Perspektive

Freiheit für Julian Assange!

Die Bedingungen, unter denen der WikiLeaks-Gründer Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London leben muss, bezeichnet die Regierung von Ecuador als „unhaltbar“ und „unzumutbar“. Sie ruft zur Vermittlung durch Dritte auf, damit diese Inhaftierung ohne Anklage ein Ende findet.

Assange ist seit fünfeinhalb Jahren, exakt seit 2.593 Tagen, gefangen in der Botschaft. Er muss in einem kleinen Raum ohne Sonnenlicht und frische Luft leben, ist von seiner Familie und seinen Freunden getrennt und kann seine Kinder nicht aufwachsen sehen. Berichten zufolge hat seine Gesundheit dadurch Schaden genommen; er soll an Herzproblemen und chronischer Lungenentzündung leiden. Die ecuadorianische Außenministerin Maria Fernanda Espinosa erklärte vor der Presse in Quito, Assanges „körperliche und psychische Unversehrtheit sind gefährdet“.

Am Mittwoch berichtete eine ecuadorianische Tageszeitung, Quito habe Assange einen Reisepass und einen Ausweis ausgestellt. Die Nachricht löste Spekulationen aus, das Land würde ihm die Staatsbürgerschaft und den Diplomatenstatus anbieten, sodass er Großbritannien verlassen kann. Allerdings ist lange nicht sicher, dass die britischen Behörden solche juristischen Finessen hinnehmen. Solange ihm die ecuadorianische Regierung kein sicheres Geleit garantieren kann, sind all diese Maßnahmen zur Beendigung seiner faktischen Gefangenschaft bedeutungslos.

Die Absicht der ecuadorianischen Regierung ist zudem nicht gänzlich klar. Der ecuadorianische Präsident Lenín Moreno hat sich zwar letzten Mai in der Wahl gegen einen rechten Kandidaten durchgesetzt, der offen Assanges Ausweisung aus der Botschaft gefordert hatte, doch die neue Regierung strebt gleichzeitig eine Annäherung an das Großkapital, die politische Rechte und Washington an. Moreno hat öffentlich gefordert, Assange solle sich nicht einmischen in die Politik von „Staaten, die unsere Freunde sind“.

Im Jahr 2016 erklärten die Vereinten Nationen, Assange sei ein Opfer völkerrechtswidriger „willkürlicher Inhaftierung“. Das einzige Verbrechen, das ihm vorgeworfen wird, ist ein Verstoß gegen seine Bewährungsauflagen in Großbritannien. Dies geschah im Juni 2012, als er in der ecuadorianischen Botschaft in London politisches Asyl beantragte, um der Verschwörung vonseiten der amerikanischen, britischen und schwedischen Regierung zu entgehen. Assange sollte damals wegen konstruierter Vergewaltigungsvorwürfe nach Schweden ausgeliefert werden und befürchtete zu Recht, dass ihm von dort die Auslieferung in die USA drohte. In den Vereinigten Staaten hätte ihn ein Prozess wegen Spionage und Landesverrat erwartet, und damit potenziell die Todesstrafe.

Letztes Jahr stellten die schwedischen Behörden ihr fingiertes Ermittlungsverfahren ein. Dies bestätigt nur, dass es nie etwas zu ermitteln gab. Es handelte sich nur um eine Operation der „schmutziger Tricks“ mit dem Ziel, WikiLeaks zu diskreditieren und zu lähmen und Assange hinter Gitter zu bringen oder ihm noch Schlimmeres anzutun.

Dennoch läuft die Verjährungsfrist für die Vorwürfe gegen Assange in Schweden erst 2020 ab und die Staatsanwaltschaft hat bereits deutlich gemacht, dass sie die Vendetta gegen Assange jederzeit wieder aufnimmt, wenn Washington zum Hörer greift.

Die konservative britische Regierung von Premierministerin Theresa May hat derweil deutlich gemacht, dass sie kein Interesse an einer Vermittlung hat und entschlossen ist, Assange wegen seinem Verstoß gegen die Bewährungsauflagen weiter zu verfolgen. Sollte er auch nur einen Fuß vor die Mauern der Botschaft setzen, würde er sofort von der Metropolitan Police verhaftet und abgeführt.

Ein britischer Regierungsvertreter erklärte: „Die Regierung von Ecuador weiß, dass dieses Problem nur gelöst werden kann, indem Assange die Botschaft verlässt und sich der Justiz stellt.“ Und sich in ein britisches Gefängnis und weiter in ein US-Gefängnis begibt, wäre zu ergänzen.

Die geheime Grand Jury, die in den USA gegen Assange und WikiLeaks ermittelt, wurde unter der Obama-Regierung eingesetzt und auch unter Trump noch nicht aufgelöst.

