Syrien:

Einigung bei Friedensgesprächen unter russischer Führung – USA verschärfen Konflikt

Bei den von Russland protegierten Friedensgesprächen über den Konflikt in Syrien, die diese Woche in Sotschi am Schwarzen Meer stattfanden, einigten sich die Teilnehmer auf ein Abkommen, das eine neue Verfassung für das vom Krieg verwüstete Land festlegen soll.

Einen Tag nach den Gesprächen, die von den Vereinigten Staaten, Frankreich und Großbritannien boykottiert wurden, stellte die Trump-Regierung aufs Neue die unbewiesene Behauptung auf, dass die Assad-Regierung chemische Waffen entwickle. Dadurch ergibt sich erneut die Gefahr eines militärischen Angriffs der USA.

Das Abkommen gibt Russland, der Türkei und dem Iran – den drei Ländern, die die Verhandlungen von Sotschi unterstützen – einen entscheidenden Einfluss bei der Gestaltung des Verfassungsausschusses. Jedes der drei Länder wird eine Liste von 50 Kandidaten vorlegen, aus denen die Ausschussmitglieder ausgewählt werden. Auch das High Negotiating Committee (HNC), die von der UNO anerkannte Oppositionsgruppe, wird vertreten sein.

Die Vertreter des HNC weigerten sich, an der Konferenz teilzunehmen. Sie behaupteten, man schließe sie von dem Prozess aus. Sie blieben aus Protest am Flughafen, nachdem sie erfahren hatten, dass die gegenwärtige syrische Flagge und andere Symbole des Assad-Regimes benutzt wurden, um das Treffen anzukündigen. Sogar während des Treffens gab es Unstimmigkeiten. Der russische Außenminister Sergei Lawrow wurde während seiner Rede von Zwischenrufen unterbrochen.

Bei den Gesprächen war auch der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, anwesend. Das bestätigte die geschwächte Position der USA und seiner westlichen Verbündeten in Syrien. Das Assad-Regime stützt sich für seinen Machterhalt auf die Unterstützung Russlands und des Irans. Wenn die nächste Runde der UN-Verhandlungen in Genf den Vorschlag akzeptieren sollte, eine neue Verfassung auszuhandeln, wird das als Sieg Moskaus zulasten Washingtons interpretiert werden, da das weitere Schicksal des Assad-Regimes auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird.

Was auch immer das Ergebnis zukünftiger Gespräche sein mag, es wird nichts zur Lösung der rapide zunehmenden Rivalitäten zwischen den imperialistischen Großmächten beitragen, die mit dem syrischen Konflikt verflochten sind und sich über den ganzen Nahen Ostens erstrecken. Die USA haben 2011 unter Obama den syrischen Bürgerkrieg mit dem Ziel angezettelt, einen Regimewechsel in Damaskus herbeizuführen. Dieser Bürgerkrieg hat über eine halbe Million Menschenleben gekostet. All das war Teil einer längerfristigen Strategie, die vor mehr als einem Vierteljahrhundert mit dem ersten Golfkrieg begann und mit der die USA ihre unangefochtene Vorherrschaft über den energiereichen und strategisch wichtigen Nahen Osten gegen seine wichtigsten Konkurrenten Russland und China festigen wollten. Die von den USA angezettelten Kriege haben das Leben von Millionen Menschen gekostet und weitere Millionen aus ihrer Heimat vertrieben.

Die Trump-Regierung hat mit der im letzten Monat verkündeten Nationalen Verteidigungsstrategie das wahre Gesicht der syrischen Intervention enthüllt. Sie erklärte offen, dass die Hauptbedrohung für die imperialistischen Interessen der USA nicht der verlogene „Krieg gegen den Terror“ sei, sondern die wachsende Gefahr von Konflikten zwischen den Großmächten. Der Krieg gegen den Terror wurde seit dem 11. September 2001 benutzt, um eine Reihe von verbrecherischen Kriegen zu rechtfertigen.

