Perspektive

Südkorea: Winterspiele im Schatten der Kriegsgefahr

Letzten Freitag begannen die Olympischen Winterspiele in Südkorea unter dem offiziellen Motto „Frieden“. Bei der Eröffnungsfeier wurde aus Kerzen eine weiße Taube gebildet und John Lennons Song „Imagine“ gespielt. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees Thomas Bach bezeichnete die Veranstaltung als „eine kraftvolle Botschaft des Friedens in die Welt“.

Bach behauptete allen Ernstes, von den Olympischen Spielen 2016 sei eine „Botschaft der Hoffnung“ für Flüchtlinge ausgegangen. Dabei ertranken in jenem Jahr mehr als 5.000 Flüchtlinge im Mittelmeer, Tausende sind seither noch dazugekommen.

Die diesjährigen Plattitüden sind keinen Deut besser. In Wirklichkeit fand seit den Spielen in Hitlerdeutschland 1936 keine Olympiade unter dem Eindruck einer so unmittelbaren Kriegsgefahr statt. Sie wird überschattet von der realen Möglichkeit, dass die USA sofort im Anschluss einen Schlag („Blutige Nase“) gegen Einrichtungen des nordkoreanischen Militärs durchführen. Die Folge könnte ein nuklearer Konflikt mit Hunderttausenden oder sogar Dutzenden Millionen Todesopfern auf der koreanischen Halbinsel sein.

Die Trump-Regierung hat deutlich gemacht, dass sie nicht von ihrer Position abrücken wird: Pjöngjang muss sich bedingungslos den Forderungen der USA unterwerfen und sein Atomwaffenprogramm einstellen, andernfalls drohen ihm Militärschläge. Die Entscheidung von Nord- und Südkorea, mit einem gemeinsamen Olympiateam anzutreten, ließ Millionen Menschen in der Region auf ein Nachlassen der Spannungen hoffen. Doch die Trump-Regierung reagierte mit unverhohlener Ablehnung.

Entsprechend arrogant war das Verhalten von US-Vizepräsident Mike Pence während der Eröffnungszeremonie. Als das gemeinsame koreanische Team unter stehenden Ovationen in das Stadion einzog, blieb er demonstrativ sitzen. Pence machte unmissverständlich deutlich, dass Washington Südkorea als eine Halbkolonie betrachtet, die sich zu unterwerfen hat.

Pence nutzte seinen Besuch bei den Olympischen Spielen für eine Rundreise im Rahmen der Kriegsvorbereitungen. Er besuchte u.a. einen US-amerikanischen Raketenstützpunkt in Alaska und die Verbündeten in Japan und Südkorea, wo 35.000 US-Soldaten stationiert sind. Letzten Mittwoch erklärt er in Tokio: „Wir werden nicht zulassen, dass Nordkorea hinter dem Banner der Olympischen Spiele die Tatsache verbirgt, dass es seine Bevölkerung versklavt und eine Gefahr für die ganze Region darstellt.“

So spricht der Vertreter einer Regierung, die von 1950-1953 einen Krieg führte, der mindestens drei Millionen Koreaner das Leben kostete. Die gleiche Regierung betreibt heute eine massive Aufrüstung in der Region, u.a. durch die Stationierung von atomwaffenfähigen B2-Bombern in Guam, um sich auf einen Krieg vorzubereiten.

Die Olympischen Spiele wurden von den kapitalistischen Großmächten trotz ihres angeblichen „internationalen“ Ideals immer als Gelegenheit wahrgenommen, nach Kräften Nationalismus zu schüren und ihre geopolitische Interessen zu verfolgen. So hatte Hitler versucht, mit den Spielen die Überlegenheit der „arischen Rasse“ zu beweisen, während die USA im Kalten Krieg entschlossen waren, ihre Überlegenheit über die Sowjetunion zu zeigen.

Auch auf den diesjährigen Winterspielen wird extremer Nationalismus und Chauvinismus zur Schau gestellt. Besonders die USA tun sich damit hervor, mit kriegerischen Sprechchören „USA! USA!“ Man könnte glauben, ein so großes und reiches Land mit einem so starken Militär hätte diese unaufhörliche hypermilitaristische Selbstdarstellung nicht nötig. Sie kann nur mit der Krise erklärt werden, die den amerikanischen Kapitalismus zerfrisst, und mit den wachsenden Schwierigkeiten bei Washingtons Streben nach Weltherrschaft.