Trump hatte im Wahlkampf seine „Liebe“ zu WikiLeaks erklärt, nachdem die Plattform interne E-Mails aus dem Nationalkomitee der Demokraten veröffentlicht und dessen korrupte Versuche enthüllt hatte, den innerparteilichen Nominierungsprozess zu manipulieren und Hillary Clintons Sieg zu sichern. Dennoch haben Vertreter der Regierung deutlich gemacht, dass Assange weiterhin Washingtons „Staatsfeind Nummer Eins“ ist.

CIA-Direktor Mike Pompeo bezeichnete WikiLeaks als einen „nichtstaatlichen feindlichen Geheimdienst“ und kündigte an, seine Behörde arbeite daran, „diese Bedrohung für die Vereinigten Staaten zu beseitigen.“

US-Justizminister Jeff Sessions hatte im letzten April erklärt, Assanges Verhaftung habe weiterhin „Priorität“ und fügte hinzu: „Wenn eine Anklage möglich ist, werden wir versuchen, einige Leute ins Gefängnis zu bringen.“

Und letzten Montag erklärte der ehemalige FBI-Direktor James Comey vor dem Senat, WikiLeaks stände „im Fokus unserer aufmerksamen Beobachtung“. Gleichzeitig verweigerte er eine Antwort auf die Frage, warum Assange noch nicht formal eines Verbrechens angeklagt wurde: „Ich will zu diesem besonderen Fall keinen Kommentar abgeben, weil ich nicht bestätigen will, ob eine Klage ansteht. Er wurde noch nicht verhaftet, weil er sich in der ecuadorianischen Botschaft in London befindet.“

Die neuerlichen Forderungen nach Assanges Kopf kommen, nachdem WikiLeaks umfangreiches Material veröffentlicht hat, in dem eine ganze Reihe von geheimen Hackingtools der CIA beschrieben werden.

Das herrschende Establishment der USA, sein Militär- und Geheimdienstapparat und die beiden Parteien des Großkapitals verzeihen Assange und WikiLeaks nicht, dass sie die kriminellen Aktivitäten enthüllt haben, durch die im Irak, Afghanistan und weltweit Millionen Menschen getötet oder verwundet wurden. Diese Enthüllungen begannen mit der Veröffentlichung des Videos „Collateral Murder“, in dem man aus dem Visier eines Apache-Helikopters das Massaker an zwölf irakischen Zivilisten im Jahr 2007 sieht. Fortgesetzt wurden sie mit dem „Afghan war diary“ und den „Iraq war logs“, die mehrere Kriegsverbrechen des US-Militärs enthüllten, und der Veröffentlichung von über 250.000 geheimen diplomatischen Telegrammen, die Washingtons konterrevolutionäre Verschwörungen auf der ganzen Welt zeigten.

Nicht nur Assange wurde gejagt, sondern auch Chelsea Manning. Sie wurde zu nicht weniger als 35 Jahren Haft verurteilt, weil sie „dem Feind geholfen“ haben soll, indem sie WikiLeaks Dokumente übergab. Manning wurde zwar mittlerweile von Obama begnadigt, aber zuvor noch in Militärhaft gehalten, deren Bedingungen Folter gleichkamen.

Der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden, der die massiven Überwachungs- und Datensammlungen von Menschen in den USA und auf der ganzen Welt enthüllt hat, wurde derweil zu einem Staatenlosen und lebt im erzwungenen Exil in Moskau.

Assanges Anwälte bekräftigten diese Woche, London solle das Urteil der UN berücksichtigen, laut dem er rechtswidrig und willkürlich inhaftiert ist. Die Anwälte fordern seine Freilassung und Entschädigung. In der Erklärung hieß es: „Großbritannien sollte sich nicht von den öffentlichen Drohungen der Trump-Regierung einschüchtern lassen, Assange zu '‘Fall zu bringen'.“

Die Einschüchterungsversuche kommen jedoch nicht nur von Trump und dem rechten Flügel der Republikaner. Eine ganze Schar von linksliberalen und pseudolinken Organisationen haben die staatliche Vendetta gegen Assange politisch gedeckt und versuchen, die falschen Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen ihn zu legitimieren und ihn gleichzeitig mit der russischen „Einflussnahme“ auf die Wahl 2016 in Verbindung zu bringen. Diese beiden Fragen – sexueller Missbrauch und russischer Einflussnahme“ - haben der so genannten „Linken“ in den USA viel Aufsehen erregt und dazu geführt, dass eine ganze Schicht von begüterten Ex-Radikalen, deren Ansichten und Interessen sich in Publikationen wie der Nation, dem Socialist Worker und der International Viewpoint äußern, ihren Kurswechsel beendet haben und nunmehr offen den Imperialismus und die soziale und politische Reaktion unterstützen.

Die internationale Arbeiterklasse muss ein Ende der Verfolgung von Julian Assange fordern. Der unerbittliche Angriff auf Assange und WikiLeaks diente der herrschenden Elite und den kapitalistischen Regierungen der ganzen Welt von Beginn an dazu, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken und eine strenge Kontrolle und Zensur über das Internet aufzubauen.

Loading