Washington hat es offensichtlich nicht geschafft, seine Ziele in Syrien und im gesamten Nahen Osten zu erreichen. Nicht nur dass Russland entschlossen ist, den Zusammenbruch seines wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten zu verhindern und seine Präsenz in Syrien ausgeweitet hat. Auch der Iran hat seinen regionalen Einfluss gestärkt und ist nicht mehr weit davon entfernt, eine Landbrücke zwischen Teheran und dem Libanon zu etablieren. Darüber hinaus haben sich die Gegensätze zwischen den USA und seinen früheren europäischen Verbündeten zugespitzt. Die europäischen Länder treiben unter Führung Deutschlands im Nahen Osten immer offener ihre eigenen imperialistischen Bestrebungen unabhängig von den USA voran.

Auch zwischen den USA und ihrem vermeintlichen Nato-Partner Türkei ist es zum Bruch gekommen. Während die Verhandlungen in Sotschi begannen, gingen überall in der kurdischen Enklave Afrin in Nordsyrien nahe der türkischen Grenze die Kämpfe weiter. Letzten Monat hatte Präsident Recep Tayyip Erdoğan türkische Streitkräfte nach Syrien beordert, um kurdische Einheiten, die mit der Partei der Demokratischen Union (PYD) verbündet sind, aus Afrin und den Grenzgebieten zu vertreiben. Die Türkei betrachtet die Kämpfer der PYD als syrische Sektion der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), gegen die Ankara seit mehr als drei Jahrzehnten einen blutigen Krieg führt.

Die Kämpfe bringen die türkischen Streitkräfte und ihre Verbündeten der Freien Syrischen Armee in wachsendem Maße in Konflikt mit den kurdischen Kämpfern, die von den US-Truppen ausgebildet und ausgerüstet wurden. Obwohl Washington versucht, einen direkten Zusammenstoß zwischen den Nato-Verbündeten zu vermeiden, indem es zynischerweise erklärt, die kurdischen Kämpfer in Afrin seien keine Verbündeten der USA, hat es die Türkei dennoch davor gewarnt, kurdische Streitkräfte in der Stadt Manbij im Osten anzugreifen, wo US-Spezialeinheiten stationiert sind. Erdoğan hat wiederholt erklärt, dass er beabsichtigt, türkische Soldaten nach Manbij zu schicken und zwar im Rahmen eines Vorstoßes, die Grenzregion von PYD-Kämpfern zu räumen und die Errichtung einer kurdisch kontrollierten Zone vor der türkischen Haustür zu verhindern.

Assads Streitkräfte haben obendrein islamistische Kämpfer in der Provinz Idlib angegriffen. Dabei kamen in den letzten Wochen schätzungsweise 200 Zivilisten ums Leben.

Selbst die New York Times gibt in einem Leitartikel vom 31. Januar zu, dass diese extrem explosiven Bedingungen einen umfassenderen regionalen Krieg auslösen könnten. Gleichzeitig diskutiert die herrschende Elite der USA, wie sie den Konflikt weiter eskalieren kann, um zu verhindern, dass Washington zur Seite gedrängt wird. Letzten Monat gab Außenminister Rex Tillerson Äußerungen von sich, in denen er die Absicht der USA verkündete, dauerhaft Soldaten in Syrien zu stationieren.

Tillerson schob den verlogenen Vorwand für die US-Präsenz in Syrien beiseite – nämlich den IS zu bekämpfen – und verurteilte den Iran und Russland, weil sie ihren Einfluss in dem Land ausweiten. Er kündigte außerdem an, dass die USA sich auf islamistische Stellvertretertruppen stützen würden, darunter auch Überbleibsel des IS im Osten des Landes, um die iranische Expansion zu stoppen.