Neben der Aufrüstung der USA gegen Nordkorea sind die Olympischen Spiele 2018 dominiert von dem Teilnahmeverbot für Russland, welches das Exekutivkomitee des IOC letzten Dezember auf Druck der USA verhängt hatte. Die Vorwürfe, Russland würde systematisches Doping betreiben, basieren größtenteils auf den Aussagen des ehemaligen Leiters des russischen Anti-Doping-Labors Grigori Rodtschenkow, der sich 2016 in Schutzhaft in den USA begeben hatte.

Zwar dürfen 168 russische Athleten an den Spielen teilnehmen, allerdings müssen sie sich zusätzlichen umfassenden Dopingtests unterziehen. Zudem darf nirgendwo die russische Flagge gezeigt werden, und anstelle der russischen Nationalhymne wird bei der Medaillenverleihung an Russen die Olympische Hymne gespielt. Das IOC kündigte diesen Monat an, die russischen Sportler und Trainer, die auf Lebenszeit wegen Doping gesperrt wurden, würden trotzdem nicht zur Teilnahme eingeladen. Im Jahr 2016 durften die russischen Athleten nicht zu den Paralympics und das Leichtathletikteam nicht zu den Spielen in Rio antreten.

Diese Maßnahmen zielen ganz offen darauf ab, Russland als Paria-Staat darzustellen. Dass die Empörung über russisches Doping reine Heuchelei ist, zeigten die Enthüllungen, dass minderjährige US-amerikanische Kunstturnerinnen von ihrem Chefarzt Larry Nassar systematisch sexuell missbraucht wurden. In den amerikanischen Medien war dieser Missbrauch monatelang eines der Top-Themen. Das amerikanische Olympische Komitee wusste seit über einem Jahr davon, vertuschte den Skandal aber und unternahm nichts. Obwohl der sexuelle Missbrauch der amerikanischen Athletinnen schwerwiegender ist als alle Verstöße durch das angebliche Doping Russlands, haben dieselben westlichen Regierungen und Medien, die jetzt unisono den Ausschluss Russlands unterstützen, kein einziges Mal gefordert, bei den Spielen in Südkorea die amerikanische Flagge oder das Abspielen der US-Nationalhymne zu verbieten.

Diese Ungleichbehandlung unterstreicht, dass die Bestrafung der russischen Athleten nicht der Integrität des Olympiasports dient. Diese ist seit langem durch ständige Korruptionsskandale, Hurrapatriotismus und Geld aus der Wirtschaft ruiniert. Vielmehr handelt es sich um einen Bestandteil der Hetzkampagne gegen Russland, die der Kriegsvorbereitung dient.

Trotz der offiziellen Hymnen auf „Frieden“ bei den derzeitigen Spielen reagieren die kapitalistischen Großmächte mit eigener Aufrüstung auf die jüngst veröffentlichte neue Nationale Verteidigungsstrategie der USA. Laut diesem Dokument bereiten sich die USA auf „Großmachtkonflikte“ mit „revisionistischen Staaten“ vor, zu denen sie vor allem Russland und China zählen. Letzte Woche kündigten Frankreich, Deutschland, Spanien und die USA allesamt deutliche Erhöhungen ihrer Militärausgaben an.

Genau wie bei allen Olympischen Spielen stehen auch diesmal die reaktionären geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen im Widerspruch zu dem sportlichen Können, dem Talent und dem sympathischen Charakter der Teilnehmer. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie unter dem erdrückenden Gewicht des Militarismus, des Hurrapatriotismus und des Konsumterrors antreten müssen.

Zu den offiziellen Olympia-Partnern gehören u.a. Coca Cola, General Electric, Dow und Intel. Sie und die anderen Großkonzerne, die sich zu den Spielen in Korea einfinden, werden zweistellige Millionenbeträge daran verdienen. Auch die Fernsehsender werden Hunderte Millionen durch Werbung einnehmen.

Einem verschwindend kleinen Teil der Athleten wird der Sieg Werbeverträge im Wert von mehreren Millionen Dollar bescheren. Wer es nicht in den Kreis der Gewinner schafft, wird bei seiner Rückkehr mit den gleichen sozialen Problemen konfrontiert sein wie die übrige Bevölkerung.

In dem jüngst herausgekommenen Film „I, Tonya“ über die skandalgeplagte Olympia-Eiskunstläuferin Tonya Harding erklärt die Hauptfigur ironisch: „Wenn man bei der Olympiade auf dem vierten Platz landet, bekommt man keine Werbeverträge, sondern die 6-Uhr-Schicht in der Imbissbude.“

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