVP im Europaparlament verkündete am 5. Januar auf der Klausurtagung der CSU-Bundestagsfraktion in Seeon: „Im Jahr 2018 ist das zentrale europäische Thema die finale Lösung der Flüchtlingsfrage.“

Die Parallele zum Begriff „Endlösung der Judenfrage“, mit dem die Nazis die Ermordung von Millionen Juden bezeichneten, war derart offensichtlich, dass mehrere Zeitungsartikel darauf hinwiesen.

Um das „Problem“ auf europäischer Ebene zu „lösen“, forderte Weber eine engere Zusammenarbeit mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán, der als Gast an der CSU-Klausurtagung teilnahm. Orbán ist für seinen brutalen Umgang mit Flüchtlingen bekannt, der elementaren Menschenrechten Hohn spricht.

Als Webers Äußerung in sozialen Medien auf massive Kritik und Ablehnung stieß, ruderte er zurück und behauptete, seine Aussage unterliege einer „absichtlichen Missinterpretation“.

Dabei zeugt der Tenor aller Vorhaben, die derzeit in der Flüchtlings- und Asylpolitik diskutiert werden, von einer raschen und unaufhaltsamen Rechtswende der gesamten Politik. Schon in den Jamaika-Sondierungen hatten sich CDU, CSU, FDP und Grüne auf eine deutliche Verschärfung der Asylpolitik geeinigt. Die Vorschläge und Forderungen, die nun im Rahmen einer Fortsetzung der großen Koalition diskutiert werden, gehen aber noch weit darüber hinaus.

Fest eingeplant sind bisher offenbar folgende Maßnahmen:

  • Pro Jahr sollen maximal noch 200.000 Flüchtlinge aufgenommen werden. Thomas Strobl (CDU), Stellvertreter des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), plädierte in der Heilbronner Stimme sogar dafür, den Zuzug von Geflüchteten auf jährlich 65.000 zu begrenzen.
  • Die Maghreb-Staaten (Marokko, Algerien, Tunesien) sollen ein für alle Mal als „sichere Herkunftsländer“ definiert werden. Damit verlieren alle aus diesen Ländern Geflüchteten ihren Status als Geduldete und können sofort abgeschoben werden. Die CDU-CSU fordert sogar Abschiebungen nach Syrien, und alle Parteien organisieren heute schon Abschiebungen nach Afghanistan – in offener Missachtung der UNHCR-Einschätzung der Lage in diesen vom Krieg zerrissenen Ländern.
  • Weiter soll die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus zeitlich unbegrenzt verlängert werden. Die bisherige Aussetzung läuft im März aus.
  • Für alle neu ankommenden Asylbewerber sollen „Entscheidungs- und Rückführungszentren“ eingerichtet werden, in denen die Menschen einer strengen Residenzpflicht unterliegen, bis ihr Fall entschieden ist. Solche Zentren gibt es bereits in Bamberg und Ingolstadt sowie in den Heidelberger Patrick-Henry-Baracks. Die Menschen, die dort leben, erhalten hauptsächlich Sachleistungen sowie ein „Sozialgeld“ von 120 Euro (Erwachsene) und 67 Euro (Kinder) im Monat.
  • CSU-Fraktionschef Alexander Dobrindt fordert zudem, Asylbewerbern drei Jahre lang statt dem Grundbedarf nur den geringsten Sozialhilfesatz zu gewähren. Bisher gilt diese Einschränkung für Asylbewerber in den ersten 15 Monaten. Laut dem CSU-Mann soll diese Frist auf 36 Monate verlängert werden. Abgelehnte und Geduldete sollen überhaupt nur noch Sachleistungen erhalten.

Diese letzte Forderung widerspricht klar einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte vor zwei Jahren entschieden, dass die im Vergleich zur Sozialhilfe um 30 Prozent niedrigeren Bezüge für Geflüchtete verfassungswidrig seien.

Begleitet werden die Vorschläge von einer üblen Medienkampagne. Dazu diente in der ersten Januarwoche eine Studie des niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer, die das Familienministerium in Auftrag gegeben hatte. Sie belegt angeblich „den Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und Kriminalität“, weil sie zwischen 2014 und 2016 einen Anstieg von Gewalttaten um 10,4 Prozent feststellt. Dieser Anstieg geht laut der Studie zu 92 Prozent auf das Konto von Flüchtlingen.

Die Studie wurde landauf-landab durch die Medien geschleift, um zu beweisen, dass junge männliche Geflüchtete stärker zu Straftaten neigten und deshalb vermehrt abgeschoben werden müssten. In Wirklichkeit lässt die Studie aber auch eine ganz andere Deutung zu: Gerade die Verwahrlosung und Perspektivlosigkeit von Jugendlichen, die „ohne Bleibeperspektive“ in überfüllte Lager gesteckt werden, wo sie auf ihre Abschiebung warten müssen, treibt sie in Verzweiflung und manchmal auch in Kriminalität. Die Ursachen sind also nicht ethnisch, sondern sozial.

Alle Parteien von rechts bis links verfolgen inzwischen einen stramm ausländerfeindlichen Kurs, er weitgehend der Linie der AfD entspricht. Das zeigen die Aussagen führender Politiker.

Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine erklärten vor kurzem in der Zeitung Die Welt, warum sie den Entwurf ihrer Partei für ein Einwanderungsgesetz nicht unterstützen. Jede Forderung nach „offenen Grenzen für alle Menschen“, so die Linken-Fraktionschefin Wagenknecht, sei höchstens eine „Zukunftsvision“, aber „keine Forderung für die heutige Welt“. „Bleiberecht und 1050 Euro für alle, die zu uns kommen, sind wirklichkeitsfremd“, ergänzte Lafontaine, der früher Vorsitzender der Linken war.