Namentlich nicht genannte Vertreter der Trump-Regierung haben am Dienstag unbestätigte Behauptungen an die Medien weitergegeben, das Assad-Regime entwickle ein neues Arsenal an chemischen Waffen. Das kommt einer bewussten Provokation gleich und ist ein Versuch, die von Russland unterstützten Verhandlungen scheitern zu lassen. Sie beschuldigten Syrien außerdem, neue Waffen zu produzieren, um internationale Bestimmungen zu umgehen.

Beschuldigungen wegen der Produktion chemischer Waffen und deren Einsatzes wurden von Washington stets benutzt, um kriegerische Spannungen anzuheizen und militärisch einzugreifen. Im letzten April hat Trump die Berichte über einen angeblichen Angriff des Regimes mit chemischen Waffen benutzt, um 55 Marschflugkörper auf einen Militärstützpunkt abzufeuern. Dieser Vorfall ist bis heute nicht aufgeklärt.

Dass ein ähnlicher oder sogar noch tödlicherer Angriff vorbereitet wird, kam in den Äußerungen eines Regierungsvertreters zum Ausdruck, der erklärte: „Das wird sich ausweiten, wenn wir nichts unternehmen.“

Darüber hinaus sind die jüngsten Anschuldigungen gerade in dem Moment aufgetaucht, als bedeutende Teile der herrschenden US-Elite die Trump-Regierung unter Druck setzen, im Syrien-Konflikt und im übrigen Nahen Osten einen aggressiveren Kurs einzuschlagen.

Der Leitartikel der Times vom 31. Januar griff die Syrien-Politik der Trump-Regierung an und verkündete im arroganten Ton imperialistischer Eroberer, die USA „drücken sich vor der Verantwortung für Syriens politische Zukunft“. Die Times folgerte: „Während die Türken und die Kurden gegeneinander kämpfen, forciert Mr. Assad seine Anstrengungen, um die Kontrolle über Syrien zurückzugewinnen, während Russland und der Iran lavieren, um eine dauerhafte Präsenz und Einfluss im Land sicherzustellen.“

Mit anderen Worten, wenn die USA sich weiterhin „vor ihrer Verantwortung drücken“ – also es nicht schaffen, eine militärische Streitmacht bereitzustellen, die groß genug ist, um Washingtons neokoloniale Vorherrschaft über die Region sicherzustellen, und falls notwendig, einen Krieg mit Russland und dem Iran zu beginnen –, werden andere Mächte das im Nahen Osten entstehende Machtvakuum nutzen, um den amerikanischen Imperialismus zurückzudrängen.

Ein Artikel im Magazin Politico von Charles Lister und William Wechsler, beide hochrangige Mitarbeiter in der in Washington ansässigen Denkfabrik Middle East Institute, bringt ganz ähnliche Argumente. Die Autoren erklären völlig unverblümt, das wirkliche Problem sei nicht so sehr Syrien, sondern die Kontrolle über die gesamte Region und die Ausschaltung möglicher Rivalen.

Lister und Wechsler loben Trump und Tillerson zwar für die permanente Stationierung amerikanischen Militärs in Syrien, sie warnen jedoch: „Wie bei Obama, der 2011 erklärte, dass Assad gehen müsse, aber dennoch ständig Forderungen nach einem energischeren Vorgehen zurückgewiesen hat, gibt es keine Anzeichen, dass Trumps Team eine Strategie entwickelt hat oder damit anfängt sie umzusetzen, mit der ihre weitgesteckten Ziele erreicht werden können. Genauso wenig ist ersichtlich, dass es plant, die notwendigen Mittel einzusetzen, um diese Ziele zu verwirklichen.“

Lister und Wechsler fordern die umfassende Mobilisierung der US-Kriegsmaschinerie für einen Konflikt, der nicht nur den leidgeprüften Nahen Osten in einem neuen Flächenbrand verschlingen würde, sondern auch sehr bald Washingtons imperialistische und regionale Rivalen in einen katastrophalen Krieg hineinziehen würde, der die beiden Weltkriege des letzten Jahrhunderts noch weit in den Schatten stellt.

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