Besonders die SPD tut sich als Vollstreckerin der reaktionären Asylgesetzgebung hervor. So hat der frühere NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Dezember 2016 einen Erlass auf den Weg gebracht, demzufolge alle Asylbewerber oder geduldeten Flüchtlinge, die zu einem Zeitpunkt nicht auffindbar sind, konsequent zur Fahndung ausgeschrieben und bei Feststellung sofort inhaftiert werden.

In der bisherigen Großen Koalition hat die SPD im März 2016 das Asylpaket II mit auf den Weg gebracht, das der Zerstörung demokratischer Grundrechte in der Flüchtlingspolitik Tür und Tor geöffnet hat. Heute brüsten sich SPD-Minister oft einer besonderen Effizienz beim Abschieben. So verkündete der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) Ende November 2017, seit Anfang des Jahres seien 1500 Menschen aus Berlin abgeschoben worden.

Was die FDP betrifft, so orientiert sie sich in der Flüchtlingspolitik immer offener an ihrer früheren österreichischen Schwesterpartei FPÖ, die inzwischen eine offen rechtsextreme Politik verfolgt. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner spricht sich mittlerweile für die Abschiebung von Minderjährigen aus. Er schränkt zwar scheinheilig ein, dies gelte nur für „minderjährige kriminelle Asylbewerber“, deren Familien bekannt seien. Doch das Prinzip, dass Minderjährige vor Abschiebung geschützt werden, weicht er damit auf.

Nicht nur die Rhetorik von Politikern, die über die „finale Lösung der Flüchtlingsfrage“ reden und die „Bündelung“ (die Nazis sagten „Kozentration“) von Asylbewerbern in abgeschlossenen „Rückführungszentren“ fordern, erinnert fatal an das Dritte Reich, sondern auch der reaktionäre, bürokratische Geist, mit dem staatliche Behörden gegen Flüchtlinge vorgehen. So, wenn ganze Familien bei Nacht und Nebel aus ihren Betten gerissen und deportiert werden, obwohl damit ihre Zukunft und ihr Leben zerstört werden.

Von Januar bis November 2017 wurden offiziell 22.190 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Das entspricht etwa der Zahl des Vorjahres, als in zwölf Monaten 25.000 Menschen abgeschoben wurden.

Stark angestiegen ist seit dem Vorjahr die Zahl der Immigranten, die in die Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien abgeschoben wurden. Dies gilt besonders für Nordrhein-Westfalen. Dort hat die neue CDU-FDP-Regierung mit Joachim Stamp (FDP) eigens einen „Flüchtlingsminister“ geschaffen. Dieser brüstet sich: „Bei den Abschiebungen sind uns erste bemerkenswerte Erfolge gelungen.“ Das Land NRW habe letztes Jahr über 6000 Geflüchtete und damit fast 1000 mehr als 2016 abgeschoben. Hinzu kämen fast 11.000 sogenannte „freiwillige Ausreisende“.

Sehr oft werden Menschen abgeschoben, die aus dem Balkan stammen. Ganze Familien, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, werden derart plötzlich deportiert, dass sie sich nicht verabschieden und kaum etwas einpacken können. Das ist besonders oft in Thüringen der Fall, wo die Linke regiert. Bis November gab es in Thüringen nach Angaben des Migrationsministeriums 600 Abschiebungen; im gleichen Zeitraum verließen 582 Geflüchtete im Zuge einer sogenannten „freiwilligen“ Ausreise das kleine Bundesland.

Die meisten Abschiebungen aus Thüringen führten in Staaten des Westbalkans, vor allem nach Bosnien, Albanien, den Kosovo und Mazedonien. Vor kurzem machte der Flüchtlingsrat Thüringen auf die Abschiebung der Familie Rustemi aufmerksam: Obwohl der junge Vater in Ausbildung war und Deutsch lernte, wurde die Familie mit zwei kleinen Kindern nach Kosovo abgeschoben.

Über einen weiteren brutalen Abschiebungsfall berichtete kurz vor Weihnachten die Initiative Liste Münsterland aus NRW. Demnach wurde Familie B. am 13. Dezember um 5 Uhr früh geweckt und mit vier minderjährigen Kindern vom Flughafen Düsseldorf nach Pristina abgeschoben. Nur der älteste Sohn (17), der nicht zuhause war, blieb von der Abschiebung verschont. Dabei hätte im Januar ein Erörterungstermin vor dem Petitionsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags über den Verbleib der Familie stattfinden sollen.

Schon die Eltern waren in Deutschland aufgewachsen, hatten aber kein Bleiberecht erhalten und um die Jahrtausendwende nach Kosovo ausreisen müssen, wo sie die Pogrome gegen Roma hautnah miterlebten. Sie kehrten nach Deutschland zurück und landeten nach einer jahrelangen Odyssee im Münsterland, wo ihre fünf Kinder die Schule besuchten. (Die Kinder sprechen heute nur Deutsch und etwas Romanes, aber kein Albanisch.) Da Kosovo als „sicheres Herkunftsland“ gilt, wurden die übrigen sechs Familienmitglieder in einem Roma-Viertel der Stadt Gjakova ausgesetzt, wo es weder Unterkunft noch Arbeit oder Sozialleistungen für sie gibt.

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